Negative Äußerungen von Professor Hertz
19. Februar 1964
Einzelinformation Nr. 128/64 über negative Äußerungen von Prof. Dr. Hertz auf der konstituierenden Sitzung der Nationalen Pugwash-Gruppe der DDR
Über die konstituierende Sitzung der Nationalen Pugwash-Gruppe der DDR, die bereits am 13.9.1963 stattfand, wurde dem MfS nachträglich bekannt, dass Prof. Dr. Hertz1 die Diskussion über die Vorbereitung der 11. Pugwash-Konferenz2 in Dubrovnik/Jugoslawien (November 1964)3 zu negativen Äußerungen über die Politik der DDR und der Sowjetunion benutzte.
Da die anderen Sitzungsteilnehmer, mit Ausnahme Prof. Dr. Steenbecks,4 nicht gegen die Äußerungen von Prof. Dr. Hertz Stellung nahmen (inwieweit sie eventuell ähnliche Auffassungen vertreten und deshalb nicht gegen Prof. Dr. Hertz aufgetreten sind, ist nicht bekannt), diese Personen aber auf der 11. Pugwash-Konferenz die DDR vertreten sollen, erachtet es das MfS für erforderlich, auf die an sich schon längere Zeit zurückliegenden Vorgänge noch aufmerksam zu machen.
Der Sekretär der Nationalen Pugwash-Gruppe der DDR, Genosse Dr. Hess,5 unterbreitete auf dieser Sitzung Vorschläge zu seinem Auftreten in Dubrovnik, wo er über das Thema Abrüstung sprechen soll. Unter anderem führte er aus, auf der genannten Konferenz den Standpunkt vertreten zu wollen, dass die Fragen der Abrüstung, insbesondere die Verhinderung der Atomrüstung in Westdeutschland und die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone unter Einschluss der beiden deutschen Staaten, nicht von der Anerkennung der DDR durch Westdeutschland abhängig gemacht werden sollen. Die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone sei vom Standpunkt der DDR aus durch sofortige Verhandlungen zwischen beiden deutschen Staaten möglich.
Zu diesen Darlegungen von Genossen Dr. Hess erklärte Prof. Dr. Hertz sinngemäß: Dieser Standpunkt entspreche nicht den wirklichen Bedingungen, denn die Erreichung der Anerkennung der DDR sei das »deutsche Problem«. Dieses »Problem« würde es aber überhaupt nicht geben, wenn sich die Menschen frei entscheiden könnten. Dies würde aber durch die »Russen« verhindert und unterdrückt. Nicht die Zahl der vorhandenen Waffen in beiden deutschen Staaten bestimme die Kriegs- oder Bürgerkriegsgefahr, sondern die politische Spannung, die sich in der Tatsache der Nichtanerkennung und der Verhinderung der freien Entscheidung in der DDR zeige. Dabei bemerkte er, dass nicht er das sage, sondern dass es sich dabei um Meinungen von anderen »Leuten« handeln würde, die ihm bekannt geworden seien.
Bezeichnend für den Charakter dieser Zusammenkunft und das Verhalten der Teilnehmer ist, dass zu diesen Äußerungen von Prof. Dr. Hertz nur Prof. Dr. Steenbeck Stellung nahm. Er erklärte, dass man so nicht diskutieren könne, da man sonst, ob bewusst oder unbewusst, zu einer Bürgerkriegsstimmung beitrage. In diesem Zusammenhang ist auch das Auftreten von Prof. Rienäcker6 zu Beginn der Sitzung interessant, der die Teilnehmer aufgefordert hatte, »sehr offen zu sprechen, denn die Diskussion sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und solle von Pugwash-Geist getragen sein«.
An dieser Sitzung haben folgende Personen teilgenommen: Prof. Dr. Rienäcker (Vorsitzender), Prof. Dr. Alexander,7 Prof. Dr. Friedrich,8 Prof. Dr. Hertz, Prof. Dr. Pose,9 Prof. Dr. Steenbeck, Prof. Dr. Stern,10 Dr. Sitzlack11 und Dr. Hess (Sekretär).