Ausschreitungen von Angehörigen der NVA/Grenze
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Einzelinformation Nr. 930/64 über Ausschreitungen von Angehörigen der NVA/Grenze im Ausbildungs-Bataillon Römhild
In den späten Abendstunden des 18.10.1964 kam es in Römhild, Kreis Meiningen (Bereich des Grenzregiments 9) zu Ausschreitungen von ca. 30 Angehörigen der NVA/Grenze. Die betreffenden NVA-Angehörigen hatten in den Gaststätten »Deutsches Haus« und »Zur Eisenbahn« nach übermäßigem Alkoholgenuss anstößige Lieder und Sprechchöre gegrölt. Dabei kam im Wesentlichen eine gewisse Missstimmung über nichtgewährten Wochenendurlaub und die sogenannten Stimmung vor der bevorstehenden Entlassung zum Ausdruck.
Im weiteren Verlauf rissen sich diese NVA-Angehörigen die Schulterstücke von den Uniformen und die Kokarden von den Mützen. Einige von ihnen hatten danach die Gaststätte gewechselt, wobei sie unterwegs Kellerfenster ausgehangen hatten. Gegenüber dem Leiter der Gaststätte »Deutsches Haus«, der ihnen den weiteren Alkoholausschank verweigerte und sie auf ihr unwürdiges Verhalten aufmerksam machte, versuchten sie ihr Verhalten zu bagatellisieren und zu verharmlosen.
Die Standortstreife stellte auf ihrem Streifengang diese negativen Vorkommnisse fest und veranlasste sofort, die betrunkenen und an den Ausschreitungen beteiligten NVA-Angehörigen mit einem Lkw zum Objekt der NVA/Grenze Römhild zu transportieren. Die NVA-Angehörigen kamen dem Befehl zum Besteigen des Lkw widerwillig nach, ohne sich jedoch diesem Befehl zu widersetzen.
Wie berichtet wird, wurde durch diese Ausschreitungen das Ansehen der NVA/Grenze grob geschädigt. Während der Ausschreitungen anwesende Zivilpersonen sprachen mit Verachtung vom Verhalten der NVA-Angehörigen. Negative Diskussionen traten auch am 19.10. im Ort noch auf.
Den Ausschreitungen war Folgendes vorausgegangen: Am 18.10.1964, gegen 13.00 Uhr, waren die Kräfte, die sich im Ernteeinsatz befanden, von Gadebusch nach Römhild zurückgeführt worden. Während des Ernteeinsatzes war ihnen vom Kommandeur des zur Ernte eingesetzten Bataillons, Major [Name 1], über die Kompanieleitungen mitgeteilt worden, dass sie nach Rückkehr in ihre Einheit mit Wochenendurlaub rechnen könnten.
Nach ihrer Rückkehr fand im Ausbildungs-Bataillon Römhild ein Appell statt, an welchem die vom Ernteeinsatz zurückgekehrten NVA-Angehörigen teilnahmen. Dort erklärte der Kommandeur des Ausbildungs-Bataillons Major [Name 2], dass vor der Entpflichtung kein Urlaub mehr gewährt werden könne. Er berief sich dabei auf einen Befehl des Kommandeurs der 11. Grenzbrigade vom 17.10.1964.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass die Verärgerung über den abgelehnten Urlaub eine der Hauptursachen für das Zustandekommen der Ausschreitungen war, gefördert durch den übermäßigen Alkoholgenuss. Ein organisierter Charakter der Ausschreitungen konnte bis jetzt nicht festgestellt werden. Es wurde allerdings bekannt, dass bereits während des Ernteeinsatzes in Einzelfällen Postenführer aufgefordert worden waren, die sich als Postenführer ausweisenden sogenannten schwarzen Balken von den Schulterstücken zu entfernen.
Zur Überprüfung der Vorkommnisse wurde eine Kommission eingesetzt. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Die an den Ausschreitungen beteiligten NVA-Angehörigen werden bis zu ihrer Entpflichtung nicht mehr an der Staatsgrenze eingesetzt. Eine Auswertung mit dem Personalbestand sowie eine Beratung mit dem Parteiaktiv sind vorgesehen.