Ansichten von Leistungssportlern zur Olympiavorbereitung
[ohne Datum]
Einzelinformation Nr. 343/64 über Ansichten von Leistungssportlern über Probleme des Sports in der DDR
In zunehmendem Maße stehen in den letzten Wochen Fragen der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Tokio1 im Mittelpunkt der Gespräche mit Leistungssportlern. Ferner wurde von den Aktiven über Schulungsarbeit, berufliche Weiterbildung der Sportler, Trainingsmethoden sowie über Fragen der materiellen Zuwendungen diskutiert.
Nach den vorliegenden Informationen ist einzuschätzen, dass unsere Leistungssportler bestrebt sind, sich möglichst intensiv auf die Ausscheidungskämpfe gegen Westdeutschland vorzubereiten,2 um für Tokio Plätze in der gesamtdeutschen Mannschaft zu erkämpfen. Von vielen Sportlern wird zum Ausdruck gebracht, dass in Tokio unbedingt höhere Ergebnisse als in Innsbruck erzielt werden müssten,3 um auch weiterhin international anerkannt zu werden und keine – wie mehrere Sportler einschätzen – weitere Rückentwicklung im Sport zuzulassen.
Von einer Reihe Aktiver wird die Meinung vertreten, höhere sportliche Leistungen in Tokio seien jedoch nicht nur durch bessere Leistungen in der Vorbereitungsperiode zu erreichen, sondern es müssten auch seitens der Sportleistungen entsprechende und geordnetere Voraussetzungen als in Innsbruck geschaffen werden. Die von ihnen gewünschten Ergebnisse seien nur zu erreichen, wenn sich die gesamte Sportdelegation für Tokio einer eisernen Disziplin unterwerfe. Das gelte sowohl für die Sportler als auch für die Sportfunktionäre und träfe für die Trainingszeit als auch für die Freizeitgestaltung zu. Die kollektive Freizeitgestaltung der Delegation in Tokio müsste nach Ansicht der Aktiven während der Olympischen Spiele besser als in Innsbruck organisiert werden. Eine Vorbereitung auf die Wettkämpfe am Austragungsort wäre damit besser möglich. An der kollektiven Freizeitgestaltung müssten die Funktionäre und Trainer trotz ihrer vielfältigen organisatorischen Aufgaben beteiligt sein und durch ihr diszipliniertes Auftreten das Vorbild für das gute Verhalten der DDR-Sportler in Tokio sein.
Mangelnde Disziplin in Innsbruck sei in erster Linie mit als Ursache für die ungenügenden Leistungen der DDR-Sportler während der olympischen Winterspiele anzusehen. Es müsste nach Ansicht von Leistungssportlern im Gegensatz zu Innsbruck in Tokio dafür gesorgt werden, dass der Tagesablauf der Leistungssportler geplant und ruhig verlaufe. Sowohl durch Mannschaftsmitglieder als auch durch Offizielle und Trainer dürfte während der gesamten Dauer der Olympischen Spiele keine Nervosität in die Delegation getragen werden. Trete auch nur bei den geringsten Misserfolgen Nervosität oder eine drückende Atmosphäre ein, müsste damit gerechnet werden, dass auch weitere Erfolge durch die damit verbundene psychische Belastung der Leistungssportler ausbleiben.
Nach Ansicht von Aktiven müsste das psychologische Einfühlungsvermögen und das pädagogischem Verhalten unserer Funktionäre gegenüber den Aktiven – vor allem unmittelbar nach dem Wettkampf – besser sein. Dadurch müssten die Sportler das Gefühl gewinnen, dass es nicht – wie sie verschiedentlich meinen – nur um die Erfüllung der Perspektiven, sondern auch um ihre persönlichen Belange geht. Die Leistungen der Aktiven seien nicht immer gleich, und falsches Verhalten durch Leitungskader sei den Leistungen abträglich. Auch Sportler, die bei der internationalen Wertung nicht unter die besten zehn Plätze fielen, müssten ab und zu als Ansporn ein Wort des Lobes hören. In Innsbruck zeigte sich z. B., dass westdeutsche Funktionäre diese Situation erkannten und auch auszunutzen versuchten. Es zeichnete sich daher wiederholt ab, dass mit weniger gut platzierten DDR-Aktiven nicht DDR-Offizielle, sondern westdeutsche Funktionäre erste Gespräche führten und sie trotzdem beglückwünschten. Dieses Verhalten der westdeutschen Funktionäre und Sportler wurde nach Äußerungen einiger unserer Aktiven von ihnen als sehr »korrekt« und »wohltuend« empfunden. Sportfunktionären und Trainern dürfe man ferner vor den Wettkämpfen keine »Angst« vor schlechtem Abschneiden ihrer Aktiven und vor daran anschließenden Auseinandersetzungen mit ihnen nach der Rückkehr anmerken. Diese Stimmung übertrage sich unmittelbar auf den Leistungssportler und seine Leistungen.
Von Offiziellen und Trainern erwarten Aktive ferner in Tokio eine kollektive Leitungstätigkeit. Differenzen zwischen einzelnen Sportfunktionären und Trainern, die von Aktiven ihrer Ansicht nach mitunter festgestellt worden seien, dürften sich keinesfalls auf eine kollektive Leitungstätigkeit während der Olympischen Spiele auswirken.
Einige Aktive fordern in individuellen Diskussionen, sie müssten politisch und moralisch noch besser auf die Olympischen Spiele in Tokio, aber auch für das Zusammentreffen mit den westdeutschen Leistungssportlern vorbereitet werden. Dabei sollten nach Meinung der Aktiven die Vorbereitungen individuell erfolgen, da jeder Sportler andere politische und moralische Voraussetzungen besitze. Verwiesen wird von ihnen auf ein ihrer Ansicht nach gutes Beispiel des ASK Rostock. Dort würden seitens der Clubleitung mit allen Aktiven, die für Tokio infrage kämen, individuelle und sehr ausführliche Kadergespräche geführt, wobei jeder Sportler von dem Verantwortlichen in seiner Wohnung aufgesucht werde. Die Gespräche erstreckten sich nicht nur auf Fragen des Leistungssports, sondern unter Hinzuziehung der Ehefrau des Aktiven auch auf familiäre und persönliche Angelegenheiten. Wenn sich die Clubleitungen auf diese Art von den persönlichen Voraussetzungen des Leistungssportlers überzeugt hätten, bestünde auch weniger die Gefahr eines disziplinlosen Verhaltens oder sogar einer Republikflucht wie bei der Ute Gähler4 zum Beispiel. Die Hausbesuche hätten sich auf die Aktiven sehr günstig ausgewirkt, sie hätten größeres Vertrauen zu den Clubfunktionären bekommen und würden die Bemühungen, individuell mit den Menschen zu arbeiten, anerkennen. Die Republikflucht von Ute Gähler in Innsbruck wird von den meisten Sportlern – hauptsächlich von Wintersportlern – verurteilt. Sie hätten diesen Verrat von ihr nicht erwartet.
Nach Ansicht einiger Sportler (z. B. Sportfreund [Name], Mitglied der Clubleitung des SC Traktor Oberwiesenthal), hätte jedoch die Republikflucht der Ute Gähler bei vorheriger richtiger Einschätzung ihrer Familienverhältnisse verhindert werden können; es sei dem Verband bekannt gewesen, dass Ute Verbindungen zu ihren Verwandten in Westberlin bzw. Westdeutschland unterhalte, die sich bemühten, Ute abzuwerben. Er ([Name]) hätte auch seine Unterschrift für Auslandsstarts der Gähler verweigert, doch der Verbandstrainer Geinitz5 hätte sich für ihren Start in Innsbruck eingesetzt. Andere Sportler führen die Republikflucht auf die angeblich ungenügende Anerkennung ihrer sportlichen Leistungen und darauf zurück, dass Ute Gähler nach der Gewinnung der Medaillen durch die anderen Schlittensportler keine Beachtung mehr gefunden habe.
Aus einigen Gesprächen Helmut Recknagels6 mit Aktiven ist zu entnehmen, dass H. Recknagel noch mehrfach Post von westdeutschen Bürgern erhält, die ihm zu seinen sportlichen Leistungen gratulieren und versuchen zu »trösten«, da er während der Olympiade in Innsbruck keine Medaille errang. Recknagel erklärte, er wäre zwar bereit, einigen Absendern zu antworten, wage es aber nicht, um bei unseren Funktionären nicht anzuecken. Er habe wegen ähnlicher Dinge bereits einmal »den Kopf gewaschen« bekommen.
Unsicherheit besteht bei einer Reihe von Leistungssportlern noch zu der Frage, ob die Festlegungen über eine gesamtdeutsche Mannschaft nach Tokio bestehen bleiben oder eventuell in letzter Minute noch geändert würden. Der auf Verschulden Westdeutschlands – wie die Sportler auch richtig erkennen – verursachte Unsicherheitsfaktor sei für die Aktiven eine Belastung und fördere nicht die Wettkampfstimmung. Überwiegend wird von den Aktiven angenommen, dass 1964 zum letzten Mal eine gesamtdeutsche Mannschaft startet, zur nächsten Olympiade jedoch zwei verschiedene deutsche Mannschaften vertreten sein werden. (z. B. Meinung des Sportfreundes Milde7). Die Variante, zwei selbstständige Mannschaften zu nominieren, wird dabei mehrfach als die beste Lösung angesehen, weil damit den Sportlern die Belastungen vor allem auch während der vorbereitenden Wettkämpfe erspart blieben.
Die bereits in früheren Berichten erwähnten Diskussionen der Sportler über eine angeblich noch unbefriedigende Schulung durch den DTSB halten in einzelnen Fällen auch weiterhin noch an, wobei die Praxis der bisherigen Schulungsarbeit als nicht ausreichend lebensnah und zu starr eingeschätzt wird. Einige Aktive äußern die Meinung, besonders die Haltung unserer Sportler während der Olympiade in Innsbruck müsse von den Verantwortlichen eingeschätzt und die Ergebnisse dieser Einschätzung für die weitere politische Schulung der Tokio-Kandidaten nutzbar gemacht werden. Die Zahl der Schulungen der Sportler wäre ausreichend, aber der gelehrte Stoff »ginge nicht ein«. Oft würde mit »Phrasen« gearbeitet und nicht die Sprache gefunden, die der Sportler verstehe. (z. B. Meinung der Sportfreunde Lothar Milde und Klaus Moser8/SC Leipzig). Die Sportler wüssten auch wenig über die Personen der westdeutschen Sportführung, z. B. über Daume,9 Ritter von Halt10 u. a., und überschätzen häufig noch deren Auftreten, ohne zu erkennen, welche schädliche Politik im Sport sie betreiben.
Einige Leistungssportler erwähnen in diesen Gesprächen, auch die westdeutschen Sportler seien geschult und wüssten genau, wie sie sich z. B. gegenüber den DDR-Sportlern taktisch richtig verhalten sollen. In Westdeutschland würde jedoch eine Schulung »klüger« vorgenommen, ohne sogenannte Holzhammer und tägliche Schulungen. Dadurch fände der westdeutsche Sportler psychologisch mehr Ruhe. Die bewusstseinsmäßige Beeinflussung der westdeutschen Sportler erfolge individueller; man gehe bei jedem Sportler von seinen persönlichen Voraussetzungen aus. Diese Art der »Schulung« und Beeinflussung sei aber wirkungsvoller (z. B. Meinung des Sportfreundes Klaus Moser/SC Leipzig).
Unzufrieden äußerten sich einige Handballspieler über ihre ideologische Vorbereitung zu den Weltmeisterschaften im Hallenhandball. Die ständigen intensiven Schulungen vor großen internationalen Wettkämpfen, in denen immer wieder hervorgehoben würde, es gehe um Ehre und Ruhm unserer Republik, sollten nach ihrer Meinung eingedämmt werden. Diese Art von »Bewusstseinsbildung« ermüde unsere Sportler, zumal jeder Aktive bestrebt sei, an großen internationalen Wettkämpfen teilzunehmen und gut abzuschneiden; er setze von sich aus alles daran, dieses Ziel zu erreichen.
Im Gegenteil zu den mehrfach geübten Kritiken seitens der Leistungssportler an den Schulungen des DTSB äußern sich einige Sportler befriedigend über die Methode der Durchführung und ihre Wirkung (z. B. Sportfreund Siegfried Roßberg11/SC Einheit Dresden). Der Inhalt der Schulungen habe sich in letzter Zeit verbessert und man sei von der vorher üblichen trockenen Form etwas abgegangen. Bei den Schulungen der Sportler in Dresden habe man die etwas lockere Form gewählt, die rege Diskussion auslöse.
Vereinzelt gibt es seitens der Sportler Hinweise zu ihrer beruflichen Ausbildung, wobei sie von Diskrepanzen zwischen ihrer sportlichen und beruflichen Weiterbildung sprechen. Bei aller Förderung des Sports und der Sportler in der DDR dürfe dies nicht dazu führen, dass ihre berufliche Qualifikation darunter leide. Sie verlangen auch in beruflicher Hinsicht eine zielgerichtete Perspektive. Bisher in diesem Zusammenhang mit den Sportlern ungelöste Probleme würden die sportlichen Leistungen negativ beeinflussen. Einige Leistungssportler verweisen auf die Praxis des ASK. Dort habe man ihrer Meinung nach richtig verstanden, die Verbindung zwischen sportlicher Leistung und beruflicher Ausbildung herzustellen; fast jeder Sportler sei dort ein Fernstudent.
Einige Bemerkungen zu Gesprächen von Leistungssportlern über die Arbeit der Verbände und Sektionen: Von einigen Leistungssportlern im Fußball wird die Ansicht vertreten, dass Nationalspieler in ihren Mannschaften bestimmte Schwierigkeiten im Verhältnis zu den anderen Spielern haben. Zum Beispiel sei der Nationalspieler Hermann Stöcker12 vom SC Aufbau Magdeburg in seiner Mannschaft während der Oberligaspiele geschnitten oder in eine passive Rolle gedrängt worden. Das Schneiden von Nationalspielern sei auf die Unzufriedenheit vieler Sportler zurückzuführen, weil die Nationalkader besondere finanzielle Zuwendungen erhielten. Sportfreund Stöcker selbst äußert jedoch, er sei mit seinem Kollektiv zufrieden. Er führt seine unbefriedigenden Leistungen innerhalb der Clubmannschaft auf eine Überforderung durch die letzten Auslandsreisen zurück. Die Hitze in Südostasien und in Ägypten habe sehr an den Kräften der Nationalspieler gezehrt und sie hätten mehrere Wochen benötigt, um sich in der Heimat wieder zu akklimatisieren. Vor dem Spiel gegen Holland sei nach Meinung einiger Nationalspieler die Ägyptenreise zu viel gewesen; das sei die Ursache für die schwachen Leistungen in Holland, zumal sie in Holland ein sehr raues Klima, Sturm und Regen vorfanden. Die Umstellung von heißem auf raues Klima habe sich nachteilig auf ihre Kondition ausgewirkt.
Die Nationalspieler halten die Nichtanerkennung des Länderspieles in Ghana im Hinblick darauf, dass unsere Nationalhymne und DDR-Flagge nicht anerkannt wurden, für richtig. Auf dem Spielfeld sei es jedoch sehr schwierig gewesen, zu diesem Vorfall eine richtige Entscheidung zu treffen; die Spieler hätten nicht gewusst, wie sie sich verhalten sollen, zumal unsere Mannschaft von den ghanesischen Zuschauern sehr herzlich begrüßt und von den Funktionären zuvorkommend behandelt worden seien. Sportfreund Riedel13 habe den Mannschaftsangehörigen zwar vorher die Orientierung gegeben, sie sollten nicht spielen, falls unsere Flagge nicht gehisst und unsere Hymne nicht gespielt werde, im entscheidenden Augenblick wären sie jedoch auf sich allein angewiesen gewesen.
Zur Lage beim Club des SC Chemie Halle meinten einige Sportfreunde, es besteht nur noch wenig Hoffnung, den Oberligaklassenerhalt zu erreichen. Nach Meinung des Sportfreundes Urbanczyk14 seien die Spieler zu jung und unausgeglichen, um die schweren Belastungen der Oberligaspiele durchzustehen. Die Trainer hätten ihr Bestes gegeben, und auch die Trainingsbedingungen wären annehmbar gewesen. Lothar Milde schätzte die Situation so ein, dass die Ziele bei intensiverem Training erreicht worden wären. Die Mannschaft des SC Chemie habe nach seinen eigenen Beobachtungen nicht ausreichend Härte und Fleiß beim Training gezeigt.
Von einigen Aktiven und Trainern wird die Ansicht vertreten, den Trainern würde zu wenig Zeit eingeräumt, um sich intensiv mit jedem einzelnen Fußballspieler befassen zu können. Der Trainer habe sich um die Erziehung der Sportler, um ihre politische Bildung, um ihre Verbindungen zu dem Betrieb, um die Rahmenplanerfüllung und die berufliche Entwicklung der Sportler, und nicht zuletzt eben auch um das Training zu kümmern. Außerdem werde noch eine umfangreiche Mitarbeit der Trainer in den verschiedensten Kommissionen verlangt. Bei diesem Arbeitspensum müsste die Trainingsarbeit unbedingt zu kurz kommen. Diese Ansichten führten mitunter zu der falschen und extremen Schlussfolgerung, die westdeutschen Trainer hätten es im Gegensatz zu unseren Trainern einfacher. Sie brauchten sich nur um das Training zu kümmern, und lasse ein Aktiver in seinen Leistungen nach, stimme dessen Geld nicht. Die westdeutschen Sportler würden daher die Anweisungen der Trainer besser beachten.
Unter einem größeren Teil der Fußballspieler wird in letzter Zeit über die Neuregelung der Clubzuwendungen und der Übergabemethoden gesprochen. Obwohl die Spieler der verschiedenen Oberligakollektive über Einzelheiten meistens nicht unterrichtet sind, äußern sie sich vereinzelt unzufrieden.
Nachdem die vorherige alte Methode der Verteilung von Zuwendungen mehrfach als Verletzung des Leistungsprinzips eingeschätzt wurde, verweisen nach Einführung des neuen Verteilungsprinzips einige Spieler darauf, dass man damit dem »Trainer auf Gedeih und Verderb« ausgeliefert sei (z. B. Meinung beim SC Empor Rostock). Der Trainer werde nicht kontrolliert, ob er die Verteilung der finanziellen Mittel gerechtfertigt vornehme, und jeder Spieler sei seinen eventuellen Launen oder auch »Schikanen« ausgesetzt. Sie befürchten, dass der Trainer von subjektiven Erwägungen herangeht und sich von momentanen Leistungsminderungen leiten lässt, auch wenn in der vergangenen Zeit die Ergebnisse des Sportlers gut waren. »Schöntuern« seitens einiger bestimmter Spieler gegenüber dem Trainer oder Intrigen mit dem Ziel, höhere Zuwendungen zu erlangen, seien damit das Tor geöffnet.
Der Trainer Fritzsch15 vom SC Empor Rostock erklärte, er wende die Methode der jetzigen Differenzierung sehr streng an und gebe sofort Minuspunkte, wenn Ordnung, Pünktlichkeit und Disziplin nicht eingehalten würden. Das hart angewandte Differenzierungsmittel sei das einzige Mittel, das bei den Spielern ziehe. Als keine endgültige Lösung betrachtet der Trainer Fritzsch die finanziellen Unterstützungen für Nationalspieler, da seiner Ansicht nach auch ein Nationalspieler keine 100%ige Zuwendung erhalten dürfe, sobald er in seinen Leistungen innerhalb des Clubs nachlasse. Wären ihm die 100 % zugesichert, brächte er im Club nur schwache Leistungen oder »ruhe sich aus«. Aufgrund der Leistungen der Nationalspieler in seinem Club könne er eine 100%ige Zuwendung nicht vertreten.
Bei den Spielern der Nationalmannschaft Handball ist die Stimmung aufgrund der Ergebnisse der Weltmeisterschaften im Hallenhandball sehr gedrückt und niedergeschlagen, wobei der große Teil der Aktiven anführt, dass sie sowohl das Spiel gegen Westdeutschland als auch das gegen Jugoslawien hätten gewinnen müssen. Als Ursachen für das schlechte Abschneiden wird von den Spielern mehrfach angeführt: Der Einsatz des Spielers Frieske16 sei verfrüht gewesen, er besitze noch nicht genügend internationale Erfahrungen. Ferner hätten die ungenügenden Leistungen von Pappusch17 und Hebler18 den Trainer veranlassen müssen, beide rechtzeitig auszuwechseln; das wäre sogar die Meinung der jugoslawischen Spieler gewesen. Der Trainer hätte außerdem während des Spieles gegen Westdeutschland darauf orientieren müssen, den westdeutschen Spieler Lübking19 zu decken. Auch weitere einzelne Ansichten unserer Aktiven zielen darauf ab, dem Trainer Fehler in der Taktik vorzuhalten. Als weitere Schlussfolgerung wurde von Leistungssportlern zum Ausdruck gebracht, unsere Nationalmannschaft sollte verjüngt und durch körperlich größere Spieler ersetzt werden. Ferner sollte bei uns nach ihrer Meinung zur Vorbereitung auf die nächsten Weltmeisterschaften im Hallenhandball der Kleinfeldhandball mehr in den Vordergrund gerückt werden, ohne jedoch den Feldhandball – da wir den Meistertitel zu verteidigen hätten – zu vernachlässigen. Vereinzelt wurde von Spielern angedeutet, das Einvernehmen zwischen den Spielern der DHfK und den Spielern des ASK sei nicht gut und wirke sich negativ bei Wettkämpfen aus.
Der Radsportler Klaus-Dieter Stolze20 – BSG Lok Erfurt/Radball – erklärte in einem Gespräch, er habe zzt. aufgrund seines Studiums Humanmedizin keine Möglichkeit, ein ordentliches Training durchzuführen. Bei seinem Lehrkörper fände er kein Verständnis, um zusätzlich Gelegenheit für die Teilnahme an Lehrgängen oder für das Training zu erhalten. Durch einen Anschluss an den SC Turbine Erfurt – von dort wäre eine Freistellung vom Studium möglich – könnten diese Schwierigkeiten geklärt werden, bisher gab es jedoch unterschiedliche Gründe, die eine Überstellung an den SC Turbine verhinderten. Die gleichen Gründe brachte sein Bruder Hans Stolze21 – BSG Lok Erfurt/Radball – zum Ausdruck. Die Bildung einer Sektion Radsport beim SC Turbine würde sich lohnen, da in Erfurt und in der näheren Umgebung viele gute Radballmannschaften bestünden. Beide Sportler trainieren gegenwärtig selbstständig, ohne Anleitung eines Trainers.
In einer Aussprache mit dem Sportfreund Astroth22 vom SC Chemie Halle – Leichtathletik – äußerte er die Absicht, nach den Olympischen Spielen aus der aktiven Sportlaufbahn auszuscheiden. Er hat den Wunsch in seinem Heimatort Naumburg einen Stützpunkt für junge Nachwuchssportler zu entwickeln, wobei er talentierte Nachwuchskräfte in seiner Disziplin in bestimmten Zeitabständen zu Wochenendlehrgängen einladen will. Seinen Plan hält er für sehr wichtig, da in den nächsten Jahren in seiner Disziplin nur unzureichend junge Nachwuchssportler vorhanden seien.
Der Sportfreund Preußger23 sprach sich anerkennend über den jungen Athleten Nordwig24 vom SC Motor Jena aus, der einer unserer talentiertesten Nachwuchssportler sein soll. Er habe ihn im Winterlager kennengelernt und ist der Ansicht, dass er finanziell unterstützt werden sollte. (Nordwig arbeitet in Jena als Mechaniker in den Schottwerken.) Sportfreund Preußger führte in einem Gespräch weiter aus, dass er zzt. in seinem Institut Sorgen habe, da er keine Planstelle besitze; der Club habe es versäumt, einen Vorvertrag mit dem Institut abzuschließen. Da er mit dem aktiven Sport nach der Olympiade aufhören will, ist ihm unklar, wie es weitergehen soll. Am Institut sei ihm wörtlich erklärt worden: »Wenn du im Herbst mit dem aktiven Sport aufhörst, dann sage uns, wen wir von der Planstelle nehmen sollen, um dir eine zu geben.« Preußger meint, er habe sich viele Jahre als Leistungssportler bemüht, das Beste zu geben und könnte am Ende seiner Laufbahn nicht durch Nachlässigkeit seines Clubs dafür bestraft werden.25
In einer Unterhaltung mit dem Sportfreund Danzke26 – Basketball – führte dieser an, dass seine Mannschaft an den Republikflüchtigen Uhlig27 einen Brief geschrieben habe, in dem um eine Stellungnahme zu seiner Republikflucht gebeten wurde. Uhlig halte sich in Aachen auf und trainiere bei dem westdeutschen Meister »Alemannia Aachen«. Dort sollen noch weitere in den vergangenen Jahren aus Halle republikflüchtig gewordene Basketballspieler trainieren. Durch einen holländischen Basketballspieler sei bei den letzten Europameisterschaften bekannt geworden, dass die Spieler von »Alemannia Aachen« monatlich eine Zuwendung zwischen 100 und 300 Mark erhalten.28 »Alemannia Aachen« würde keinen eigenen Nachwuchs entwickeln, sondern sich die Spieler aus anderen Ländern holen. (Die Angaben des Holländers wurden auch durch Äußerungen des Spielers von »Alemannia Aachen« Grüttner,29 ehemaliger Hallenser, bestätigt.)
Sportfreund Hans-Dieter Neidel30 vom SC Traktor Schwerin – Boxen – wies in einer Unterhaltung darauf hin, unter der Schweriner Bevölkerung werde heftig über die Verteilung der Eintrittskarten zu den Ausscheidungskämpfen diskutiert, da angeblich die besten Plätze für die westdeutschen Touristen reserviert seien. Der Schweriner Boxanhang sei sehr groß, und die Boxsportler erwarten, dass sie von der Bevölkerung unterstützt würden. Unter der Schweriner Bevölkerung würde ferner mit Unzufriedenheit darüber diskutiert, dass die westdeutschen Touristen verbilligte Eintrittspreise erhalten sollen.