Verhalten des Leiters der BdVP Potsdam
11. November 1964
Einzelinformation Nr. 1003/64 über das Verhalten des Leiters der BdVP Potsdam, Genosse Oberst Münchow
Dem MfS wurde bekannt, dass Oberst Münchow1 seit ungefähr Juli 1963 ein außereheliches Verhältnis mit der Krankenschwester [Vorname Name 1], geboren [Tag, Monat] 1944, wohnhaft Königs Wusterhausen, [Straße, Nr.] bei ihren Eltern, (ihr Vater ist Angehöriger der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion) hat.
Oberst Münchow lernte die [Name 1] kennen, als er ihr in ihrer Wohnung einige Sachprämien der BdVP überreichte. ([Name 1] hatte während einer Übung der Bereitschaftspolizei im Juni 1963 einen Offizier der Bereitschaftspolizei, der bei Löscharbeiten Rauchvergiftungen erlitt, wiederbelebt.) Danach entwickelte sich zwischen Oberst M. und der [Name 1] ein intimes Verhältnis. Oberst M. wiederholte seine Besuche bei der [Name 1], nahm sie übers Wochenende öfter mit zur Jagd, verbrachte Zusammenkünfte mit ihr in seiner Wochenendlaube in der Nähe von Ferch, [Kreis] Königs Wusterhausen, und holte sie auch bei Abwesenheit seiner Ehefrau in seine Wohnung. Letzteres geschah z. B. am 29.8.1964, als sich seine Ehefrau auf einer Hochzeitsfeier in Rostock befand. (Die Tatsache von Zusammenkünften in der Wochenendlaube des M. und dort veranstalteter »Orgien« ist nicht nur in unmittelbarer Umgebung des Wochenendgrundstückes bekannt.) Diese Fahrten wurden in der Regel mit dem Dienstwagen und dem Fahrer von Oberst M. durchgeführt. Außerdem ließ Oberst M. die [Name 1] einige Male von Königs Wusterhausen nach Potsdam, wo sie studiert, fahren. Er machte ihr ständig Geschenke, u. a. Kleidungsstücke, Unterwäsche, Schuhe, eine Uhr und Geldbeträge. Nach Angaben der Eltern der [Name 1] habe Oberst M. nicht nur erklärt, dass er geschieden sei, sondern auch, dass er ihre Tochter heiraten wolle. Sie hätten bereits über den ungefähren Heiratstermin gesprochen.
Die [Name 1] andererseits habe Oberst M. während seines Kuraufenthaltes besucht und der neunjährige Sohn des M. sei zwei bis drei Wochen bei der Familie [Name 1] untergebracht gewesen. Ferner liegen Hinweise vor, dass Oberst M. die bereits erwähnte Wochenendlaube ausschließlich aus VP-eigenem Material und durch VP-Angehörige im Jahre 1962 aufbauen ließ. Die Materialfreigabe sei durch Genosse Major [Name 2] von der BdVP angewiesen worden.
Außerdem habe Oberst M. im Zuchthaus Brandenburg unentgeltlich zwei Boote für sich anfertigen lassen, von denen er eines, angeblich weil es ihm nicht genug erschien, seinem Stellvertreter Oberstleutnant Kühling2 gegen eine Scheinquittung über 150 MDN überließ.
Die vorstehenden Hinweise werden ausnahmslos bestätigt durch den Fahrer des Oberst M., Genossen [Name 3], und – was die Angaben zu dem außerehelichen Verhältnis betrifft – auch von dem Lageoffizier3 im VPKA Königs Wusterhausen Unterleutnant [Name 4], der in unmittelbarer Nachbarschaft von Familie [Name 1] wohnt und von dieser Familie diese Hinweise gesprächsweise erfahren hat. [Name 3] erklärte außerdem, Oberst M. habe mit einigen Offizieren der Armee im Kreis Rathenow an öffentlichen »Orgien und Trinkereien« mit zwei Frauen teilgenommen, was zu einer Beschwerde seitens des Unterleutnants [Name 5] aus Rathenow geführt habe. Oberst M. habe dieses Beschwerdeschreiben in seinem Wagen mit dem Hinweis liegengelassen, diese Beschwerde sei niedergeschlagen und er, der Fahrer, solle dieses Schreiben vernichten, was er jedoch nicht tat. Genosse [Name 3] machte darauf aufmerksam, dass er das Verhalten Oberst M. nicht mehr mit seinem politischen Gewissen vereinbaren könne und sich deshalb mit dem Gedanken trägt, aus der VP auszuscheiden, weil er ihn nicht offen kritisieren könne, ohne »in Bau« zu gehen. Oberst M. halte alle Fäden so in der Hand, dass keiner etwas sagen könne. Zum Beispiel kenne er, [Name 3], ein Beispiel, wo ein Genosse aus dem Kreisgebiet Oranienburg eingesperrt wurde, weil er etwas gegen M. verlauten ließ, obwohl diese Behauptungen den Tatsachen entsprochen hätten, wie er selbst bezeugen könne. [Name 3] wisse auch, dass M. gegenwärtig versuche, seinen Stellvertreter Oberstleutnant Kühling auszubooten, weil er angeblich Chef der BdVP werden sollte. Ebenfalls würde er gegen den Abteilungsleiter Sicherheit bei der Bezirksleitung der SED intrigieren. Es sei nach Auffassung [Name 3] auch zu erwarten, dass diejenigen Genossen aus der BdVP, die einiges über M. wissen – z. B. Leutnant [Name 6] von der Abteilung S/VK und Major [Name 7] – in der nächsten Zeit versetzt würden. Zur Charakterisierung M. führte [Name 3] noch an, dass der Adjutant von Oberst M., Hauptmann [Name 8], die Hauptaufgabe habe, rein persönliche Dinge des M. zu erledigen, und dass jeden Tag von der BdVP Mittagessen zur Frau des Genossen Oberst Münchow gefahren werden müsse.
Während der Fahrer [Name 3] diese Angaben mitteilte (er hätte sogar in Betracht gezogen, darüber einen anonymen Brief an den Minister des Innern zu richten), erstattete der bereits genannte Lageoffizier Unterleutnant [Name 4] über die ihm bekannt gewordenen außerehelichen Beziehungen des Oberst M. Meldung an den Leiter des VPKA Königs Wusterhausen, Major [Name 9], der ihm auch eine Klärung dieser Angelegenheit versprach, ihn aber zum Stillschweigen aufforderte. Wen [Name 9] darüber in der BdVP informiert hat, ist nicht bekannt. Kurze Zeit danach erklärte Major [Name 9] dem [Name 4] jedoch, dass diese Beschuldigungen nicht der Wahrheit entsprechen und Oberst Münchow im Krankenhaus liege. Von dem ebenfalls kurze Zeit später auf dem VPKA Königs Wusterhausen eintreffenden Oberstleutnant Ballschmieter4 erhielt Unterleutnant [Name 4] die Auskunft, dass die ganze Angelegenheit geklärt sei.5 Im Übrigen sei seine Wachsamkeit gut gewesen, aber er solle nun nicht mehr darüber sprechen. Der Genosse Unterleutnant [Name 4] ist jedoch nach wie vor der Meinung, dass hier einiges vertuscht und bagatellisiert wurde.
Hinweise zum Verhalten Oberst Münchows wurden dem 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED Potsdam Genossen Wittig6 vom MfS übergeben.