Verhinderung eines Grenzdurchbruchs in Gera (1)
14. April 1964
Einzelinformation Nr. 309/64 über Verhinderung eines geplanten Grenzdurchbruches im Bezirk Gera
In der Nacht vom 9. zum 10.4.1964 drang der [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1940 in Zweibrücken, wohnhaft Gera, [Straße, Nr.], zzt. ohne Beschäftigung, in die unbewachte Waffenkammer des NVA-Objektes Gera, Leninstraße, ein und entwendete eine Maschinenpistole vom Typ Kalaschnikow, einen Karabiner S und ca. 200 Schuss dazugehöriger Munition. Anschließend erbrach er noch den Küchenraum des gleichen Objektes und stahl eine kleine Geldsumme. (Dem [Name 1] ist das NVA-Objekt gut bekannt, da er dort als Strafgefangener für Hilfsarbeiten eingesetzt war.)
Beim Verlassen des Objektes löste sich aus bisher noch ungeklärten Gründen ein Schuss aus dem Karabiner, worauf [Name 1] höchst wahrscheinlich die MPi und etwas Munition wegwarf. [Name 1] begab sich anschließend zum in unmittelbarer Nähe liegenden Betriebsgelände des VEB Textilbedarf Gera. Der anwesende Pförtner dieses Betriebes hatte den Schuss gehört und suchte daraufhin das Gelände ab. Dabei stieß er auf [Name 1], dem er im Verlaufe eines Handgemenges die Waffe entriss. Bei dieser tätlichen Auseinandersetzung lösten sich wiederum zwei Schüsse, die den [Name 1] am Oberarm trafen. [Name 1] wurde in das Bezirkskrankenhaus Gera eingeliefert und operiert. (Infolge des hohen Blutverlustes ist [Name 1] noch nicht vernehmungsfähig.)
Die vom MfS zu diesem Vorkommnis eingeleitete Untersuchung ergab bisher Folgendes: [Name 1] kam 1960 aus Westdeutschland in die DDR und wurde als Maschinenformer an die Firma MAFA Wurzen vermittelt. Bis 1961 wechselte er in Wurzen mehrmals die Arbeitsstelle und versuchte wiederholt, die Staatsgrenze West illegal zu überschreiten. Aufgrund dieser Delikte saß [Name 1] vom 27.10.1961 bis 7.2.1964 im Haftarbeitslager Gera-Liebschwitz ein. Nach seiner Entlassung arbeitete er einige Wochen in Gera, wurde aber am 6.3.1964 wegen eines Gelddiebstahls in Jena erneut festgenommen und in die Strafvollzugsanstalt Gera eingeliefert, von wo er am 3.4.1964 entlassen wurde. Bis zu seiner Straftat am 10.4.1964 hatte er noch keine Arbeit wieder aufgenommen.
Wie weiter festgestellt wurde, plante [Name 1] mit dem [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1938 in Scheidlingen, wohnhaft Gera , [Straße, Nr.], beschäftigt als Transportarbeiter im VEB Kühlbetrieb Gera, die Staatsgrenze in Richtung Westdeutschland zu durchbrechen. Im Gespräch mit einer dritten Person hatten beide zum Ausdruck gebracht, dass sie »nicht mit leeren Händen« nach dem Westen gingen. Auch würden sie sich gar nicht erst auf eine Schlägerei mit den Grenzsoldaten einlassen, sie hätten »etwas Besseres« vor (dies bezog sich offensichtlich auf die Beschaffung der Waffen). Aufgrund dieser Zeugenaussage wurde die Festnahme des [Name 2] verfügt und Haftbefehl gegen ihn und [Name 1] erlassen.
Nach Sicherstellung der gestohlenen Waffen und Munition wurden vom MfS gemeinsam mit der Bezirksleitung der Partei sofort Maßnahmen zur besseren Sicherung des NVA-Objektes eingeleitet.