Probleme des Arbeitseinsatzes Jugendlicher aus westlichen Staaten
16. April 1964
Einzelinformation Nr. 322/64 über die Organisierung von Arbeitseinsätzen für Jugendliche aus kapitalistischen Ländern in der DDR
Dem MfS wurde bekannt, dass – beginnend mit dem Jahre 1964 – in größerem Umfang Jugendliche aus verschiedenen kapitalistischen Ländern in der DDR einen 14tägigen Arbeitseinsatz ableisten und anschließend einen achttägigen Erholungsurlaub verbringen werden.
Der Austausch dieser Jugendlichen wird durch eine Unterorganisation »Internationaler Zivildienst« der UNESCO unter dem Motto organisiert, »die Jugend der Welt und der einzelnen Länder müsse sich untereinander näher kennenlernen«.
Seit 1963 wird auch die DDR in diesen Austausch einbezogen unter dem Gesichtspunkt, auch über diesen Weg nähere Verbindung zur UNESCO zu erhalten.
Für den diesjährigen Einsatz der Jugendlichen aus den kapitalistischen Staaten wurden entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Zentralrat der FDJ, Büro für Industrie und Landwirtschaft, und dem Volkswirtschaftsrat, Dr. Schiefner,1 acht volkswirtschaftliche Schwerpunktvorhaben vorgesehen:
- 1.
VEB Wohnungsbau Halle/Saale-West: 70 Personen in zwei Durchgängen,
- 2.
VEB Wohnungsbau Karl-Marx-Stadt: 70 Personen in zwei Durchgängen,
- 3.
VEB Flachglaskombinat Torgau: 35 Personen in einem Durchgang,
- 4.
Chemiefaserkombinat Guben: 35 Personen in einem Durchgang,
- 5.
Rohrwerk III Zeithain: 70 Personen in zwei Durchgängen,
- 6.
VEB Kraftwerk der Jugend Vetschau: 40 Personen in zwei Durchgängen,
- 7.
Braunkohlenwerk Borna bei Leipzig: 70 Personen in zwei Durchgängen,
- 8.
Bereich Bau- und Montagekombinat Bautzen: Es liegen keine konkreten Ergebnisse vor.
Nach den vorliegenden Informationen entspricht jedoch die Vorbereitung dieser Einsätze, angefangen von der Auswahl der Objekte, der Betreuung bis zur Unterbringung, nicht den Erfordernissen. Hinsichtlich des Einsatzes dieser Jugendlichen in den genannten volkswirtschaftlichen Schwerpunktvorhaben bestehen aufgrund der 1963 gewonnenen Erfahrungen aus Sicherheitsgründen Bedenken. So war z. B. 1963 zu verzeichnen, dass diese Jugendlichen teilweise negativ und provokatorisch auftraten und bestrebt waren, Kontakte zu negativ eingestellten Personen herzustellen und Schiebergeschäfte zu tätigen.
Die Auswahl der Betreuungskräfte, Dolmetscher usw. wurde dabei den Bezirksleitungen der FDJ eigenverantwortlich überlassen, die aber den ordnungsgemäßen Ablauf der Aktion und die richtige politische Betreuung der Teilnehmer nicht voll gewährleisten konnten.
In Anbetracht dessen wird vorgeschlagen:
- 1.
Neue geeignete Betriebe auszuwählen, die über eine politisch gefestigte Stammbelegschaft verfügen und die ökonomische Entwicklung der DDR überzeugend repräsentieren. In diesen Betrieben müssten politisch gefestigte Brigaden ausgesucht werden, die in der Lage sind, die mit vielen Unklarheiten in die DDR kommenden Jugendlichen sachlich über die verschiedenen Probleme aufzuklären, aber ebenso wirksam eventuellen Provokationen entgegenzutreten.
- 2.
Die gesamte Aktion müsste unter zentraler Leitung erfolgen. Die für die Betreuung, den Dolmetscherdienst usw. einzusetzenden Kader müssten zentral ausgewählt, eingesetzt und angeleitet werden, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Eignung für eine wirksame politische Einflussnahme.