Ursachen des Brandes im Leuna-Werk »Walter Ulbricht«
27. Januar 1964
Einzelinformation Nr. 68/64 über die Ursachen des Brandes vom 21. Januar 1964 im VEB Leuna-Werk »Walter Ulbricht«
In den Mittagsstunden des 21.1.1964 brannte der Bau 936 (Gasbenzin-Anlage) im VEB Leuna-Werk »Walter Ulbricht«.
Nach den vorliegenden Einschätzungen beträgt die Schadenssumme rd. 180 000 DM. Der Produktionsausfall je Tag umfasst 150 t Gasbenzin und 10 t Hochdruckpolyäthylen (100 TDM).
Die Gasbenzin-Anlage wird voraussichtlich 30 Tage nicht produzieren können. Es wird jedoch versucht, Teilanlagen vorzeitig wieder in Betrieb zu nehmen.
Die durch das MfS im Zusammenwirken mit anderen Untersuchungsorganen eingeleiteten Ermittlungen haben zu folgenden Ergebnissen geführt: Durch fahrlässiges und routinemäßiges Verhalten des verantwortlichen Meisters [Name 1] – übt die Funktion eines Brandschutzverantwortlichen und Sicherheitsmeisters aus – konnte es zum Ausbruch dieses folgenschweren Brandes kommen.
[Name 1] genehmigte die Durchführung von Schweißarbeiten ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen (Schweißschein C) für die Dauer von 6 Tagen an der Anlage 936 a (eine solche Pauschalgenehmigung für 6 Tage ist nach den entsprechenden Vorschriften – Schweißschein C – unstatthaft). Obwohl für dieses Objekt bei Durchführung von Reparaturen u. Ä. unter Zuhilfenahme von Schweißarbeiten stets besondere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind, genehmigte [Name 1] die Schweißarbeiten mit dem Hinweis, der Betriebsteil sei seit Mai 1963 stillgelegt und stehe unter Stickstoff.
Am 20.1. und 21.1.1964 wurden von einem Schweißer und einer Hilfskraft der Privatfirma Rothenmühle, Halle, die Schweißarbeiten verrichtet. Am 21.1.1964 schweißte der Schweißer [Name 2] in 4 m Höhe Schrauben und -köpfe eines Gitters ab. Dabei fielen Funken in einen darunter befindlichen, mit Gitterrosten abgedeckten Abschlämmkanal. Ein darin befindliches leicht brennbares Gemisch fing sofort Feuer, breitete sich schnell aus und leitete das Feuer auf den Bau 936 über. Heraustropfendes Gasbenzin aus der Gasbenzinanlage begünstigte die Ausdehnung des Brandes auf die gesamte Anlage.
Der Abschlämmkanal verbindet den Bau 936 und 936a und dient der Abführung der Tropfwasser (Gasbenzin, Natronlauge usw.) und des Regenwassers zu einer Pumpe.
Durch den Meister [Name 1] wurden der Schweißer und seine Hilfskraft lediglich darauf hingewiesen, im Betrieb nicht zu rauchen und entsprechend vorsichtig beim Betreten der Holzgerüste zu sein.
Ein Pumpenwärter erhielt außerdem von [Name 1] die Anweisung, in bestimmten zeitlichen Abständen die Holzgerüste zu kontrollieren.
[Name 1] hat sich nicht ordnungsgemäß davon überzeugt, welche technischen Sicherheitsvorkehrungen an der Reparaturstelle notwendigerweise hätten eingeleitet werden müssen. Er ist seit 1934 im Leuna-Werk beschäftigt und gilt als guter Arbeiter. Er ist parteilos.