Arbeitsniederlegung in halbstaatlichem Betrieb
11. April 1964
Einzelinformation Nr. 304/64 über eine Arbeitsniederlegung in der Firma [Name 1] (HSB) Weimar (Tiefbaubetrieb) am 8. April 1964
Am 8.4.1964 in den Mittagsstunden legte eine Tiefbaubrigade der Firma [Name 1] (Betrieb mit staatlicher Beteiligung), – bestehend aus zwölf Mitgliedern – für drei Stunden die Arbeit nieder. Diese Brigade arbeitete auch am 9.4.1964 nicht.
Zu den Ursachen dieses Vorkommnisses wurde Folgendes bekannt: Der Brigadier [Name 2] versuchte in der Vergangenheit wiederholt bei der Lohnabrechnung der einzelnen Dekaden durch bestimmte Manipulationen ungerechtfertigt zusätzliche Lohngelder für die Brigademitglieder zu erlangen.
Der ehemalige Baustellenleiter [Vorname Name 1] (Juniorchef der Firma [Name 1]) konnte in der Vergangenheit durch Aussprachen diese Bestrebungen zum Teil verhindern, blieb jedoch inkonsequent und versuchte zum Teil durch einige Kompromisse in der Lohnabrechnung die Brigademitglieder »zufriedenzustellen«.
Die Lohnabrechnung für die Dekade vom 20.3. bis 30.3.1964 wurde vom Brigadier [Name 2] dem neueingesetzten Baustellenleiter [Name 3] am 4.4.1964 übergeben. Während der Überprüfung der Lohnabrechnung stellte [Name 3] die Unregelmäßigkeiten fest und berichtigte daraufhin die Lohnliste.
Die am 8.4.1964 in der Mittagspause erfolgte Lohnauszahlung war demzufolge geringer, als von den Brigademitgliedern allgemein erwartet wurde. Daraufhin begab sich die gesamte Brigade in die Gaststätte »Goethebrunnen« und nahm an diesem Tag die Arbeit nicht wieder auf.
Der Baustellenleiter [Name 3] war am 8.4.1964 nur in der Zeit von 7.00 bis 8.30 Uhr auf der Baustelle – Heizkanal für die Hochschule für Architektur –, hatte deshalb auch keine Kenntnis von der Arbeitsniederlegung und konnte daher auch nicht auf die Wiederaufnahme der Arbeit Einfluss nehmen.
Am 9.4.1964 erschienen sämtliche Brigademitglieder pünktlich auf der Baustelle, konnten jedoch die Arbeit wegen eingetretenem Regen nicht aufnehmen.
Als der Baustellenleiter [Name 3] gegen 9.30 Uhr die Baustelle aufsuchte, traf er die Brigade im Aufenthaltsraum beim Biertrinken an. Er unternahm den Versuch, den Mitgliedern die Gründe der veränderten Lohnabrechnung und des geringeren Verdienstes zu erläutern. Eine sachliche Aussprache kam aber nicht zustande, da die Mehrzahl der Arbeiter bereits unter starkem Alkoholeinfluss stand.
Aufgrund des starken Alkoholgenusses ordnete der Baustellenleiter [Name 3] an, an diesem Tag die Arbeit nicht mehr aufzunehmen, da er es aufgrund der Arbeitsschutzanordnung nicht verantworten konnte.
Am 10.4.1964 erfolgte durch Vertreter der Kreisleitung der Partei, des FDGB und der Betriebsleitung eine Aussprache mit den Brigademitgliedern. Im Verlauf dieser Aussprache erkannten die Brigademitglieder und ihre Leiter [Name 2] die Lohnabrechnungsberichtigung des Baustellenleiters [Name 3] an. Während der Aussprache wurden dann in stärkerem Ausmaß über bestehende Mängel in der Arbeitsorganisation, schlechte Bereitstellung von technischen Geräten und Hilfsmitteln diskutiert. Die Brigade wurde gleichfalls verpflichtet, die versäumte Arbeitszeit nachzuholen.
Über die wirtschaftliche Situation im Betrieb [Name 1] ist Folgendes bekannt: Die Firma [Name 1] arbeitet mit dem staatlichen Komplementär VEB Straßenbau Weimar zusammen. Die Firma arbeitet vornehmlich an Vorhaben im örtlichen Sektor. Sie beschäftigt ca. 100 Arbeiter. Das finanzielle Ergebnis des Betriebes war gut, da im Wesentlichen die Pläne und Vorhaben erfüllt wurden. In der Vergangenheit gab es jedoch mehrere Beanstandungen wegen erheblicher Qualitätsmängel in der Bauausführung.
Vom Stadtbauamt wurden in der Vergangenheit wiederholt auf Mängel in der Leitung, Betriebsorganisation und Mängel in der Ordnung auf den Baustellen aufmerksam gemacht, ohne dass jedoch grundlegende Veränderungen erfolgten.