Flucht im Raum Diesdorf
14. April 1964
Einzelinformation Nr. 311/64 über einen Grenzdurchbruch im Raum Diesdorf, [Kreis] Salzwedel, [Bezirk] Magdeburg, am 11. April 1964 durch sechs Personen
Am 11.4.1964 wurden im Grenzabschnitt Diesdorf, [Kreis] Salzwedel, in Richtung Waddekath Fußspuren festgestellt, die auf ein Überschreiten der Staatsgrenze West durch mehrere Personen hindeuteten. Vorgefundene Uniformreste am Stacheldraht ließen die Beteiligung eines Angehörigen der NVA vermuten. Sofort eingeleitete Untersuchungen ergaben, dass der in diesem Grenzabschnitt eingesetzte Soldat [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1939, Heimatanschrift Berlin-Weißensee, [Straße, Nr.], NVA seit 5.5.1963, nach Westdeutschland fahnenflüchtig wurde und weiteren fünf Personen – darunter dem Angehörigen der VP-Feuerwehrinspektion Friedrichshain, [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1926, wohnhaft Berlin-Weißensee – zur Flucht verhalf.
[Name 1] befand sich seit dem 10.4.1964 auf Urlaub in seinem Heimatort. Mithilfe eines von [Name 1] gemieteten Leihwagens und eines Motorrades fuhren insgesamt sechs Personen über die Autobahn bis in die Nähe von Diesdorf. Dort ließen sie die Fahrzeuge zurück und begaben sich zu Fuß bis zur Staatsgrenze, die sie im Abschnitt der Kompanie Waddekath, der [Name 1] angehörte, durch eine Gasse in der Minensperre durchbrachen. [Name 1] hatte wahrscheinlich vorher ein dort stationiertes Signalgerät ausgebaut und war orientiert darüber, dass die Durchbruchstelle nur bis 1.00 Uhr durch einen Grenzposten gesichert war. Nach bisherigen Überprüfungen war der Grenzdurchbruch langfristig vorbereitet worden.
Über [Name 1] wurde bekannt, dass er seinen Dienst in der NVA nur ungern angetreten hat, weil er sich in seinem geplanten Ingenieur-Studium benachteiligt fühlte. Seine Ehefrau arbeitete bis zum 13.8.1961 in Westberlin. Das zuständige Wehrkreiskommando hat bei der Überprüfung des [Name 1] offensichtlich nachlässig gearbeitet. Der zuständige ABV äußerte bei einer im Zusammenhang mit der Fahnenflucht durchgeführten Aussprache, dass er die Einberufung des [Name 1] zu den Grenztruppen aufgrund der ihm bekannten Familienverhältnisse abgelehnt hätte, wenn er davon in Kenntnis gesetzt worden wäre.
Vom MfS wurden die entsprechenden Maßnahmen zur Aufklärung der Ursachen für die ungenügende Überprüfung des [Name 1] vor seiner Zuweisung zur NVA/Grenze und der dafür Verantwortlichen eingeleitet. Neben einer Bestrafung der Schuldigen werden entsprechende Weisungen zur konsequenten Durchsetzung der Befehle über die Auswahl von Angehörigen für die NVA/Grenze und zur Beseitigung noch vorhandener Schwächen und Mängel auf diesem Gebiet erlassen.