Brände im VEB Kalk- und Zementwerke Rüdersdorf und Chemiewerk Lauta
15. April 1964
Einzelinformation Nr. 318/64 über die Brände im VEB Kalk- und Zementwerke Rüdersdorf bei Berlin am 8. und 11. April 1964 und Chemiewerk Lauta am 8. April 1964
Am 8.4.1964 brach gegen 23.35 Uhr im Umkleideraum des VEB Kalk- und Zementwerke ein Brand aus, der einen Schaden von ca. 5 000 DM verursachte.
Am 11.4.1964, gegen 23.20 Uhr, brach im gleichen Umkleideraum erneut ein Brand aus, wobei ein Gesamtschaden von ca. 70 TDM entstand. Durch den Brand wurde ein etwa 100 m langes Sozialgebäude, in dem sich auch der Umkleideraum befand, und eine angrenzende Werkstatt vernichtet.
Durch die eingeleiteten Untersuchungen wurde als Täter der [Name, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1941, wohnhaft Rüdersdorf, [Straße, Nr.], ermittelt, der die Brände vorsätzlich angelegt hat. [Name] wurde inhaftiert. Während der Untersuchungen durch das MfS wurde festgestellt, dass die Ermittlungen beim erstgenannten Brand durch die VP, Abt. K, mit dem Ergebnis »elektrische Ursachen« bereits abgeschlossen worden waren.
Als Motiv der vorsätzlichen Brandstiftung gibt [Name] an, gegenüber dem Betrieb »verärgert« gewesen zu sein. [Name] hatte sich im o. g. Betrieb als Kranführer beworben, wurde jedoch abgewiesen, da er »geistig für diese Tätigkeit nicht reif sei«. Als Elektrokarrenfahrer dieses Betriebes wurde er wegen verschiedener Unfälle mehrmals für den entstandenen Schaden regresspflichtig gemacht. Angeblich wäre diese Verfahrensweise bei anderen Kraftfahrern nicht angewendet worden, was bei ihm zu einer gewissen Verärgerung geführt habe. Bei dem [Name] handelt es sich um einen geistig zurückgebliebenen Menschen; er wurde aus der 6. Klasse der Sonderhilfsschule entlassen. [Name] wird einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen.
Am 8.4.1964, gegen 14.25 Uhr, brach im Chemiewerk Lauta, Betriebsteil Aluhütte, ein Brand am Kontaktstromrichter aus. Nach vorläufigen Berechnungen entstand ein Sachschaden von ca. 600 bis 700 TDM. Die eingeleiteten Untersuchungen hatten folgendes Ergebnis:
Durch eine Fehlschaltung des Schichtleiters Marschall wurde die Betriebsspannung (Schwachstrom) in den Relais der Kontaktstromrichter beseitigt. (Kontaktstromrichter regulieren die Betriebsspannung von 30 000 V in den Schmelzbädern.)
Infolge des Ausfalls der Steuerspannung an den Kontaktstromrichtern wurde an den Aggregaten 1 bis 8 in genannter Reihenfolge die Hochspannungsstromzufuhr nacheinander abgeschaltet. Am Kontaktstromrichter 8, dem sich zuletzt unter normalen Betriebsbedingungen abschaltenden Aggregat, entstand ein zeitweiliger Lastanstieg, der eine Rückzündung zum Aluofen verursacht. Durch den elektrischen Flammenbogen wurde der Kontaktstromrichter 8 in Brand gesetzt.
Der Kontaktstromrichter 8 wurde daher völlig vernichtet und der Kontaktstromrichter 7 teilweise in Mitleidenschaft gezogen. Die Anlage mit dem Kontaktstromrichter 7 konnte noch nicht wieder in Betrieb gesetzt werden, während die übrigen Aggregate am Abend des 8.4.1964 wieder zu produzieren begannen.
Bei den Kontaktstromrichtern handelt es sich um Importmaschinen der AEG. Nach uns vorliegenden Informationen werden diese Typen in Westdeutschland wegen ihrer Störanfälligkeit nicht mehr verwendet.
Erste technische Überprüfungen ergaben entsprechende Hinweise darauf, dass die Geräte technische Mängel in den Sicherheitseinrichtungen haben, die bei der Fehlschaltung das Entstehen des Brandes begünstigten.
Die Verhandlungen über den Vertrag zur Lieferung der Kontaktstromrichter sollen sich über den Zeitraum von 1959 bis 1963 hingezogen haben, da beim DIA Hinweise über die Störanfälligkeit der Geräte vorlagen. Nach Abgabe einer Garantieerklärung durch die AEG sei aber dann die vertragliche Bindung durch die Außenhandelsorgane der DDR erfolgt. (Die Aggregate unterliegen noch der Garantiepflicht.)
Weitere Untersuchungen über die näheren Zusammenhänge bei beiden Vorkommnissen werden noch geführt.