Tödlicher Unfall der österreichischen Sportlerin Reinitzer
14. Juli 1964
Einzelinformation Nr. 566/64 über den Unfall mit tödlichem Ausgang der österreichischen Sportlerin Reinitzer, Holle beim Fallschirmspringen in der Flugsportschule Schönhagen, Kreis Luckenwalde
In der Zeit vom 2.7. bis 13.7.1964 fand in der Flugsportschule Schönhagen, Kreis Luckenwalde, gemeinsam mit der österreichischen Nationalmannschaft ein Trainingsspringen in Vorbereitung der Weltmeisterschaften im Fallschirmspringen statt. Nachdem am 12.7.1964 die offiziellen Wettbewerbe beendet waren, wurde für den 13.7.1964 ein Freundschaftsspringen angesetzt. Dabei sollten u. a. die österreichischen Sportfreunde mit den Fallschirmen der Kameraden der GST bzw. umgekehrt springen.
Während des Freundschaftsspringens am 13.7.1964 verunglückte die österreichische Sportlerin Reinitzer, Holle, geboren [Tag, Monat] 1943 in Graz, wohnhaft in Graz, [Straße, Nr.], während ihres dritten Tagessprunges tödlich.1
Die ersten beiden Sprünge führte die R. am 13.7.1964 mit ihrem eigenen Fallschirm aus; zum dritten Sprung benutzte sie erstmalig den Fallschirm der GST-Sportlerin Lange, Maria2 (deutsche Meisterin im Fallschirmspringen) Rl-3/23 mit Ersatzgerät Be-3,4 der vor dem Sprung in ihrer Anwesenheit von der Lange zusammengelegt und zum Absprung vorbereitet wurde.
Zum dritten Sprung hatte sich die Sportlerin Reinitzer erst kurz vor dem Start des Flugzeuges entschlossen, da ihr, wie sie vordem angab, die zwei ersten Sprünge am 13.7.1964 aus 2 000 m Höhe und die von ihr während des Trainingsspringens vom 2.7. bis 12.7.1964 ausgeführten 25 Sprünge genügten. Vor dem dritten Sprung am 13.7.1964 erklärte sie, doch die neuen Fallschirme kennenlernen zu wollen.
Der Sprung – ein kombinierter Reihenabsprung zu viert – erfolgte um 15.15 Uhr aus 1 000 m Höhe im Beisein des österreichischen Mannschaftsleiters und des Arztes der Mannschaft, wobei die R. gemäß ihrem Wunsche als letzte sprang. Ihr Fallschirm sowie der Rettungsschirm öffneten sich nicht, sodass die R. ohne Fallschirm – bis 200 m Höhe sich mehrmals überschlagend – aus 1 000 m Höhe zu Boden stürzte und sofort tödlich verunglückte.
Beobachter vom Boden und von der Maschine aus geben an, dass die R. keinerlei Bewegungen unternahm, die Fallschirme (Hauptschirm und Rettungsschirm) zu betätigen. Untersuchungen ergaben, dass beide Abzugsleinen nicht ausgezogen waren, sodass die Fallschirme nicht zur Entfaltung gelangen konnten. Es wurde jedoch einwandfrei ermittelt, dass sich die Fallschirme in einwandfreiem technischen Zustand befanden und entsprechend der Packvorschrift des Fallschirmtyps richtig gepackt waren.
Die Verunglückte benutzte allerdings zu diesem Sprung keinen Sprungautomaten. Während in der DDR die Verwendung eines Sprungautomaten, der den Fallschirm bei Versagen des Sportlers in einer bestimmten Höhe selbsttätig öffnet, gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht in Österreich darüber keine gesetzliche Grundlage.
Die österreichischen Sportler hatten sämtlich in gegenseitiger Übereinstimmung nach dem Austausch der Fallschirme während des Freundschaftsspringens die Sprungautomaten ausgebaut bzw. außer Betrieb gesetzt. Bei Verwendung des Sprungautomaten hätte der Unfall mit tödlichem Ausgang vermieden werden können.
Nach Aussagen des Arztes der österreichischen Mannschaft war die Reinitzer vor dem Sprung im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte und litt unter keinerlei seelischen Depressionen. Die gesamte Mannschaft hatte Mittagsruhe gehalten und auch keine alkoholischen Getränke zu sich genommen.
Die bisherigen Untersuchungen lassen die Schlussfolgerung zu, dass der Unfall nicht auf technische Ursachen, sondern auf das menschliche Versagen der R. zurückzuführen ist. Diese Meinung vertraten auch alle Befragten der österreichischen Mannschaft. Die genauen Ursachen des Vorkommnisses können jedoch erst analysiert werden, wenn das Ergebnis der Sektion aus dem gerichtsmedizinischen Institut Berlin vorliegt.
Die weiteren Untersuchungen des Vorkommnisses führt eine Expertenkommission, die sich aus Vertretern der Hauptverwaltung der zivilen Luftfahrt, der Prüfstelle der Luftfahrgeräte, des Zentralvorstandes der GST und – auf Ersuchen des Generalstabes der zivilen Luftfahrt Österreichs – aus dem Delegationsleiter der österreichischen Mannschaft und dem österreichischen Sprungarzt zusammensetzt.