Verlauf des 2. Passierscheinabkommens (17)
27. Oktober 1964
17. Bericht Nr. 949/64 über den Verlauf des 2. Passierscheinabkommens
Am 24.10.1964 wurden insgesamt 54 995 Passierscheine, davon 19 431 für den 1. und 35 564 für den 2. Besuchszeitraum mit nach Westberlin genommen.1
Ausgegeben wurden 42 389 Passierscheine (14 969 für den 1. und 27 420 für den 2. Besuchszeitraum), während 12 606 Passierscheine (4 462 für den 1. und 8 144 für den 2. Besuchszeitraum) von den Westberliner Antragstellern nicht abgeholt wurden bzw. ein Teil zur Ergänzung und Veränderung wieder mit zurückgenommen werden musste.
Am 26.10.1964 wurden insgesamt 87 728 Passierscheine, davon 31 624 für den 1. und 56 104 für den 2. Besuchszeitraum mit nach Westberlin genommen.
Ausgegeben wurden 76 726 Passierscheine (27 795 für den 1. und 48 931 für den 2. Besuchszeitraum), während 11 002 Passierscheine (3 829 für den 1. und 7 173 für den 2. Besuchszeitraum) von den Westberliner Antragstellern nicht abgeholt wurden bzw. ein Teil zur Ergänzung und Veränderung wieder mit zurückgenommen werden musste.
Damit wurden seit dem 16.10.1964 insgesamt 855 691 Passierscheine (davon 306 977 für den 1. und 548 714 für den 2. Besuchszeitraum) ausgegeben.
Am 24. und 26.10.1964 wurden alle Passierscheinempfänger ohne größere Wartezeiten abgefertigt. Der Arbeitsablauf erfolgte reibungslos, ohne dass es zu größeren Pausen oder Stauungen kam. Während der überwiegende Teil der Westberliner Bürger sich für die reibungslose Abfertigung bei unseren Angestellten bedankte, äußerten wiederum einige Abholer sich ungehalten darüber, dass das beantragte Kfz nicht genehmigt worden war, obwohl sie ihren Besuch entsprechend unserer Orientierung auf einen weniger ausgelasteten Besuchstag verlegten. In Einzelfällen wurden die Passierscheine z. T. zerrissen zurückgereicht.
In einigen Passierscheinstellen erschienen Westberliner Bürger, die nachträglich Anträge auf Passierscheine stellen wollten, weil sie zurzeit der Antragsausgabe nicht in Berlin weilten. Sie beriefen sich dabei oftmals auf angebliche Informationen aus der Westpresse, wonach diese Möglichkeit noch bestünde. Diese Personen wurden unter Hinweis auf die Vereinbarungen lt. Protokoll zurückgewiesen.
In den Passierscheinstellen Tempelhof und Charlottenburg erschienen wiederum Betriebsräte, die die Passierscheine für ihre Belegschaftsangehörigen geschlossen abholen wollten, wobei der Betriebsrat vom »Kaufhaus des Westens« unseren Angestellten einzureden versuchte, dass in anderen Passierscheinstellen den Betriebsräten ebenfalls die Passierscheine geschlossen ausgehändigt würden. Alle Betriebsräte wurden unter Hinweis auf das Protokoll zurückgeschickt.
Im Verhalten der westlichen Einsatzkräfte gab es gegenüber den Vortagen keine wesentlichen Veränderungen. In allen Passierscheinstellen befassten sich die Westkräfte weiterhin hauptsächlich mit der statistischen Erfassung der Passierscheinabholer, wobei die Strichlisten im Allgemeinen nur äußerst nachlässig geführt wurden.
Wie an den Vortagen wurden die Westberliner Bürger nach Verlassen des Abfertigungsraumes durch Angestellte des Westberliner Senats befragt, wobei sie sich hauptsächlich für Ablehnungen bzw. Veränderungen auf den Passierscheinen interessierten. Nach wie vor wiesen sie Passierscheininhaber darauf hin, ihre Scheine nochmals zu überprüfen und sie eventuell entsprechend ihren Wünschen (Übergang KPP, Pkw usw.) durch unsere Angestellten ändern zu lassen. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass in mehreren Passierscheinstellen wiederum Westberliner Bürger vorsprachen, die ihren Passierschein bereits vor einigen Tagen erhalten haben und die nun Wünsche zur Änderung betreffend KPP usw. vorbrachten. Offensichtlich wurden diese Personen durch Falschinformationen bzw. Zweckmeldungen der Westpresse dazu verleitet. In der Passierscheinstelle Reinickendorf/Scharnweber Straße beeinflusste ein West-Angestellter die Passierscheinempfänger, nicht mit der S-Bahn zu fahren, weil dadurch »der Osten erheblich verdienen würde«. Er orientierte dahingehend, zur Anfahrt der KPP die Verkehrsmittel der West-BVG zu benutzen.
An der schlechten Arbeitsmoral der Westberliner Einsatzkräfte hat sich nichts verändert. Sie erfüllen ihre Aufgaben zumeist lustlos und nachlässig und verbringen die Zeit mit Skat- oder Schachspielen. In der Passierscheinstelle Reinickendorf/Scharnweber Straße wurden am 24.10.1964 von den Senatsangestellten wiederum größere Mengen Alkohol getrunken, sodass einige sich in einem stark angetrunkenen Zustand befanden. Am 26.10.1964 waren in der Passierscheinstelle Reinickendorf/Thurgauer Straße ähnliche Erscheinungen zu verzeichnen. Zu Provokationen oder Störungen im Arbeitsablauf kam es dabei jedoch nicht.
Lediglich in zwei Fällen versuchten die West-Angestellten, sich in den Arbeitsablauf einzuschalten. So versuchte in der Passierscheinstelle Wedding/Müllerstraße der Senats-Vertreter [Name] zweimal Passierscheine aus den Kästen zu nehmen, um sich zu informieren. In der Passierscheinstelle Charlottenburg/Joachimsthaler Straße versuchte ebenfalls ein Westberliner Angestellter, Passierscheine aus den Karteikästen herauszunehmen. Dies wurde in beiden Fällen energisch unterbunden.
Am 24.10.1964 weilte der Bezirks-Bürgermeister von Kreuzberg, Abendroth2 für kurze Zeit in der Passierscheinstelle Urbanstraße, wo er sich über den Arbeitsablauf informierte.
In der Passierscheinstelle für dringende Familienangelegenheiten in Wilmersdorf wurden am 24.10.1964 für besonders dringende Fälle sechs und am 26.10.1964 zwei Passierscheine sofort ausgestellt. Dazu äußerte am 24.10.1964 der Leiter der Westberliner Postangestellten, dass er über diese Verbesserung und unbürokratische Abfertigung bei außergewöhnlichen Familienfällen nicht offiziell seitens des Westberliner Senats informiert worden sei. Er habe jedoch darüber in der Westberliner Presse gelesen und dagegen keinerlei Einwände.