Landwirtschaftsstudenten der Universität Rostock zu Studienänderungen
9. März 1964
Einzelinformation Nr. 201/64 über die Reaktion von Studenten der Universität Rostock – Fachrichtung Landwirtschaft – auf die Ausführungen des Rektors Magnifizenz Prof. Dr. Schick über die inhaltlichen Probleme des VIII. Deutschen Bauernkongresses und ihre Auswirkungen für den weiteren Studienablauf
Am Mittwoch, 4. März 1964, wertete der Rektor der Universität Rostock Magnifizenz Prof. Dr. Schick1 vor Professoren, Assistenten, Praktikern der Landwirtschaft und Studenten den VIII. Deutschen Bauernkongress2 aus. Dabei wurden von ihm u. a. eine Reihe neuer Gedanken und Vorschläge zur Veränderung des Studienablaufes dargelegt.
Nach den Vorstellungen Prof. Dr. Schicks sollen die Studenten des 2. Studienjahres der Fachrichtung Landwirtschaft in Spezialbrigaden zusammengefasst, bereits ab 1.5.1964 ihr Praktikum beginnen. Damit würde sich jedoch die Ausbildungszeit um vier Wochen verkürzen und der im Ablaufplan festgelegte Ausbildungsweg verworfen werden.
Die Studenten des 2. Studienjahres reagierten auf diese Vorschläge mit einem schriftlichen Protest. Ihre Ablehnung begründen sie u. a. damit, dass – eine kurzfristige Veränderung des Studienablaufes sich nachteilig auf ihre Prüfungsergebnisse auswirken könne; – alle Bemühungen zur Klärung des diesjährigen Studienablaufes, sowie die hierzu bereits gefassten Beschlüsse einer Kommission hinfällig geworden sind.
Sie drohten den Boykott aller Vorlesungen solange an, bis der von einer Kommission bereits beschlossene Ablaufplan wieder zur Grundlage ihrer Ausbildung benutzt wird. Gleichzeitig wird eine Aussprache über alle strittigen Fragen verlangt. Dieser schriftliche Protest wurde von 88 Studenten unterzeichnet. Nach Ansicht der Studenten bedeute der Vorschlag des Rektors außerdem für sie eine Verkürzung des Urlaubs.
Am 5. März beriet der Dekan mit einigen Studenten und einigte sich dabei, das Semester bereits eine Woche früher zu beenden und das Praktikum entsprechend eher zu beginnen. Daraufhin konnte am 5.3.1964 um 11.00 Uhr das Vorlesungsprogramm wieder voll aufgenommen werden.
Etwa zum gleichen Zeitpunkt ging den Studenten des 2. Studienjahres der Landwirtschaftlichen Fakultät in Rostock von Studenten der gleichen Fachrichtung und des gleichen Studienjahres der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein Schreiben mit folgendem Inhalt zu: Nachdem der Wunsch geäußert wurde, mit Studenten der gleichen Fachrichtung an anderen Universitäten Kontakt herstellen zu wollen, mit der Zielstellung »uns gegenseitig bei der Gestaltung des kombinierten Studiums zu helfen«, wird in ganz allgemeiner Form zu den Vorbereitungen des »Praxisabschnittes« an der Universität Jena Stellung genommen (Gruppenstärke und Betreuung.) Der Brief enthält Hinweise über das Verhältnis von Arbeit (drei Tage) und Selbststudium (drei Tage), deutet jedoch dabei auf die Möglichkeit hin, auch während der Selbststudientage arbeiten zu müssen. Die Begründung lautet, bei Anfertigung von Belegarbeiten müssten die praktischen Untersuchungen während der Selbststudienzeit erfolgen, was effektiv einer Verlängerung zugunsten der Arbeitstage gleichkäme.
Ferner wird die angeblich ungeklärte Stipendienregelung angesprochen. Die Jenaer Studenten orientieren darauf, weiterhin möglichst das volle Stipendium zu erhalten und die angestrebte Prämienregelung nur für Leistungen besonderer Art anzuwenden. Nach ihren Vorstellungen sollten etwa zu leistende Überstunden begrenzt werden, »um so nicht die Geldjägerei herauszufordern«.
Die Urlaubsregelung (drei Wochen) wird von den Jenaer Studenten abgelehnt. Als Begründung wird die Fragestellung formuliert: »Müsste es nicht so sein, dass für das inhaltsreichere und intensivere Studium auch entsprechende Ferien garantiert werden?«
Der Brief endet mit der Aufforderung, »als Studenten mehr bei der Gestaltung des neuen Studiums auftreten zu müssen« und einen regen Erfahrungsaustausch zu organisieren, »soll es nicht wieder ein Jahrzehnt der Probiererei« werden.
Überprüfungen, inwieweit die Reaktion der Studenten bewusst organisiert wurde und ob es mögliche Zusammenhänge mit dem Schreiben der Universität Jena gibt, werden vom MfS geführt.