Reise einer Delegation der Leuna-Werke nach Westdeutschland
9. Oktober 1964
Einzelinformation Nr. 872/64 über die Reise einer Delegation der VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« nach Westdeutschland
Am 5.10.1964 reiste eine aus fünf Personen bestehende Delegation (einschließlich des Kraftfahrers) mit dem Pkw über den KPP Marienborn nach Westdeutschland.
Der Delegation gehörten Dr. Klein,1 ökonomischer Direktor der VEB Leuna-Werke »Walter-Ulbricht«, Volkskammerabgeordneter, Diplom-Ingenieur Rösser,2 Mitarbeiter des Volkswirtschaftsrates, Hauptabteilung Chemie, verantw. für Datenverarbeitung, Dr. [Name 1], Leiter des Rechenzentrums Leuna, Diplom-Ökonom [Name 2], Mitarbeiter des Rechenzentrums Leuna, [Name 3], Kraftfahrer, an.
Zweck dieser Delegationsreise war das Studium elektrischer Datenverarbeitungsmaschinen westdeutscher und ausländischer Firmen in Westdeutschland. Der Vorschlag und das Programm für diese Delegationsreise, die vom ökonomischen Direktor des VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« Dr. Klein entwickelt wurden, hatten als Ausgangspunkt den Ministerratsbeschluss vom 23.7.1964 über das Programm zur Entwicklung, Einführung und Durchsetzung der maschinellen Datenverarbeitung in der DDR in den Jahren 1964 bis 1970, in dem u. a. der VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« in Zusammenarbeit mit der VVB Mineralöle und organische Grundstoffe mitverantwortlich für die Durchführung dieses Beschlusses gemacht wurden.
Deshalb wurden vom VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« auch Verbindungen mit den nachfolgenden geeigneten Firmen in Westdeutschland aufgenommen:
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Firma National-Registrierkassen GmbH in Vertriebsgemeinschaft mit der Firma Ellioth Brothers – Großbritannien, Messeaussteller auf der Leipziger Messe, Frankfurt/M., Ausbildungszentrum;
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Firma ICT (International Computer and Tabulator GmbH), Düsseldorf-Ahlfeld, größter englischer Produzent elektronischer Datenverarbeitungsanlagen, Aussteller auf der Leipziger Messe;
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Firma Remington Rand Univac GmbH, Frankfurt/M., führendes US-amerikanisches Unternehmen zur Herstellung von Datenverarbeitungsanlagen für kommerzielle Zwecke;
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Firma IBM (International Business Machines), Sindelfingen bei Stuttgart, US-amerikanisches Unternehmen, führend auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung hinsichtlich wissenschaftlich-technischer und kommerzieller Datenverarbeitungsanlagen;
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Rechenzentrum der Farbwerke Hoechst AG, Frankfurt/M.-Hoechst durch Vermittlung der Firma NCR.
Neben dem Besuch dieser Firmen sollte auch die westdeutsche Büro-Fachausstellung/Düsseldorf, eine Ausstellung moderner Büro- und Datenverarbeitungsmaschinen, besucht werden, die im Zusammenhang mit der vom 5. bis 10.10.1964 stattfindenden Physiker-Tagung in Düsseldorf organisiert wurde und vom 6. bis 9.10.1964 geöffnet ist.
Nachdem ursprünglich vorgesehen war, die Delegationsreise in der Zeit vom 21.9. bis 11.10. durchzuführen, wurde auf Vorschlag der westdeutschen Firmen, dann der 5.10. als Abreisetag festgelegt, um gleichzeitig die zu dieser Zeit eröffnete Messe besuchen zu können. Von dieser Termin-Verschiebung wurde das MfS nicht in Kenntnis gesetzt.
Die Genehmigung für diese Delegationsreise wurde vom Hauptabteilungsleiter Chemie des Volkswirtschaftsrates Genossen Hohtanz3 erteilt und vom Leiter der VVB Mineralöle und organische Grundstoffe Dr. Matschke4 bestätigt. Die kadermäßige Bestätigung erfolgte durch die Kaderabteilung des VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« Genossen Jacob und durch den Technischen Direktor der Leuna-Werke Dr. Keune.5
Bei der Genehmigung der Delegationsreise wurde durch Genossen Hohtanz vom Volkswirtschaftsrat der ursprünglich als Delegationsmitglied vorgesehene Diplom-Ingenieur [Name 4] vom VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« herausgelöst und stattdessen der Mitarbeiter im Volkswirtschaftsrat Diplom-Ingenieur Rösser in die Delegation aufgenommen. Auch von dieser Veränderung wurde das MfS nicht informiert.
Der Volkswirtschaftsrat fungiert als Träger dieser Delegationsreise und übernimmt auch ihre Finanzierung. Als chronologische Reiseroute war für die Delegation festgelegt worden
- 1.
Besuch bei der Firma ICT in Düsseldorf-Ahlfeld,
- 2.
Besuch Hamburgs,
- 3.
Besuch der westdeutschen Büro-Fachausstellung,
- 4.
Fahrt nach Frankfurt/M.
Nachdem bereits am 3.10.1964 der Besuch Hamburgs aus der Reiseroute gestrichen wurde, musste festgestellt werden, dass auch die erste Station der Delegation (Firma ICT) nicht programmgemäß aufgesucht wurde. Durch eine Mitteilung Dr. [Name 1] an seine Ehefrau vom 5.10.1964 wurde lediglich bekannt, dass die Delegation in Düsseldorf angekommen und eine nochmalige Veränderung der Reiseroute erfolgt sei.
Aus welchen Gründen diese plötzliche Veränderung der Reiseroute erfolgte und welche Veränderungen vorgenommen wurden, ist nicht bekannt. Am 7.10.1964, gegen 17.00 Uhr, wurde von der Firma ICT per Telex-Fernschreiben beim VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« angefragt, wann die Delegation eintrifft. Daraufhin wurde die Firma ICT gebeten, beim Eintreffen der Delegation zu veranlassen, dass sich Dr. Klein sofort telefonisch beim VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« melden soll. Erst am 9.10.1964, gegen 10.00 Uhr, erhielt der Werkleiter der Leuna-Werke »Walter Ulbricht« die fernschriftliche Nachricht vom ICT, dass die Delegation unter Leitung Dr. Kleins bei dieser Firma eingetroffen ist. Dr. Klein selbst hat sich jedoch nicht gemeldet.
Ein offizieller Beauftragter des Volkswirtschaftsrates wurde nach Westdeutschland entsandt, um Verbindung mit unserer Delegation aufzunehmen.
Weiter wurde mit dem Vorsitzenden des Volkswirtschaftsrates Genossen Neumann6 eine entsprechende Vereinbarung getroffen, um ständig eine zentrale Übersicht und Kontrolle über alle diesbezüglichen Reisen von Mitarbeitern aus dem Bereich des VWR nach Westdeutschland zu gewährleisten. Derartige Vereinbarungen über die Schaffung einer ständigen Übersicht werden auch mit den anderen staatlichen Organen im Republik- und Bezirksmaßstab getroffen.