Mängel bei Errichtung der Lösungsacetat-Anlage in Eilenburg
30. Januar 1964
Einzelinformation Nr. 75/64 über Mängel bei der Errichtung der Lösungsacetat-Anlage im VEB Eilenburger Zelluloidwerk
Nach den uns vorliegenden Hinweisen sind seit dem Zeitpunkt der probeweisen Inbetriebnahme der Lösungsacetat-Anlage im VEB Eilenburger Zelluloidwerk in größerem Umfange funktionelle Mängel an den Anlagen und Aggregaten sowie an den elektrischen Anlagen und den Ausrüstungen der BMSR-Technik aufgetreten, die zu einer erheblichen Verzögerung bei der vollen Produktionsaufnahme führen.
Der ursprüngliche Staatsplantermin der Inbetriebnahme wurde aus diesen Gründen bereits vom 1.1.1963 auf den 1.5.1963, danach auf die Monate Juli/August 1963 und zuletzt auf den 1.1.1964 verlegt. Gegenwärtig ist jedoch das Stadium der Versuchsproduktion immer noch nicht abgeschlossen. Bisher wird nur nicht verwertbare Acetatzellulose gewonnen. In Anbetracht der Bedeutung dieses Investitionsvorhabens für die weitere Störfreimachung unserer Filmindustrie wäre es unseres Erachtens notwendig, von zentraler Stelle aus umgehend entsprechende Maßnahmen zur Überwindung der noch vorhandenen Mängel und Missstände einzuleiten.
Die Funktionsmängel an den Teilanlagen werden insbesondere durch Fehler
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in der Projektierung und im Projektierungsablauf,
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in der apparativen Konstruktion einzelner Anlagen und Aggregate und durch
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Unzulänglichkeiten in der Projektrealisierung
beeinflusst.
Über die Ursachen oder begünstigenden Umstände für die eingetretenen Rückstände werden unter den Experten der verschiedenen an diesem Objekt beteiligten Institutionen und Betriebe die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten, wobei die »Abwälzung« bestimmter Mängel auf andere Organe, Betriebe usw. weit verbreitet ist.
So wird eingeschätzt, dass durch Mängel und Fehler in der Zulieferung von Anlagen und Aggregaten des Maschinenbaus ein Terminverzug bei der probeweisen Inbetriebnahme um vier bis sechs Monate eintrat. Dem Maschinenbau wurde bei einer Verhandlung vor dem Bezirksvertragsgericht Leipzig für die Nichteinhaltung des Staatsplantermines die Hauptverantwortung nachgewiesen. Die Wirtschaftsfunktionäre der beteiligten Maschinenbaubetriebe wiederum wiesen auf insgesamt ca. 1 500 Projektierungsfehler im gesamten Projekt hin.
Vonseiten des Investitionsträgers betrachtet man die Ursachen für die Projektierungsfehler im unzureichenden Leistungsniveau des Maschinenbaus. So ist z. B. die in dem Liefervertrag zwischen dem VEB Elmo Dessau und dem VEB Chema Rudisleben enthaltene Forderung, die Antriebsmotoren der Aktivatoren in Polfolge zu schalten, nicht dem Hersteller mitgeteilt worden.
Nach Meinung anderer Fachleute kann der AC-Betrieb im Eilenburger Werk auch deshalb nicht kontinuierlich produzieren, weil an den Maschinenbauerzeugnissen große Qualitätsmängel vorhanden sind (Ausfall von zwei Schaltgetrieben an den Fällgefäßen; Ausfall von vier Schaltgetrieben an der Acetylierer; Schäden an den Stirnradgetrieben vom VEB Getriebewerk Penig, bestimmt für die Acetylierer usw.).
In der Koordinierung sind ebenfalls grundsätzliche Mängel zu verzeichnen, u. a. zwischen dem
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bautechnischen und dem technologischen Projekt;
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Maschinenbauprojekt und dem Projekt der Elektro- und Steuerungstechnik sowie zwischen dem Projekt der Steuerungstechnik und dem Projekt der Mess- und Regeltechnik;
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außerdem zwischen den Projekten einzelner maschinentechnischer Abteilungen.
Beispielweise sah das Projekt des maschinentechnischen Teils eine Aufgliederung des AC-Gebäudes in vier Projektionsstraßen vor, während das elektrotechnische Projekt die Straßenaufteilung nicht berücksichtigte. Das Ergebnis waren zwangsläufig Schwierigkeiten bei der Montage und bei der Wartung der Anlage.
Die ungenügende Koordinierung zwischen dem bautechnischen und dem technologischen Projekt ist u. a. auch daraus zu ersehen, dass die Messwarte mit allen dazugehörenden Einrichtungen im Westteil des AC-Gebäudes errichtet wurde, während sich die notwendigen Relais- und Schützengerüsträume im Ostteil des AC-Gebäudes befinden (Entfernung ca. 60 m). Durch diese räumliche Trennung wurden wesentlich mehr Kabel benötigt. Für die Betriebswartung ergeben sich erschwerte Bedingungen, insbesondere für die Instandhaltung, die auch einen zusätzlichen Arbeitskräfteaufwand erforderlich macht.
Umfangreiche Projektänderungen wurden notwendig, da die bautechnische Abteilung des KIB Chemie Leipzig eine Sauerwasser-Kanalisation entwarf, die nur mit Medien unter 60° Celsius befahren werden darf. Ohne Berücksichtigung dieser Tatsache sah das technologische Projekt vor, eventuell anfallendes saures Kondensat direkt in die Sauerwasser-Kanalisation einzuleiten.
Im ökonomischen Teil der Vorplanung und Projektierung war nach den jetzt vorliegenden Erfahrungswerten ein zu geringer Anteil von Produktions- und Instandhaltungskräften vorgesehen (Plan 219; Ist 281 Arbeitskräfte). Der zusätzliche Arbeitskräftebedarf (62) wird dadurch bedingt, dass – einzelne Arbeitsgänge im technologischen Projekt nicht – entgegen dem Projekt – mit den vorgesehenen Arbeitskräften bewältigt werden können [und] – ein Urlaubs- und Krankenstand in der Arbeitskräftebilanz des AC-Betriebes nicht berücksichtigt wurde.
Die VVB Chemiefaser und Fotochemie dagegen hält sich bei der Arbeitskräfteplanung an die im Projekt vorgesehene Arbeitskräftezahl und bewilligt keine Erhöhung der Arbeitskräfte, sodass zusätzliche Schwierigkeiten bei der laufenden Erprobung und Wartung auftreten. Unter diesen Bedingungen kann das projektierte Produktionsvolumen nicht erreicht werden. Eine Erhöhung der Arbeitskräftezahl in der AC-Anlage hätte jedoch – unter Berücksichtigung der Berechnungen des Projektes – auch auf die geplanten Selbstkosten und den Lohnfonds negative Auswirkungen.
Die konstruktive Auslegung einzelner Aggregate entsprach nicht den technologischen Betriebsbedingungen. Besonders schädigend wirkte sich das bei den sechs Wärmeaustauschern der Esko-Anlage1 aus. Die genannten Wärmeaustauscher entsprachen nicht den genannten Betriebsbedingungen, erzielten einen ungünstigen Wärmeaustausch und riefen dadurch bedingt den Austritt einer aggressiven Flüssigkeit bei extrem hohen Temperaturen hervor. Alle sechs Aggregate mussten nochmals demontiert und vom Herstellerwerk, dem VEB Apparate- und Rohrleitungsbau Reinsdorf, geändert werden, wodurch wertvolle Zeit verlorenging.
Auch die Sicherheitsvorkehrungen in der AC-Anlage sind völlig unzureichend, wobei einige Werksangehörige darauf hinweisen, dass bei unsachgemäßer Bedienung katastrophale Auswirkungen eintreten können.
Dieser Umstand deutete sich bereits bei einem Wassereinbruch in die Steuerungsluftleitungen an. Diese Havarie ereignete sich, weil zwischen einer Trinkwasser-Druckerhöhungsstation und einem Pressluftbehälter der Luftzerlegungsanlage eine Pressluftleitung nur mit einem einfachen Handventil verlegt worden war. Aus Sicherheitsgründen wäre der Einbau eines Rückschlagventils erforderlich gewesen. Durch betriebsbedingte Umstände wurde das Handventil geöffnet. Aufgrund des höheren Betriebsdruckes in der Trinkwasser-Druckerhöhungsstation gelangte Wasser in die Zuleitungen. Sämtliche in der Steuerluftleitung angeschlossenen Messgeräte wurden durch das Wasser beschädigt. Die Schadenssumme beläuft sich auf ca. 35 TDM.
Andere, in der Zeit der Erprobung festgestellte Mängel treten im Bereich der Mess- und Regelungstechnik auf. So fehlen u. a. – in allen Teilobjekten des AC-Betriebes örtliche Standanzeigen an den Lager- und Standbehältern, was zu einer immer wiederkehrenden ernsthaften Störung des Produktionsablaufes führte; – Messmöglichkeiten für innerbetriebliche Abrechnungszwecke, aber auch für außerbetriebliche Anforderungen, wie sie insbesondere für den Nachweis über die Einhaltung der Gütebestimmungen des DAMW und der gesetzlichen Bestimmungen des Deutschen Amtes für Messwesen erforderlich sind.
Im Bereich der Mess- und Regelungstechnik wird nach Meinung einiger Betriebsangehöriger teilweise ein zu großer Aufwand betrieben, während andererseits an solchen Stellen, wo eine Regelung unerlässlich sei, nur eine technologisch unbefriedigende Lösung gefunden worden wäre.