Auftreten der E-Ruhr im Bezirk Schwerin
20. Juni 1964
Einzelinformation Nr. 501/64 über das Auftreten von E-Ruhr im Bezirk Schwerin
Dem MfS wurde bekannt, dass sich besonders in der letzten Woche, bereits beginnend mit dem 6.6.1964, Ruhr-Fälle (E-Ruhr) im Bezirk Schwerin häufen.
Im Bezirk Schwerin wurden mit dem 18.6.1964 insgesamt 574 Fälle von Ruhrerkrankungen registriert, von denen 336 Fälle hospitalisiert und 125 Fälle bakteriologisch bestätigt wurden. Als Schwerpunkt der Ruhrerscheinungen tritt der Kreis Lübz mit ungefähr 19 Gemeinden auf (darunter insbesondere die Orte Plau/Plauer See – Urlauberzentrum –, Goldberg, Plauerhagen, Gnevsdorf, Retzow, Ganzlin, Klebe und Barkow). Das augenblickliche Ansteigen der Ruhrfälle ist auf Kontakte mit infizierten Personen zurückzuführen. Fachexperten rechnen mit einem Abklingen des Seuchengeschehens innerhalb der nächsten Tage.
Als eventuelle Infektionsquelle werden Speiseeis und Getränke aus dem Produktionsbetrieb Bier-Verlag/Konsum Plau vermutet. Der Bier-Verlag beliefert alle Gemeinden, in denen Infektionsfälle auftraten, mit Eis und Getränken. Durch Untersuchungen der Hygiene-Inspektion wurden im Bier-Verlag vier Personen ermittelt, die als Bakterienausscheider infrage kommen, darunter eine Mitarbeiterin, die seit einigen Wochen infolge persönlicher Unterlassungen und Fahrlässigkeit der Betriebsleitung ohne Gesundheitspass im Betrieb arbeitet. Die Ermittlungen über die mögliche Infektionsquelle sind seitens der Hygieneinspektion noch nicht abgeschlossen und werden intensiv weitergeführt.
Schwierigkeiten in der weiteren Untersuchung des Ruhrgeschehens sind im Bezirks-Hygieneinstitut Schwerin aufgrund räumlicher Begrenztheit vorhanden (mehrere Räume mussten vor Kurzem infolge Schwamms geräumt werden), sodass zzt. nur durchschnittlich 25 bis 30 % der erforderlichen Wasser- und Speiseeisuntersuchungen vorgenommen werden können.
Maßnahmen zur Eindämmung einer weiteren Verbreitung der E-Ruhr im Bezirk Schwerin und in angrenzenden Bezirken wurden seitens der Bezirks-Hygieneinspektion eingeleitet. Es wurden vier Notkrankenhäuser mit insgesamt 250 Betten eingerichtet; vom Bezirksarzt wurden zusätzlich Ärzte und Schwestern in den Kreis Lübz delegiert und Medikamente in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt. Ferner wurden Getränke aus der Produktion des Bier-Verlages aus dem Handel gezogen, die Herstellung weiterer Mengen Speiseeis und die Aufrechterhaltung der Getränkeproduktion des Bier-Verlages untersagt, bakteriologische Lebensmitteluntersuchungen auf breitester Grundlage angewiesen und der sofortige Einsatz eines spezifischen Phagenpräparates vorgenommen.
An die Bevölkerung des Kreises Lübz ist ein schriftlicher Aufruf ergangen, die hygienischen Schutzbestimmungen einzuhalten. Der Bevölkerung wurde nahegelegt, keine Reisen zu unternehmen. Großveranstaltungen (Tanz-, Kino- und Theaterveranstaltungen, Betriebsfeiern usw.) sind im Kreis Lübz bis auf Weiteres untersagt worden. Einschränkungsmaßnahmen im Berufsverkehr sind bisher nicht erforderlich geworden.