Bahnbetriebsunfall bei Löbau
17. November 1964
Einzelinformation Nr. 1024/64 über einen Bahnbetriebsunfall auf der Strecke Niedercunnersdorf – Löbau – Reichenbach am 16. November 1964
Am 16.11.1964, gegen 7.45 Uhr, liefen acht Wagen des Nahgüterzuges 8591 selbstständig vom Bahnhof Niedercunnersdorf in Richtung Löbau ab.
Begünstigt durch das Gefälle von 1: 120 auf der Strecke Niedercunnersdorf – Löbau erhielt diese Güterwagenabteilung eine Beschleunigung bis auf ca. 100 km/h. Nachdem der Fahrdienstleiter des Bahnhofes Löbau die Meldung erhalten hatte, dass sich diese Güterwagenabteilung auf der Strecke befindet, ordnete er an, Hemmschuhe zum Aufhalten auszulegen.
Gegen 8.01 Uhr passierten die acht Güterwagen den Bahnhof Löbau, wo sämtliche Weichen des Fahrweges aufgeschnitten wurden. Die von einem Rangierer ausgelegten Hemmschuhe flogen durch die hohe Geschwindigkeit der Wagengruppe bedingt aus dem Gleis, ohne die Wagen aufhalten zu können.
Nach Passieren des Bahnhofes Löbau fuhr die Wagengruppe in den wegen Bauarbeiten gesperrten Streckenabschnitt Löbau – Reichenbach ein. Etwa 1,5 km hinter dem Bahnhof Löbau, am Kilometer 23,0, fuhr die Wagengruppe mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h auf einen abgestellten Arbeitszug der Deutschen Reichsbahn auf.
Der Streckenmeister, der Lokführer und der Lokheizer des Arbeitszuges wurden leicht verletzt und mussten in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Durch den Zusammenstoß wurden drei beladene O-Wagen und ein beladener R-Wagen der abgelaufenen Güterwagengruppe (Kohleladung) vollständig zertrümmert. Die Lokomotive des Arbeitszuges wurde ebenfalls schwer beschädigt. Starke Beschädigungen erlitten weiter der Oberbau und Signaleinrichtungen. Der Gesamtschaden beträgt ca. 36 TMDN. Der Zugverkehr auf der Strecke Löbau – Reichenbach musste bis zum 16.11.1964, gegen 21.00 Uhr, gesperrt werden.
Über die Ursachen des Bahnbetriebsunfalles wurden folgende Einzelheiten bekannt: Am 16.11.1964 fuhr gegen 7.15 Uhr der Nahgüterzug 8591 – von Löbau über Niedercunnersdorf nach Oberoderwitz fahrend – auf dem Bahnhof Niedercunnersdorf ein.
Auf diesem Bahnhof waren drei Waggons abzusetzen und ein Waggon aufzunehmen. Aus diesem Grunde wurden die letzten acht Wagen auf dem Gleis 1 abgehangen und abgestellt, der 1. und der 8. Wagen dieser Gruppe wurden luftgebremst. Die Rangierarbeiten auf dem Bahnhof Niedercunnersdorf dauerten ca. 30 Minuten.
Als nach Abschluss der Rangierarbeiten die acht abgestellten Wagen wieder angekuppelt werden sollten, stellte der Zugschaffner [Name], geboren am [Tag, Monat] 1905, wohnhaft [Straße, Nr.], der zugleich als Rangierschaffner tätig war, fest, dass die Kupplung zu kurz war. Um die Wagen ankuppeln zu können, gab er dem Lokführer das Rangiersignal RA 3, gleichbedeutend mit »Zum An- oder Abkuppeln von Wagen aufdrücken«.
Die Wirkung der Luftbremse hatte jedoch durch Entweichen der Luft aus der Bremsleitung während der Standzeit nachgelassen, sodass der Rangierstoß ausreichte, um die Wagengruppe in Bewegung zu setzen.
Durch entsprechende Überprüfungen wurde dabei festgestellt, dass der Zugschaffner [Name] seinen Pflichten bei der Abbremsung der Wagengruppe nicht voll nachgekommen ist. Obwohl aufgrund des Gefälles von 1: 150 auf dem Bahnhof Niedercunnersdorf abgekuppelte Zugteile mit 4 % der vorhandenen Handbremsen abgebremst werden müssen, hat es [Name] unterlassen, die Wagengruppe – außer der Luftbremsung – entsprechend zu sichern. Da die acht abgestellten Wagen nicht mit Handbremsen ausgerüstet waren, hätte [Name] aufgrund der Betriebsvorschriften Hemmschuhe zur Sicherung dieser Wagengruppe auslegen müssen.
Weitere Untersuchungen, insbesondere zum Verhalten des Zugschaffners [Name], werden geführt.