Bonner Forderungen zur Passierscheinfrage
18. September 1964
Einzelinformation Nr. 787/64 über Einschätzung der Bonner Forderungen in der Passierscheinfrage und der Besuchsmöglichkeiten für Rentner in Westdeutschland und Westberlin durch führende Westberliner CDU-Kreise
Führende Westberliner CDU-Kreise bestätigten, dass sich Erhard durch die Beratung mit den Vertretern der Bundestagsparteien in der vergangenen Woche Rückendeckung in der Passierscheinfrage1 verschaffen wollte. Dabei sei Übereinstimmung über die Forderungen nach einem Hinweis auf das Protokoll (keine Einigung über Orts- und Behördenbezeichnungen) auf den Passierscheineinträgen, nach Verzicht auf unterschriftliche Unterzeichnung der Anträge und nach einer längeren Geltungsdauer des Abkommens erzielt worden.
Die genannten CDU-Kreise äußerten im Einzelnen dazu, der Protokollhinweis auf den Anträgen solle nach Abschluss des Abkommens in einer Pressekampagne dahingehend interpretiert werden, dass die DDR die Zurückweisung staatsrechtlicher Formulierungen auf den Anträgen hingenommen habe. Der Verzicht auf Unterzeichnung der Anträge soll dokumentieren, dass die Westberliner Bürger auch als Einzelpersonen Formulierungen nicht anerkennen, die eine Anerkennung der DDR bedeuten könnten. Schließlich sei Bonn daran interessiert, nicht schon wieder nach relativ kurzer Zeit in die »Mühle der Passierscheinverhandlungen« zu geraten, wobei jedoch von Zeit zu Zeit auf der jetzigen Kontaktebene »Verbesserungen« angestrebt werden sollen.
Nach Angaben der genannten CDU-Kreise ist die Informierung der Westberliner CDU durch den Senat trotz einer bestehenden Vereinbarung nicht detailliert und eingehend genug. Dagegen werde sie durch den sogenannten Bundesbevollmächtigten in Westberlin, der seine Informationen direkt von Bonn beziehe, gut informiert.
Auch der Draht zwischen dem Senat und dem Bundeskanzleramt bzw. dem Bonner Staatssekretärausschuss habe in der letzten Zeit gut funktioniert.
Zu den Besuchsmöglichkeiten für Rentner2 äußerten die genannten CDU-Kreise, ihre Ankündigung sei besonders unter dem Gesichtspunkt begrüßt worden, dass jüngere Personen, die die DDR verlassen haben, jetzt von ihren Eltern und Angehörigen besucht werden könnten. Zugleich werde die Angelegenheit als eine »propagandistische Aktion« der DDR eingeschätzt, deren Zeitpunkt im Hinblick auf die Passierscheinverhandlungen und die Dokumentierung der Verständigungsbereitschaft der DDR sehr geschickt gewählt worden sei.
Ohne der DDR das Motiv unterstellen zu wollen, dass sie sich von der »sozialen Belastung« durch die Rentner teilweise befreien wolle, werde jedoch auch berücksichtigt, dass ein Verbleib von älteren Personen in Westberlin oder Westdeutschland für die DDR keinen Ausfall bedeuten würde. Es werde auch eingeschätzt, dass besonders bei den älteren Personen ein Nährboden für Kritik an der Regierung vorhanden sei und dass die DDR bei diesen Personen durch die Besuche eine bessere Stimmung erzeugen und »ein Ventil öffnen« könne.