Verbindungen von Funktionären der FDP zu Professor Dieckmann
27. August 1964
Einzelinformation Nr. 701/64 über Verbindungen von Funktionären der FDP und anderen politischen Kreisen Westdeutschlands und Westberlins zu Prof. Dieckmann
Dem MfS liegt eine Reihe von internen Hinweisen aus FDP- und anderen politischen Kreisen Westdeutschlands und Westberlins über Verbindungen zu dem Präsidenten der Volkskammer Prof. Dieckmann1 vor. Daraus ist ersichtlich, dass seit den Gesprächen zwischen der LDP und FDP in Weimar (1956)2 wiederholt FDP-Funktionäre an Prof. Dieckmann zwecks Kontaktaufnahme herangetreten sind bzw. dass derartige Kreise entsprechende Verbindungen zu Prof. Dieckmann unterhalten. Besonders die sogenannten Ost-West-Gespräche der LDPD während der Leipziger Messen wurden zur Kontaktaufnahme genutzt. So besteht z. B. seit etwa 1960 Kontakt zwischen dem Stellvertretenden LSD-Landesvorsitzenden Hessen (Liberaler Studentenbund Deutschlands) und Vorsitzenden der LSD-Gruppe Marburg, Klaus Horn,3 Marburg (FDP-Mitglied), und Prof. Dieckmann.
Horn nahm wiederholt an den von Prof. Dieckmann geführten sogenannten Ost-West-Gesprächen der LDPD anlässlich der Leipziger Messen teil. H. ist Initiator des Auftretens von Prof. Dieckmann in Marburg 19614 und nahm 1962 auch am Nationalkongress teil, wo er als Diskussionsredner auftrat. Im Januar 1964 wandte sich Horn nach eigenen Angaben mit Vorschlägen für die Lösung der nationalen Frage brieflich an Prof. Dieckmann. (In zurückliegenden Gesprächen mit Prof. Dieckmann hat sich Horn u. a. auch für Einzelheiten über die Verhaftung des »Ostreferenten« des Liberalen Internationalen Studentenbundes Konecki interessiert, der wegen Spionage für den Bundesnachrichtendienst und amerikanischen Geheimdienst von einem Gericht der ČSSR zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.)
Anlässlich des 25. Ost-West-Gespräches zur Frühjahrsmesse 1964 traf Horn, begleitet von dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der FDP Nordrhein-Westfalen und der Jungdemokraten Dr. Kellner, Lothar5 (Staatsrechtler, Hessen) und anderen Funktionären und Mitgliedern der FDP, erneut mit Prof. Dieckmann zusammen (Dr. Kellner ist Anfang Juli 1964 einem schweren Verkehrsunfall erlegen).
Nach uns vorliegenden internen Hinweisen hatte Horn auch guten Kontakt zu dem inzwischen ebenfalls verstorbenen Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP Döring.6 Weitere Beziehungen bestehen u. a. zu dem ehemaligen FDP-Bundesgeschäftsführer Flach,7 jetzt Innenpolitischer Ressortleiter der »Frankfurter Allgemeinen«.8 Dr. Kellner war der Initiator des Antrages der Jungdemokraten zur Deutschlandfrage, der auf dem FDP-Bundesparteitag 1963 in München angenommen wurde und der eine Lösung der Deutschlandfrage nur im gesamteuropäischen Rahmen vorsieht. Dr. Kellner hatte u. a. engen Kontakt zu dem ehemaligen Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP und jetzigen FDP-Bundesvorstandsmitglied Dr. Achenbach.9
Aus Kreisen des Westberliner Landesverbandes der FDP wurde intern bekannt, dass Prof. Dieckmann Ende 1963 oder Anfang 1964 ein Schreiben an den Vizepräsidenten des Bundestages Dehler10 gerichtet hat, in dem er ihm eine Zusammenkunft in der Hauptstadt der DDR oder an einem anderen Ort vorgeschlagen hat. Dieser Brief sei über führende Funktionäre des Landesverbandes der FDP (Namen sind nicht bekannt) Dehler zugeleitet worden. Von Westberliner FDP-Funktionären wurde dazu erklärt, sie vertreten die Auffassung, dass Dehler den Vorschlag Prof. Dieckmanns annehmen und sich zu einem Treffen mit ihm an einem neutralen Ort, eventuell in Holland, entschließen sollte.
Nach weiteren zuverlässigen Informationen unterhält auch der Westberliner Kaufmann [Name, Vorname], Berlin-Grunewald, [Straße, Nr.], langjährige persönliche und familiäre Beziehungen zu Prof. Dieckmann. [Name] ist regelmäßiger Teilnehmer der sogenannten Ost-West-Gespräche der LDPD anlässlich der Leipziger Messen, hat als Gast an Parteitagen der LDPD teilgenommen und trifft häufig mit Prof. Dieckmann zusammen, darunter auch in der Privatwohnung von Prof. Dieckmann. (Zur Charakterisierung dieser Verbindung ist noch bemerkenswert, dass [Name] für Prof. Dieckmann Dinge des persönlichen Bedarfs in Westberlin beschafft.) [Name] unterhält umfangreiche geschäftliche Verbindungen zur DIA Nahrung (als hauptsächlicher Vertreter der Bremer Fischindustrie), zu Zentralcommerz und zum Außenhandelsunternehmen Chemieausrüstungen (als Vertreter der US-Firma Elexo-Corp.). Seine Geschäfte mit der DDR werden als umfangreich und korrekt eingeschätzt.
Wiederholt wurde bei den Geschäftsverhandlungen festgestellt, dass [Name] auf seine guten Beziehungen mit Prof. Dieckmann anspielte. In Einzelfällen hat Prof. Dieckmann bei auftretenden Schwierigkeiten bei Verhandlungen aktiven Einfluss auf unsere Außenhandelsunternehmen genommen, um den Vertragsabschluss mit [Name] zu sichern. Nach Angaben von [Name] sei er durch Prof. Dieckmann auch über den Stand in Vorbereitung befindlicher Abschlüsse unterrichtet worden.
Wie dem MfS weiter bekannt wurde, hatte am 13.4.1964 der Delegierte des Internationalen Roten Kreuzes Georg Beckh11 eine Zusammenkunft mit Prof. Dieckmann. Diese Zusammenkunft ist nach vorliegenden Angaben von Dompropst12 Endres, Berlin, vermittelt worden, der mit Prof. Dieckmann bekannt ist. Sie fand zwei Tage nach einem Gespräch Beckhs mit Erzbischof Bengsch13 statt. Die Unterhaltung hat nach Äußerungen Beckhs nicht in den Diensträumen Prof. Dieckmanns stattgefunden. Gegenstand der Unterredung war nach vorliegenden Angaben die Zulassung von Rechtsanwälten aus der Hauptstadt der DDR in Westberlin und die Zulassung von Westberliner Rechtsanwälten an Gerichten der Hauptstadt der DDR. (In der gleichen Frage soll Beckh auch mit Prof. Kaul14 gesprochen haben.)
Anfang August versuchte der westdeutsche Historiker Dr. Arno Peters15 München-Solln, [Straße, Nr.], Kontakt mit Prof. Dieckmann aufzunehmen. Peters hatte der Presse einen sogenannten Reparationsausgleichsplan übergeben,16 der vorsieht, dass die westdeutsche Bundesrepublik zur Erhöhung des Lebensstandards in der DDR einen erheblichen Teil der Reparationen erstattet, die die DDR an die Sowjetunion gezahlt hat. Die dadurch bedingte Erhöhung des Lebensstandards in der DDR soll die Sicherungsmaßnahmen an der Grenze überflüssig machen.
Peters übergab diesen Plan an Vizekanzler Mende17 und versuchte, unter Missbrauch seiner Mutter Lucie Peters, geboren 1888, wohnhaft Berlin-Pankow, einer zuverlässigen Genossin, eine Zusammenkunft mit Prof. Dieckmann zu arrangieren. Eine für den 8.8.1964, 11.00 Uhr, mit Prof. Dieckmann vereinbarte Aussprache wurde aus nicht bekannten Gründen auf Weisung Prof. Dieckmanns von seinem Sekretariat abgesetzt. (Peters bemühte sich auch um Aussprachen mit Genossen Ulbricht, Genossen Reimann,18 Mitarbeitern des MfAA, wo er am 7.8. seinen Plan für Botschafter Jahn19 abgegeben hat, und traf am 8.8.1964 in der Wohnung seiner Mutter mit Prof. Havemann20 zusammen.)21 (Der Plan von Peters liegt vor und kann im Bedarfsfalle zugestellt werden.)