Geplante Maßnahmen des Aktionskomitees »Deutschlandtreffen«
27. April 1964
Einzelinformation Nr. 352/64 über geplante Maßnahmen des Aktionskomitees »Deutschlandtreffen« beim Westberliner Senat
Von einer zuverlässigen Quelle wurde bekannt, dass beim Westberliner Senat ein sogenanntes Aktionskomitee »Deutschlandtreffen«1 gebildet wurde. Bisher konnten folgende Mitarbeiter dieses Komitees ermittelt werden.
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Frau Berger, Büro für »Gesamtberliner Fragen«2
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Herr Müller,3 Senatskanzlei (Müller soll der Hauptinitiator des »Studios am Stacheldraht«4 sein)
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Herr Schönfelder, Senatsverwaltung für Jugend und Sport
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Frau Pieser, Referentin für Frauen- und Jugendarbeit in der Abteilung II des Bundesministeriums für »gesamtdeutsche Fragen« in Westberlin.
Auf einer Tagung des Komitees »Deutschlandtreffen« am 16.4.1964 wurden folgende Maßnahmen besprochen.
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Ausnutzung des Fernsehens zur ideologischen Beeinflussung der 9 000 westdeutschen Jugendlichen, die sich bereits in Westberlin offiziell angemeldet haben. Über das Fernsehen soll versucht werden, sie mit Fragen des Deutschlandtreffens zu konfrontieren. Für diesen Zweck ist vorgesehen, Reden von Horst Schumann5 und Gerhart Eisler6 zum Deutschlandtreffen in entsprechender Form zu senden. Ziel dieser Maßnahme sei, den Jugendlichen den politischen Zweck des Deutschlandtreffens zu verdeutlichen, damit sie sich mit ihren Argumenten darauf einstellen können.
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Herausgabe von zwei Broschüren. Eine davon soll die Entwicklung der FDJ von einer anfänglich politisch nicht profilierten Organisation bis zu ihrem heutigen kommunistischen Charakter darstellen. Diese Broschüre soll in einer Auflage von 25 000 Exemplaren erscheinen und über die Pfingstfeiertage in Westberlin an westdeutsche Jugendliche verteilt werden.
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Plakatierung der Anschlagsäulen, die sich in unmittelbarer Nähe der Grenzkontrollpunkte befinden. Die Plakate sollen u. a. ein Zitat Lenins (der Text konnte noch nicht in Erfahrung gebracht werden) enthalten.
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Verteilung der Studenten- und Jugendzeitschrift »Blickpunkt«7 in den Jugendheimen, die besonders für den Empfang der westdeutschen Jugendlichen vorbereitet werden. Die Zeitschrift »Blickpunkt« soll Artikel über die Entwicklung der FDJ in entsprechender Form veröffentlichen.
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Nächtliche Filmvorführung an einigen Grenzkontrollpunkten. Über diesen Gedanken gibt es zurzeit noch unterschiedliche Auffassungen. Das Komitee will keinen Lautsprecherkrieg über die Pfingstfeiertage provozieren. Es wird deshalb erwogen, die Filme tonlos zu zeigen. Eine Schwierigkeit besteht auch darin, bis zum Deutschlandtreffen geeignete Filme oder Dia-Serien herzustellen.
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Aushändigung von sogenannten Verhaltenszetteln an westdeutsche Jugendliche, die in die Hauptstadt der DDR einreisen. Der schriftliche Hinweis zum Verhalten in der Hauptstadt der DDR soll folgende Leitgedanken enthalten: Der Jugendliche soll sich nicht provozieren lassen. Er soll aber auch keine Angst haben und mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten. Er soll offen diskutieren. Der Verhaltenszettel soll weiterhin Hinweise über das Verhalten beim Grenzübergang, beim Fotografieren usw. enthalten.
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Vorbereitung eines Bettenlagers für 2 000 Jugendliche in einer Halle auf dem Westberliner Ausstellungsgelände. Es wird erwartet, dass zu den bereits 9 000 angemeldeten Jugendlichen noch weitere Jugendliche hinzukommen, die ausschließlich nach Westberlin reisen, um am Deutschlandtreffen teilzunehmen und bei denen man erwartet, dass sie vom Aufenthalt in der Hauptstadt der DDR enttäuscht sind. Man rechnet damit, dass sie dann nach Westberlin zurückkehren und deshalb eine angespannte Übernachtungssituation eintreten könnte. Es wird auch erwartet, dass ein großer Teil der bereits 9 000 offiziell gemeldeten westdeutschen Jugendlichen einen Besuch der Hauptstadt der DDR vorsehen wird.
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