Entwicklung des Geldumtausches (1)
24. Oktober 1964
1. Einzelinformation Nr. 943/64 über die Entwicklung des Geldumtausches von in die DDR einreisenden westdeutschen und Westberliner Bürgern sowie Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten
In der Zeit vom 15.10. bis 22.10.1964 wurden von den in die Bezirke und die Hauptstadt der DDR eingereisten westdeutschen und Westberliner Bürgern sowie Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten insgesamt 383 567 DM/West umgetauscht.
Davon entfallen auf Mindestumtausch1 224 000 DM/West und auf zusätzlichen Umtausch 159 567 DM/West.
Von den im genannten Zeitraum in die Hauptstadt der DDR eingereisten Westdeutschen, Westberlinern und Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten sind insgesamt 153 388 DM/West umgetauscht worden, und zwar im Mindestumtausch 63 000 DM/West und im zusätzlichen Umtausch 90 388 DM/West.
Von den 1 368 mit Passierscheinen für dringende Familienangelegenheiten eingereisten Westberliner Bürgern (einschließlich Rentner und Kinder und andere Personen, für die ein Mindestumtausch nicht vorgesehen ist) haben 487 (35 %) einen Mindestumtausch vorgenommen und insgesamt 1 411 DM/West getauscht. Von den 57 056 in die Hauptstadt der DDR eingereisten westdeutschen Bürgern und Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten machten 13 509 (24 %) vom Mindestumtausch Gebrauch und tauschten insgesamt 61 589 DM/West.
Die im genannten Zeitraum in die Bezirke der DDR eingereisten westdeutschen Bürger und Ausländer aus nichtsozialistischen Staaten haben insgesamt 230 179 DM/West getauscht, und zwar im Mindestumtausch 161 000 DM/West von etwa 10 500 Personen und im zusätzlichen Umtausch 69 179 DM/West. (Da die in die Bezirke der DDR eingereisten westdeutschen Bürger bzw. Ausländer aus nichtsozialistischen Staaten nach der polizeilichen Anmeldung am Besuchsort einen Mindestumtausch vornehmen, ist gegenwärtig der Anteil der Umtauschenden an den täglich Einreisenden noch nicht exakt festzustellen.)
Insgesamt ist einzuschätzen, dass mit den von den zuständigen Organen (Deutsche Notenbank, MdI, AZKW2 und MfS) eingeleiteten und koordinierten Maßnahmen an den Grenzübergängen in Berlin in organisatorischer Hinsicht ein reibungsloser Ablauf des Geldumtauschs gewährleistet ist. Alle in die Hauptstadt der DDR einreisenden Personen aus Westdeutschland, Westberlin und aus dem nichtsozialistischen Ausland müssen die Wechselstuben der Deutschen Notenbank passieren.
Aufgrund der bisher seit Beginn der Aktion gesammelten Erfahrungen kann gesagt werden, dass – offensichtlich aus Veröffentlichungen der Westpresse und des Westrundfunks resultierend – die meisten einreisenden Personen über die neuen Maßnahmen der DDR zur Durchsetzung des Mindestumtauschs informiert waren. Von einem Teil Besucher der Hauptstadt der DDR, die den Mindestumtausch tätigten, wurde das unkomplizierte, einfache Verfahren begrüßt. Andere Einreisende tauschten den Mindestbetrag mit der Begründung um, eigentlich nicht darauf angewiesen zu sein.
Bis jetzt wurden nur einige wenige Stellungnahmen bekannt, die dagegen gerichtet sind, dass ein Rücktausch des Mindestumtauschbetrages nicht möglich ist. Einige westdeutsche Bürger verlangten die Anlegung von Sperr- oder Sonderkonten, um den nicht verbrauchten Betrag deponieren und bei einer späteren Einreise verwenden zu können. Bis auf eine Ausnahme kam es an den Rücktauschkassen zu keinen besonderen Vorkommnissen.
In dem einen Ausnahmefall bestand an der Rücktauschkasse Bahnhof Friedrichstraße ein ausreisender westdeutscher Bürger hartnäckig darauf, den Mindestbetrag von 5,00 MDN wieder rückzutauschen. Als ihm der Rücktausch trotzdem verweigert wurde, beschimpfte er die Bankangestellte, zerriss den Geldschein und warf ihm der Kassiererin ins Gesicht. (Die betreffende Person wurde von den Sicherheitsorganen ausgewiesen.)
Trotz der guten Organisation des Geldumtauschs und der an den KPP geleisteten Überzeugungsarbeit und systematischen Beeinflussung aller Einreisen wird – wie aus vorstehenden Zahlen hervorgeht – von der Mehrzahl der Einreisenden es abgelehnt, vom Mindestumtausch Gebrauch zu machen. In der Mehrzahl dieser Fälle wird – vielfach unter Hinweis auf die Merkblätter – »argumentiert«, dass zwar die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht zum Mindestumtausch bestehe.
Häufig wird dabei angeführt, dass sie einer Einladung nachkommen, demzufolge auch kein Geld benötigen und mitführen würden, sich bei Gegenbesuchen revanchieren könnten usw. Ein Teil der Einreisenden, die den Umtausch ablehnten, erklärte offen, erst dann den Mindestbetrag umzutauschen, wenn ihre Einreise davon abhängig gemacht werde.
In einigen Fällen versuchten Einreisende mit der Frage zu operieren, warum die DDR ihren Bürgern bei Reisen nach Westdeutschland und Westberlin – offensichtlich in Anspielung auf die bevorstehenden Besuchsreisen von DDR-Bürgern im Rentenalter – nicht ebenfalls ein Umtauschrecht einräumt. In einer Reihe von Fällen wurde die Ablehnung des Mindestumtausches damit »begründet«, schon in Westberlin die benötigte Summe umgetauscht zu haben.
Von dem einreisenden Personenkreis, der den Mindestumtausch ablehnt, sind vor allem die Kfz-Besucher (sie hätten alles Benötigte, Geschenke usw. bei sich) und einige häufig einreisende Ausländer zu erwähnen.
Die Skala der »Argumente«, die von einem Teil der den Mindestumtausch ablehnenden Personen angeführt werden, umfasst u. a. solche Parolen, Behauptungen usw. wie z. B.
- –
die DDR wolle ihre Wirtschaft auf Kosten der Einreisenden stärken,
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die DDR müsse es nötig haben, wenn sie Eintrittsgeld verlange,
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sie würden ihr Geld nicht gegen »wertlose Ostmark« tauschen,
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der ganze Mindestumtausch sei ein Betrug usw.
Es muss in diesem Zusammenhang jedoch auch erwähnt werden, dass in den ersten Tagen der Aktion ein Teil der Mitarbeiter der Deutschen Notenbank und der Deutschen Zollverwaltung sich noch etwas passiv verhielt, nicht entschlossen genug auftrat usw.
Wo es erforderlich war, wurde nach Absprache mit der Deutschen Notenbank eine Auswechslung der an den KPP tätigen Mitarbeiter der DNB vorgenommen, sodass hier bessere Voraussetzungen für eine entsprechende Beeinflussung der Einreisenden geschaffen wurden. Von der Zollverwaltung erfolgte eine stärkere Instruierung der Mitarbeiter, sodass sie jetzt ihren Aufgaben im Wesentlichen nachkommen.
Während der ersten Tage der Aktion traten auch vereinzelt (inzwischen behobene) Schwierigkeiten dahingehend auf, dass die aus der Hauptstadt der DDR wieder ausreisenden Personen zu wenig Möglichkeiten hatten, an den KPP (z. B. Bornholmer Straße und Heinrich-Heine-Straße) den Rest ihres Mindestumtauschbetrages zweckmäßig zu verwenden.
Über die reale Entwicklung des Geldumtausches bei den in die Bezirke der DDR einreisenden Personen ist, wie bei der Zahlenübersicht bereits angeführt, noch kein umfassender Überblick vorhanden. Soweit aus den bisher bekannten Beispielen hervorgeht, dürfte an der Staatsgrenze West und in den Bezirken der DDR von den einreisenden Personen noch weniger vom Mindestumtausch Gebrauch gemacht werden als in der Hauptstadt der DDR. Beispielsweise haben von 536 Personen, die in der Zeit vom 15.10. bis 21.10.1964 in den Bezirk Frankfurt/O. einreisten, nur 127 Personen Geld umgetauscht (in 106 Fällen an den Grenzwechselstellen und in 21 Fällen in den Wechselstellen des Bezirkes). Auch von diesen 127 Personen würde oft nicht die volle Höhe des pro Aufenthaltstag vorgesehenen Mindestbetrages umgetauscht.
In den Fällen der Ablehnung des Mindestumtausches an der Staatsgrenze West und in den Bezirken der DDR werden im Wesentlichen die gleichen »Argumente« angeführt wie in der Hauptstadt der DDR. Noch etwas stärker treten jedoch solche »Argumente« hervor wie z. B. von Verwandten versorgt zu werden, es bestehe kein Zwang für den Umtausch, man wolle erst am Reiseziel umtauschen usw.
In zahlreichen Fällen treten Mitarbeiter der Filialen der Deutschen Notenbank und verschiedener VP-Meldestellen nicht zielstrebig und entschlossen genug im Sinne der Durchsetzung des Mindestumtausches auf. In verschiedenen VP-Meldestellen wurde z. B. festgestellt, dass die sich anmeldenden Personen nur allgemein nach der Umtauschbescheinigung befragt wurden, ohne auf sie entsprechend einzuwirken.
Dieser ungenügende Einsatz von Mitarbeitern der Deutschen Notenbank und der VP ist zu einem großen Teil mit darauf zurückzuführen, dass sie sich selbst über die Bedeutung des Mindestumtausches nicht im Klaren sind und vor Diskussionen mit den Besuchern zurückweichen.
Von einem Teil dieser Mitarbeiter, insbesondere der Deutschen Notenbank, wird die Zweckmäßigkeit des Mindestumtausches angezweifelt, da »sowieso nichts dabei herauskommen« würde. Zu weiteren »Argumenten« gehören solche Behauptungen, aufgrund der Forcierung des Geldumtausches würde der Besucherverkehr zurückgehen, die neuen Maßnahmen würden nur eine »zusätzliche Belastung bedeuten, aber nichts nützen«, die Umtauschmöglichkeit habe es bisher auch »erfolglos« gegeben usw.
Im Zusammenhang mit der ablehnenden Haltung vieler Westbesucher zum Geldumtausch sind auch zahlreiche Maßnahmen westdeutscher und Westberliner Stellen zu sehen, in die DDR einreisende Personen gegen den Geldumtausch zu beeinflussen bzw. sie auf andere Art und Weise davon abzuhalten.
Ergänzend zu der bekannten Hetzpropaganda gegen den Mindestumtausch, verbunden mit Parolen gegen das Passierscheinabkommen, wird auch versucht, durch günstige und attraktive Umtauschmöglichkeiten auf westdeutschem bzw. Westberliner Gebiet die Durchsetzung des Mindestumtausches zu hintertreiben. So wurde z. B. bekannt, dass Mitarbeiter der »Deutschen Verkehrskredit-Bank« auf westdeutschem Gebiet durch die in die DDR fahrenden Züge gingen und DM/West gegen MDN zum Schwindelkurs tauschten. Besonders hervorzuheben ist das Ansteigen des Schwindelkurses und die von Westberliner Wechselstuben entfaltete Aktivität. Seit Abschluss des Passierscheinabkommens3 ist der Schwindelkurs ständig angestiegen und hat sich von 1,00 DM/West auf 2,65 MDN bis zu dem gegenwärtigen Umtauschverhältnis von etwa 1,00 DM/West zu 3,50 MDN entwickelt.
Weiter wurde festgestellt, dass seit Abschluss des Passierscheinabkommens in den Westberliner Wechselstuben die sogenannten Wechselgeschäfte ständig zunehmen und verhältnismäßig hohe Beträge MDN zum Schwindelkurs gewechselt werden. Teilweise wurden die Wechselstuben personell verstärkt. Außerdem wurden neue Wechselstuben eingerichtet (z. B. Charlottenburg/Joachimsthaler Straße und in der Nähe des KPP Heinrich-Heine-Straße).
Nach zuverlässigen Beobachtungen wechseln auch aus der Hauptstadt der DDR nach Westberlin zurückkommende Personen im zunehmenden Maße größere Beträge MDN in DM/West ein. Dabei spielte eine Rolle, dass DDR-Bürger im Hinblick auf den starken Besucherverkehr im Rahmen des Passierscheinabkommens größere Beträge mit nach Westberlin geben, um sich entsprechende Waren besorgen zu lassen.
Größere Beträge in MDN werden insbesondere von ständig in der Hauptstadt der DDR verkehrenden Ausländern nach Westberlin geschleust, die illegal oder durch Kauf bei Intershop Westwaren in die Hauptstadt der DDR einführen, zu überhöhten Preisen verkaufen und den Erlös ihrer Schiebergeschäfte in den Wechselstuben umtauschen.