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Ursachen der Viehverluste in der Landwirtschaft der DDR

15. Februar 1964
Einzelinformation Nr. 112/64 über einige Ursachen der Viehverluste in der Landwirtschaft der DDR

[Faksimile von Blatt 1 mit Verteiler]

Das MfS sieht sich im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf den VIII. Deutschen Bauernkongresses1 veranlasst, auf der Grundlage der uns vorliegenden Informationen auf einige Ursachen für die noch immer sehr hohen Viehverluste in der DDR hinzuweisen. Obwohl es im Jahre 1963 gelang, die Verluste unter die des Jahres 1960 zu senken (ausgenommen Kälber), liegen diese – verglichen mit den durchschnittlichen Gesamtviehbeständen – immer noch wesentlich zu hoch. Hierzu einige Zahlen über die in den letzten Jahren eingetretenen Viehverluste:

[Tiere]

1961

1962

1963

Rinder insgesamt

269 119

242 169

214 755

davon Kälber

173 117

159 403

151 333

Schweine insgesamt

1 814 032

1 799 961

1 564 128

davon Ferkel

1 174 140

1 200 362

1 134 292

Schafe

119 017

150 553

85 798

Das ergibt bei den Rindern im Jahre 1963 einen Verlust von 4,7 % des Gesamtbestandes; im Jahre 1962 lag diese Zahl noch bei 5,3 %.

In den Bezirken Leipzig (6,7 %), Frankfurt/O. (6,1 %), Neubrandenburg (5,7 %), Erfurt (5,6 %), Schwerin (5,4 %) und Potsdam (5,1 %) liegen die Verluste allerdings höher als der DDR-Durchschnitt.

Bei Schweinen betrugen die Verluste 1963 18,6 % des durchschnittlichen Gesamtbestandes (1962: 23,3 %). Höhere Verluste verzeichnen hier die Bezirke Potsdam (22,9 %), Frankfurt/O. (22,0 %), Neubrandenburg (21,7 %), Rostock (21,2 %), Halle (20,4 %) und Magdeburg (19,0 %). (Die in diesem Bericht angeführten Gesamtzahlen liegen zum Teil noch etwas höher, weil sich in der Praxis zeigt, dass eine ganze Anzahl von Tierverlusten durch das Pflegepersonal nicht gemeldet wird, um keine Prämieneinbußen zu erleiden.)

Dem MfS vorliegende Hinweise auf die Ursachen der Viehverendungen lassen erkennen, dass in vielen landwirtschaftlichen Betrieben – LPG als auch VEG – eine ungenügende Durchsetzung der zur Senkung von Viehverlusten gegebenen Richtlinien und Anregungen erfolgt. Hinzu kommt, dass in einer ganzen Anzahl von Bezirken und Kreisen die landwirtschaftlichen Betriebe keine systematische und nutzbringende Unterstützung durch die jeweiligen Produktionsleitungen erhalten.

Begünstigt durch ungenügende Anleitung und Kontrolle seitens der LPG-Vorstände zeigen sich unter den in der Viehwirtschaft tätigen Personen teilweise Oberflächlichkeit und Interesselosigkeit und [es] werden falsche Pflege- und Haltungsmethoden angewandt. Das führt in größerem Umfange zu durchaus vermeidbaren Viehverlusten. Diese Mängel in der Leitungstätigkeit der LPG-Vorstände verbinden sich noch mit einer ungenügenden Durchsetzung der innergenossenschaftlichen Demokratie, den gesamten Problemen der ungenügenden Anwendung des Prinzips der materiellen Interessiertheit und der noch weit verbreiteten Duldung der Nichteinhaltung von Stall- und Betriebsordnungen.

Viele Vorstände der LPG und Leiter von VEG haben keine konkrete Übersicht über tatsächliche Viehverluste und demzufolge auch keine genauen Vorstellungen über ihre Bekämpfung. Wertvolle Hinweise von Tierärzten werden oftmals nicht beachtet. Sehr oft stellen aber auch Mängel und Missstände im ländlichen Bauwesen ernste Ursachen für Tierverluste dar. Durch mangelnde Eigeninitiative und Schlamperei werden die vorhandenen Möglichkeiten zur Beseitigung derartiger Mängel und Missstände nur ungenügend genutzt. Das betrifft auch die rechtzeitige Winterfestmachung der Ställe, die in der Regel ohne großen Aufwand durchführbar ist.

Vorhandene Reserven an Stallräumen werden – obwohl Stallkapazitäten fehlen – nicht immer benutzt. Dabei ließen sich sowohl die Kapazitäten als auch die Haltungsbedingungen in vielen Fällen ohne größere Investitionen verbessern.

Eine wesentliche Ursache für die noch immer hohen Viehverluste ist die mangelnde Durchsetzung der Forderung der Partei, Fachkräfte, qualifizierte Viehpfleger und besonders Frauen zur Arbeit in der Viehzucht zu gewinnen. Die auf ungenügende Fütterung, Haltung und Pflege der Tiere zurückzuführenden Verluste treten besonders in solchen Betrieben auf, die derartige Kräfte bisher ungenügend gewonnen und eingesetzt haben. In vielen Fällen ist jedoch schon die vom Vorstand mangelhaft durchgeführte Futterplanung Ursache für die falsche Fütterung und für daraufhin eintretende Verluste.

Wie in den Vorjahren gab es auch 1963 wieder Verluste aufgrund von Futtermangel. Dabei wird oft nicht erkannt und berücksichtigt, dass die ungenügende Futterproduktion subjektive Ursachen hat, die meist im eigenen Betrieb zu suchen sind. Es wird häufig nicht erkannt und beachtet, dass die wesentlichsten Voraussetzungen zur Überwindung derartiger Mängel und zur erhöhten Fleischproduktion die Hebung der Bodenfruchtbarkeit, gute Bodenbearbeitung und Düngung sind.

In diesem Zusammenhang tritt immer noch häufig das »Argument« von den zu hohen Viehbeständen auf, die an die jeweiligen Futterreserven »angepasst« werden müssten. Da solche Meinungen auch von Agrarwissenschaftlern und Veterinären vertreten werden, resultieren auch daraus die z. T. ungenügenden Anstrengungen, die Futterproduktion zu steigern und die Viehbestände zu erhöhen.

Trotzdem von zentralen Stellen wiederholt darauf hingewiesen wurde, Rückkehrer und Zuwanderer nicht mehr in der Viehwirtschaft einzusetzen, werden diese Hinweise ebenfalls noch ungenügend beachtet. Beim Einsatz derartiger Kräfte in der Landwirtschaft müsste aufgrund bestimmter Erfahrungen überhaupt weitaus gründlicher und individueller entschieden werden. (Das gleiche trifft für vorbestrafte und asoziale Elemente zu.)

In der letzten Zeit häufen sich die Fälle, dass Vieh aufgrund von Eiweiß- oder Harnstoffvergiftungen verendete. Die Ursachen sind vorwiegend in der mangelnden Qualifikation der Viehpfleger bzw. der ungenügenden Anleitung in Bezug auf die Verwendung von Eiweiß- und Harnstofffutter zu suchen. Unabhängig von der laufenden Qualifizierung der in der Viehwirtschaft tätigen Personen sollte deshalb seitens der Hersteller stärker Wert darauf gelegt werden, dem Futter konkrete, verständliche Anleitungen über die Verwendung beizufügen.

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    17. Februar 1964
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    Februar 1964
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