Britische und französische Haltung zur Passierscheinfrage
3. März 1964
Einzelinformation Nr. 187/64 über die Haltung der britischen und französischen Regierung in der Passierscheinfrage
Zuverlässig wurde bekannt, dass Brandt1 in einem Gespräch mit dem britischen Botschafter in Bonn, Roberts,2 am 25.2. in Westberlin Unzufriedenheit darüber äußerte, dass die einflussreichen Kreise Großbritanniens die »auf eine Normalisierung der Lage in Berlin« gerichtete Tätigkeit des Senats nicht unterstützten und ihn in seinen Meinungsverschiedenheiten mit der Bundesregierung in der Frage weiterer Passierscheinverhandlungen nicht bestärkten.
Roberts legte deshalb die britische Haltung dar. Die britische Regierung halte gegenwärtig die Lage in Berlin für ruhig und sehe keine Notwendigkeit, in der Passierscheinfrage irgendwelche besonderen Maßnahmen zu ergreifen. Im Prinzip sei sie für Verhandlungen zwischen dem Senat und den Behörden der DDR über eine weitere Normalisierung der Lage in Berlin und für den Abschluss eines neuen Passierscheinabkommens auf der Grundlage des Abkommens vom 17.12.1963.3 Sie halte es jedoch nicht für angebracht, ihren Standpunkt offiziell darzulegen, um die sich verbessernden Beziehungen zur Bonner Regierung nicht zu beeinträchtigen. Die britische Regierung sei sich auch nicht sicher, ob sie bei einer offiziellen Darlegung ihres Standpunktes, die den Bonner Auffassungen widersprechen würde, Unterstützung von den USA erhielte.
Roberts räumte allerdings die Möglichkeit ein, dass die britische Regierung ihre Haltung ändern könnte. Falls in Berlin durch Verschulden der Bonner Regierung eine gespannte Situation entstehen und die Gefahr einer Verschärfung der Beziehungen zwischen den Großmächten aus diesem Anlass erwachsen würde, werde sie nicht davor zurückschrecken, offiziell für eine Normalisierung der Lage in der Stadt auf der Basis von Verhandlungen zwischen dem Senat von Westberlin und den Behörden der DDR aufzutreten.
Über die französische Haltung wurde zuverlässig bekannt, dass die französischen Behörden in Westberlin, gestützt auf Weisungen der französischen Regierung, gegen den Abschluss eines neuen Abkommens zwischen dem Senat und der Regierung der DDR in der Passierscheinfrage auftreten. Grundlage dieser Haltung sei die Befürchtung, dass ein positiver Ausgang weiterer Verhandlungen Brandts Prestige in Westdeutschland bedeutend heben und seine Chancen bei den bevorstehenden Bundestagswahlen erhöhen könnte. Einen Erfolg Brandts bei den Wahlen halte die französische Regierung für unerwünscht, da sie Erhard4 als den geeigneteren Partner betrachte. Über ihre Haltung habe die französische Regierung die Regierungen der USA, Englands und der Bundesrepublik offiziell in Kenntnis gesetzt.
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