Meinungsforschung in den Einheiten des Militärbezirks III
27. April 1964
Einzelinformation Nr. 353/64 über eine Meinungsforschung in den Einheiten des Militärbezirks III im April 1964
Durch den Leiter des Lehrstuhles Philosophie der Militärakademie »Friedrich Engels« Oberstleutnant Rau1 sowie zwei weitere Mitarbeiter dieses Lehrstuhles wurde in der Zeit vom 6. bis 14.4.1964 in einigen Einheiten des Militärbezirkes III ein Meinungstest durchgeführt, bei dem auf einem Fragebogen 147 Fragen beantwortet werden mussten. Im Einzelnen wurden befragt:
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im Pz-Rgt. 16, 7. PD: 328 Soldaten,
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im Pz-Rgt. 14, 7. PD: 191 Soldaten,
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im MSR 7, 7. PD: 119 Soldaten,
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im MSR 18, 11. MSD: 360 Soldaten,
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insgesamt: 998 Soldaten.
Die Fragestellung entspricht in einer Reihe von Fragen nicht der sozialistischen Auffassung von einer wirksamen Aufklärungs- und Erziehungsarbeit und widerspricht auch jeglichen militärischen Prinzipien.
Die teilweise provokatorische Fragestellung kann dazu führen, dass über Befehle und Weisungen diskutiert, die militärische Disziplin und Ordnung untergraben, das sozialistische Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetzten und Unterstellten von subjektiven Faktoren abhängig gemacht und das Prinzip der politisch-militärischen Führungspraxis negiert wird. Das kommt auch in den nach der Meinungsumfrage festgestellten Stimmungen und Diskussionen zum Ausdruck. Zum Beispiel wurde von mehreren Soldaten und Offizieren des Pz-Rgt. 16 die Art und Weise der Fragestellung abgelehnt. Dazu wurde die Meinung vertreten, dass viele Fragen ihrem Inhalt nach in provokatorischer Form gestellt wurden und somit ihr Ziel verfehlten, so u. a. die Frage »Würden Sie im Falle einer Aggression gegen die DDR auf Angehörige der westdeutschen Bundeswehr schießen«. Vielfach wurde geäußert, die Beantwortung solcher Fragen würde von der jeweiligen Verfassung des Soldaten abhängen und das Befragungsergebnis würde keinesfalls objektiv sein. Von einigen Soldaten des Pz-Rgt. 14 wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Fragestellung »irrsinnig« sei und sie deshalb alle Fragen mit »nein« beantwortet hätten.
Der Kommandeur des MSR 18 Oberstleutnant Haessler2 sagte zum Ergebnis des Meinungstests in seinem Regiment, er könne mit dem Regiment nicht in den Kampf ziehen. (40 % der befragten Soldaten des Regiments hatten es lt. Fragebogen abgelehnt, im Falle einer Auseinandersetzung mit Westdeutschland auf Bundeswehrangehörige zu schießen.)
Wie Oberstleutnant Rau zu dieser Umfrage erklärte, hätte er vom Chef der Politischen Hauptverwaltung, Genossen Admiral Verner,3 eine mündliche Weisung dazu erhalten. Eine ähnliche Meinungsforschung mittels Fragebogen und gleichlautender Fragen wurde bereits im April 1963 im Nachrichten-Bataillon der NVA/Kdo Grenztruppen durchgeführt. Über diese Meinungsforschung wurde in der Information Nr. 254/63 berichtet und auf die Unzweckmäßigkeit solcher Maßnahmen hingewiesen.