Tod eines Angehörigen der NVA (1. Fassung)
5. Oktober 1964
Einzelinformation Nr. 847a/64 über die Ermordung eines Angehörigen der NVA/Grenze durch Westberliner Banditen am 5. Oktober 1964 auf dem Grundstück Strelitzer Straße 55 (Nähe Bernauer Straße) [1. Fassung]
Am 5.10.1964, gegen 0.15 Uhr, wurde der Uffz. Schultz, Egon,1 geboren 4.1.1943, seit 2.11.1963 Angehöriger der 1. Kompanie/GR 33 (Wehrpflichtiger, später Soldat auf Zeit), Kandidat der SED seit 28.8.1964, Mitglied der FDJ, vorher Lehrer an der 2. Oberschule Rostock, bei einem Feuergefecht von Westberliner Banditen ermordet.
Im Verlaufe ständig erfolgender Überprüfungen und Kontrollen aller Objekte und Örtlichkeiten, die vom Gegner für Tunnelbauten ausgenutzt wurden bzw. geeignet wären, wurde vom MfS am 4.10.1964 auch die Umgebung und das Haus Strelitzer Straße 55 überprüft, zumal Hinweise vorlagen, dass in der Nacht vom 3. zum 4.10.1964 eine Anzahl von Bürgern der DDR republikflüchtig geworden sein soll und die Flucht aller Wahrscheinlichkeit nach nur durch einen Tunnel erfolgt sein konnte.
Bei dieser Kontrolle stießen zwei Mitarbeiter des MfS im Hause Strelitzer Straße 55 (außerhalb des Sperrgebietes, wo bereits am 8.1.1964 in unmittelbarer Nähe ein Tunnel entdeckt worden war)2 auf zwei unbekannte männliche Personen, von denen sie offensichtlich für Bürger gehalten wurden, die ebenfalls geschleust werden sollten. Da die beiden Personen nicht konkret ausgemacht werden konnten und die Lage im Grundstück Strelitzer Straße 55 völlig unübersichtlich war, erschien eine sofortige Festnahme nicht zweckmäßig. Von den Mitarbeitern des MfS wurde deshalb vorgetäuscht, noch weitere »Flüchtlinge« holen zu müssen. Während ein Mitarbeiter das Haus sicherte, begab sich der andere Mitarbeiter zum Führungspunkt der 1. Kompanie/33. GR und bat um Verstärkung. Vom Polit-Stellvertreter der 1. Kompanie wurde daraufhin die Reservegruppe unter Führung von Uffz. Schultz sowie eine Kradstreife – insgesamt sechs Mann – angewiesen, die Mitarbeiter des MfS zu unterstützen.
Beim erneuten Betreten des Hauses Strelitzer Straße 55 stießen der Mitarbeiter des MfS sowie die Reservegruppe im Treppenhaus unmittelbar am Hinterausgang zum Hof wiederum auf einen der »Fluchthelfer«, der daraufhin das Haus durch denselben Ausgang sofort verließ und seitlich davonlief. Als der Mitarbeiter des MfS dem Banditen folgte, wurde auf ihn nach Betreten des Hinterhofes von links Pistolenfeuer eröffnet, sodass er hinter einer Mauernische in Deckung gehen musste. Er forderte deshalb die Einsatzgruppe des Uffz. Schultz auf, ebenfalls das Feuer zu eröffnen. Bei dem Versuch, die Banditen unter Beschuss zu nehmen, wurde Uffz. Schultz beim Verlassen des Gebäudes durch den bereits genannten Hinterausgang von zwei Schüssen getroffen,3 ohne selbst zum Schießen zu kommen.4
Trotz Eröffnung des Feuers durch andere Gruppenangehörige gelang den Banditen die Flucht nach Westberlin durch einen nach Beendigung des Feuergefechts festgestellten Tunnel, der in einer auf dem Hinterhof befindlichen Toilette endete und vermutlich mit dem am 8.1.1964 entdeckten Tunnel in Verbindung steht. (Nähere Überprüfungen werden noch geführt). Uffz. Schultz erlag noch am Tatort seinen schweren Verletzungen.
Von den Angehörigen der NVA-Grenze wurden neun Schüsse aus MPi abgegeben. Nach bisherigen Ermittlungen wurden fünf Hülsen von Pistolenmunition gefunden, die nach bisherigen Feststellungen aus den Waffen der Banditen stammen.
In einer Wohnung sowie einem Büroraum des Grundstückes Strelitzer Straße Nr. 54 wurde je ein Einschuss festgestellt. (Entsprach Schussrichtung der Banditen.)
Weitere Untersuchungen erfolgen durch das MfS. Die militärische Sicherung des Tatortes erfolgt durch Angehörige des GR 33.