Mängel bei der Einreise von westdeutschen Bürgern
8. Oktober 1964
Einzelinformation Nr. 857/64 über festgestellte Mängel bei der Einreise von westdeutschen Bürgern, die von gesellschaftlichen Organisationen anlässlich des 15. Jahrestages in die DDR eingeladen wurden
Bei der Einreise von westdeutschen Bürgern, die durch gesellschaftliche Organisationen zur Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 15. Jahrestag der Gründung der DDR1 eingeladen wurden, traten erhebliche Schwierigkeiten in der Abfertigung an den KPP sowie in der Absicherung der eingeladenen Personen auf. Diese Schwierigkeiten waren vor allem auf die ungenügende organisatorische Vorbereitung der Einreise durch die als Gastgeber fungierenden gesellschaftlichen Organisationen in den Bezirken zurückzuführen. Nach unseren bisherigen Feststellungen bestand bei einem großen Teil dieser Organisationen keine konkrete Übersicht über die eingeladenen Personen, Zu- oder Absagen, die Versendung von Aufenthaltsgenehmigungen, Telegrammen usw. Die Überprüfung ergab z. B., dass der Bezirksvorstand Leipzig des DTSB ca. 200 Einladungen an Sportvereine in Herne/Süd versandt hatte, aber nicht festzustellen war, wieviel Aufenthaltsgenehmigungen (AG) mitgeschickt worden sind. Beim Bezirksvorstand Gera des DTSB bestand ebenfalls keine Übersicht über die eingeladenen Personen. Einem Teil dieser Personen wurden AG zugesandt, anderen nur Telegramme. Der Bezirksvorstand Leipzig der FDJ vermerkte in seinen Einladungen lediglich, dass sich die westdeutschen Gäste am KPP melden sollen, von wo aus sie nach Leipzig weitergeleitet würden (durch die FDJ waren jedoch keine diesbezüglichen organisatorischen Vorbereitungen getroffen worden).
Von anderen Organisationen war vorgesehen, nach Zusage des Besuchs die Aufenthaltsgenehmigung noch zu übersenden. Da jedoch ein Teil der Eingeladenen absagen musste und andere zu spät ihre Zusage gaben, konnten nicht in allen Fällen Aufenthaltsgenehmigungen zugestellt werden.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Bedingungen mussten die westdeutschen Bürger, die eine Einladung vorwiesen, aber keine Aufenthaltsgenehmigung besaßen, nach vier verschiedenen Verfahrensweisen an den KPP abgefertigt werden.
Obwohl durch das MfS sofort nach Bekanntwerden dieser Situation Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit und zur Gewährleistung der notwendigen Kontrolle von westdeutschen Gästen ohne AG eingeleitet wurden (u. a. wurden beim Fehlen einer AG in jedem Falle die Personen dem zuständigen VPKA vorgemeldet), wurden durch eine solche Arbeitsweise der gesellschaftlichen Organisationen viele Unsicherheitsfaktoren geschaffen. Diese beziehen sich nicht nur auf die unmittelbare Ausnutzung einer solchen Lage durch feindliche Elemente, sondern auch auf die Gefährdung der Sicherheit der westdeutschen Gäste durch westdeutsche Organe.
Besonders nachteilig wirkte sich dabei auch das Fehlen von Empfangsbüros an den KPP (ähnlich wie zur Leipziger Messe und zum Deutschlandtreffen)2 auf die geordnete Abfertigung und die weitere organisatorische Betreuung der eingeladenen westdeutschen Besucher aus.
Zur Vermeidung derartiger Mängel und Unzulänglichkeiten und zur Erhöhung der Sicherheit auf diesem Gebiet wird für ähnliche Anlässe folgender Verfahrensweg vorgeschlagen:
Alle beabsichtigten Einladungen von westdeutschen Bürgern durch gesellschaftliche Organisationen der DDR sollten bereits im Bezirksmaßstab bei einem zentralen Organ (z. B. Bezirks-Organisationsbüro) unter Angabe der Personalien, des Datums und der vorgeschlagenen Form der Einreise (mit welchen Dokumenten) rechtzeitig angemeldet werden. Gleichzeitig sollten diese Angaben einem zentralen Organ (z. B. zentrales Organisationsbüro) gemeldet werden, das in Verbindung mit dem MfS die erforderlichen Maßnahmen zur Überprüfung dieser Personen einleitet und über die Einladung oder Ablehnung entscheidet. Um einen konkreten Überblick und einen geordneten, der Sicherheit entsprechenden Verfahrensweg zu gewährleisten, sollte die Einladung von westdeutschen Bürgern nur – oder zumindest nur nach Bestätigung – durch dieses zentrale Organ erfolgen.
Zur schnellen Klärung aller Zweifelsfälle und zur Sicherung einer ordnungsgemäßen organisatorischen Betreuung der westdeutschen Gäste sollten zeitweilig, entsprechend den Erfordernissen, Empfangsbüros an den KPP (ähnlich wie zur Leipziger Messe) eingerichtet werden.