Grenzverletzung durch Angehörigen der US-Streitkräfte
3. Juli 1964
Einzelinformation Nr. 544/64 über die Grenzverletzung WD/DDR durch den Angehörigen der amerikanischen Besatzungsmacht in Westdeutschland [Name, Vorname] am 2. Juli 1964
Am 2.7.1964 wurde gegen 5.15 Uhr auf Hinweis eines Bürgers im Bereich des 11. Grenzregimentes Zschachenmühle, Kreis Lobenstein (13. Grenzbrigade) der Angehörige der amerikanischen Besatzungsmacht in Westdeutschland [Name, Vorname], geboren 22.2. [Tag, Monat] 1944 im USA-Staat Nord-Karolina, zuletzt Angehöriger der amerikanischen Streitkräfte, Truppenteil Trp A lst Recon Sqdn 2d Armd Cav. APO 411, Dienstnummer RA 14 806 151, stationiert in Bendlach bei Bayreuth, letzter Dienstgrad in der Armee: Gefreiter (Private), bisher höchster Dienstgrad: Obergefreiter (im April 1964 wegen mehrfacher Trunkenheit degradiert), durch Angehörige der Nationalen Volksarmee/Grenze festgenommen und der Grenzkommandantur zugeführt.
[Name] gibt zu seiner Person weiter an, dass er im September 1962 für die Zeitdauer von zwei Jahren in die amerikanische Armee einberufen wurde. Nach seiner Einberufung erfolgte seine Ausbildung in den USA. Im September 1963 wurde er für die Zeitdauer eines Jahres nach Deutschland kommandiert und in die amerikanische Besatzungsmacht in Westdeutschland eingegliedert. Bei seiner Diensteinheit handelt es sich nach seinen Angaben um eine Instandsetzungskompanie für Kraftfahrzeuge der verschiedensten Typen.
Die bisherige Untersuchung ergab, dass sich [Name] angeblich bereits auf westdeutschem Territorium, begünstigt durch seine Trunkenheit, verirrt hatte und unbeabsichtigt die Staatsgrenze der DDR überschritt. [Name] fordert seine unverzügliche Rückführung zu seiner Diensteinheit in Bendlach.
Im Einzelnen gab [Name] an, dass er seit dem 30.6.1964 aufgrund vorher abgeleisteter Überstunden keinen Dienst innerhalb seiner Militäreinheit in Bendlach durchführte und sich während dieser Zeit fast ausschließlich im amerikanischen Club in unmittelbarer Nähe der Kasernen von Bendlach aufhielt, wo er Alkohol zu sich nahm. Im Verlauf des 1.7.1964 will er in diesem Club ein sogenanntes Callgirl kennengelernt haben. Von dieser weiblichen Person sei er aufgefordert worden, in ihrem Pkw von Bendlach mit nach Kronach zu fahren. Den Pkw habe sie später in Kronach in einer Straße geparkt, an deren Ausgang eine Barriere zu sehen gewesen sei. Nachdem sich [Name] mit dieser weiblichen Person mehrere Stunden in der Nähe dieser Straße in einem Waldgrundstück vor der Barriere aufgehalten hatte und zum Pkw zurückkehrte, will er zwei uniformierte Personen mit Hunden bemerkt haben, von denen er annahm, dass es sich um eine Militärstreife gehandelt habe. Aufgrund des Grades seiner Trunkenheit und der ihm bekannten Tatsache, dass er als amerikanischer Militärangehöriger unerlaubt nach Kronach und somit in die 5-km-Sperrzone eingereist war, habe er sich einer Festnahme durch die uniformierten Personen entziehen wollen und sich deshalb über die Barriere entfernt. Angeblich habe [Name] nicht gewusst, dass sich hinter dieser Absperrung die Staatsgrenze zwischen Westdeutschland und der DDR befindet. In dem ihm unbekannten Gelände habe sich [Name] verirrt und habe den Tagesanbruch unter freiem Himmel erwartet. Angaben zum Zeitpunkt des Überschreitens der Staatsgrenze der DDR kann [Name] nicht machen, da er nicht im Besitz einer Uhr war. Nach Tagesanbruch will [Name] in seiner unmittelbaren Nähe ein Gebäude bemerkt haben. Nachdem er sein Uniformhemd mit der Aufschrift »US-Army« im Gelände abgelegt hatte, begab er sich zu diesem Gebäude und befragte die dort wohnhaften DDR-Bürger gegen 5.15 Uhr nach dem Weg nach Kronach. Mit den Bürgern konnte sich [Name] jedoch nicht verständigen, da er die deutsche Sprache nicht beherrscht. Durch die DDR-Bürger wurde telefonisch der Stützpunkt der NVA/Grenze über das Auftauchen von [Name] unterrichtet, sodass dieser kurze Zeit danach durch Angehörige der NVA/Grenze festgenommen werden konnte.
Die bisherigen Überprüfungen der Angaben [Name] zu dessen Grenzdurchbruch bestätigen im Wesentlichen dessen Darstellung. Aus einem Gespräch zwischen westdeutschen Zöllnern konnte entnommen werden, dass ein amerikanischer Militärangehöriger mit einem Pkw im Grenzgebiet erschienen sei. Auf der von [Name] zurückgelegten Wegstrecke wurde ein Uniformhemd mit der Aufschrift »US-Army« aufgefunden.
An Dokumenten führte [Name] lediglich einen Besoldungsschein bei sich, aus dem auch die wesentlichsten Angaben zu seiner Person entnommen wurden. Er gibt an, seinen Dienstausweis aus Sicherheitsgründen in seiner Dienststelle zurückgelassen zu haben; er handle stets so, wenn er außerhalb der Dienststelle alkoholische Getränke zu sich nehmen wolle.
Durch Beobachtungen im Grenzgebiet wurde festgestellt, dass seit den Morgenstunden des 2.7.1964 die Grenzdurchbruchstelle des [Name] von westdeutscher Seite aus systematisch abgesucht wird. Zu diesem Zweck befinden sich ein Hubschrauber mit zwei Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte, Kennzeichen BJS-40, sowie ein Pkw, Kennzeichen M 25-79, im Einsatz. Der Einsatz wird von einem amerikanischen Oberst und einem Oberleutnant geleitet.
Es ist vorgesehen, nach genauer Klärung des Sachverhalts des Überschreitens der Staatsgrenze der DDR den Angehörigen der amerikanischen Besatzungsmacht [Name] gemäß seinem Wunsch an die Staatsgrenze der DDR Angehörigen der amerikanischen Besatzungsmacht zu übergeben.
Es wird vorgeschlagen, über die Übergabe des [Name] durch Organe der DDR an Angehörige der amerikanischen Besatzungsmacht eine entsprechende Presseveröffentlichung zu bringen.1