Äußerungen aus französischen Wirtschaftskreisen
15. April 1964
Einzelinformation Nr. 316/64 über Äußerungen aus französischen Wirtschaftskreisen zur französischen Politik gegenüber der Sowjetunion und zur Frage französischer Weizenlieferungen an die DDR
Zuverlässig wurden von dem französischen Geschäftsmann Goldstein, der über einflussreiche Verbindungen in französischen Wirtschaftskreisen und auch zu politischen Kreisen verfügt und in geschäftlichem Kontakt mit der DDR steht, Angaben über die französische Politik gegenüber der Sowjetunion bekannt. Nach Äußerungen Goldsteins habe er in Erfahrung gebracht, dass im Zusammenhang mit dem Besuch von Edgar Faure1 in Moskau wichtige Änderungen im französisch-sowjetischen Verhältnis vorbereitet werden. Als Höhepunkt dieser Veränderungen sei der Vorschlag eines Nichtangriffspaktes mit der Sowjetunion vorgesehen. Damit solle ein Gegengewicht gegen die Bevormundung Frankreichs in der NATO durch die USA und Westdeutschland geschaffen werden. Dieser Plan werde gegenüber den andern NATO-Partnern noch streng geheim gehalten.
Goldstein berichtete in diesem Zusammenhang auch erneut über Auffassungen in französischen Regierungskreisen, nach denen eine mögliche Anerkennung der DDR durch Frankreich ein Ausdruck der Bestrebungen de Gaulles2 sein könnte, der westdeutschen Bevormundung zu begegnen. Es existiere ein nur wenigen Personen zugängliches Dokument, in dem die Grundsätze einer möglichen Anerkennung der DDR fixiert seien.
Durch Vermittlung Goldsteins konnte die zurzeit in Paris über französische Weizenlieferungen an die DDR verhandelnde Delegation des MAI Verbindung zu führenden Kreisen der Rothschildgruppe aufnehmen. Nach Auffassung Goldsteins ist es möglich, die von der DDR geforderte Weizenmenge von 800 000 t über das bisher vorliegende französische Angebot hinaus zu erhalten und die Zahlungsbedingungen zu verbessern.
Nach Äußerungen Goldsteins habe er aus Kreisen der französischen Ministerialbürokratie erfahren, dass die jüngsten zweiseitigen Verhandlungen zwischen dem französischen und dem westdeutschen Landwirtschaftsminister über einen gemeinsamen EWG-Getreidepreis zu einer Verschärfung der in dieser Frage bestehenden westdeutsch-französischen Differenzen führten. Der französische Landwirtschaftsminister habe deshalb die französischen Verhandlungspartner der DDR-Delegation darauf hingewiesen, dass die Verhandlungen auf alle Fälle zu einem positiven Ergebnis geführt werden müssten. Er habe anderenfalls mit einer Mobilisierung insbesondere der französischen Bauern gedroht. Er wolle durch den Vertrag mit der DDR seine Stellung in den weiteren Verhandlungen mit Westdeutschland festigen.
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