Verlauf des 2. Passierscheinabkommens (21)
5. November 1964
21. Bericht Nr. 987/64 über den Verlauf des 2. Passierscheinabkommens
Der Besucherverkehr1 über die KPP an der Staatsgrenze in Berlin verlief in der Zeit vom 2.11. bis 4.11.1964 wie folgt:
[Besuchsverkehr] | 2.11. | 3.11. | 4.11. |
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Aufgrund der ausgegebenen Passierscheine wurden erwartet | 24 924 | 16 756 | 20 158 Personen |
eingereist sind | 22 740 (91,3 %) | 15 529 (92,7 %) | 18 993 Personen (94,2 %) |
mit Kfz | 2 167 | 1 511 | 2 037 |
Davon reisten über die einzelnen KPP ein:
[Übergang] | 2.11. | 3.11. | 4.11. |
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Bahnhof Friedrichstraße | 12 110 | 8 453 | 9 881 Personen |
Chausseestraße | 2 691 | 1 860 | 2 473 Personen |
Invalidenstraße | 2 118 | 1 349 | 1 583 Personen |
Oberbaumbrücke | 2 439 | 1 649 | 1 993 Personen |
Sonnenallee | 3 382 | 2 218 | 3 063 Personen |
Damit reisten seit dem 30.10.1964 insgesamt 262 635 Westberliner Bürger mit Passierscheinen in die Hauptstadt der DDR ein.
Außer den genannten Personen reisten mit Passierscheinen für dringende Fälle 13 Personen am 2.11., 15 Personen am 3.11. und 18 Personen am 4.11.1964 ein.
Neben diesen Westberliner Bürgern reisten außerdem
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am 2.11.: 5 126 Personen,
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am 3.11.: 5 898 Personen,
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am 4.11.: 6 397 Personen
aus Westdeutschland und aus anderen nichtsozialistischen Ländern in die Hauptstadt der DDR ein.
Nachdem bereits am 1.11. 74 DDR-Bürger im Rentenalter2 die KPP an der Staatsgrenze in Berlin zu Besuchsreisen nach Westdeutschland bzw. Westberlin passiert hatten, waren es
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am 2.11.: 10 204 Personen,
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am 3.11.: 5 181 Personen,
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am 4.11.: 5 632 Personen.
Damit passierten vom 1.11. bis 4.11.1964 bisher insgesamt 21 091 DDR-Bürger im Rentenalter die KPP in Berlin zu Besuchsreisen nach Westdeutschland bzw. Westberlin.
Entsprechend der Zahl der ausgegebenen Passierscheine sind am 5.11. 14 457 und am 6.11. 33 828 Westberliner Bürger in der Hauptstadt der DDR zu erwarten.
Die Ein- und Ausreise der Westberliner Bürger verlief an den genannten drei Tagen reibungslos und ohne besondere Vorkommnisse. Wartezeiten entstanden nicht. (Ebenso reibungslos verlief die Abfertigung der an diesen Tagen über die KPP an der Staatsgrenze in Berlin ausreisenden DDR-Bürger im Rentenalter.)
Zahlreiche Westberliner Bürger äußerten sich wieder anerkennend über die zügige und korrekte Abfertigung durch die Kontrollkräfte der DDR.
Der Schwerpunkt der Einreise lag vom 2. bis 4.11. zwischen 7.00 und 11.00 Uhr (jeweils 70 bis 72 %), der Ausreise zwischen 21.00 und 24.00 Uhr (ebenfalls jeweils ca. 72 %).
Presse- und vor allem Bildreporter bzw. Kamerateams traten insbesondere am 2. und 3.11. – offensichtlich im Zusammenhang mit der Ausreise der DDR-Bürger – auf Westberliner Seite an den KPP Chausseestraße, Sonnenallee und Invalidenstraße in Erscheinung. Sie filmten die Abfertigung der Westberliner Bürger an den KPP und die Ausreise der DDR-Rentner. (Außerdem wurden die DDR-Bürger vom Westberliner Zoll zunächst listenmäßig erfasst; später wurden nur noch Strichlisten geführt.) Ein von der Westberliner Polizei am 2.11. am KPP Oberbaumbrücke neu errichteter Beobachtungspodest war ab 3.11. abwechselnd von Polizei- und Zollangehörigen besetzt und wurde außerdem von Filmgruppen benutzt.
Angehörige der Westberliner Polizei haben am 3.11. am KPP Oberbaumbrücke einen Westberliner, der die DDR-Grenzsicherungskräfte beschimpfte, zurückgewiesen und ermahnt (die Polizei wolle am Grenzübergang Ruhe und Ordnung haben).
In verschiedenen Fällen wiesen Einreisende auf in Westberlin kursierende Gerüchte hin, wonach mit einem Sonderstempel auf dem Passierschein die Einreise in die Berliner Randgebiete möglich sei, alle auf einem Passierschein aufgeführten Personen unbedingt einreisen müssten, da sonst der Passierschein ungültig sei, bei genehmigter Benutzung eines Kfz nicht zu Fuß eingereist werden könnte (im letztgenannten Fall seien von Westberliner Zollangehörigen solche Auskünfte erteilt worden).
Bei der Ein- und Ausreise hat sich hinsichtlich der als Geschenke mitgeführten Waren gegenüber den Vortagen nichts Wesentliches verändert.
In der Zeit vom 2. bis 4.11. erfolgten insgesamt 15 Beschlagnahmen, u. a. Kfz-Ersatzteile, Medikamente und Briefmarken. In einem weiteren Fall wurde ein Westberliner Bürger am KPP Schönefeld gestellt, der 16 000 DM/West bei sich führte und diese Summe angeblich einem DDR-Bürger übergeben wollte (Ermittlungen sind eingeleitet).3
Weiter erfolgten an den genannten drei Tagen 122 Rückweisungen bei der Einreise (hauptsächlich Dias, Schallplatten, gebrauchte Textilien, in einem Fall ein Fernsehgerät) und 465 Rückweisungen bei der Ausreise (meistenteils neue Textilien). In 995 Fällen wurden formlose Einziehungen überwiegend von Zeitungen, Zeitschriften, Prospekten und Schundliteratur vorgenommen. Bis auf zwei Ausnahmen, wo sich Westberliner Bürger herausfordernd verhielten, kam es bei den Beschlagnahmen und Rückweisungen zu keinen besonderen Vorkommnissen oder Provokationen.
Während der letzten Tage wurde festgestellt, dass sich eine Reihe Westberliner Bürger in ihren Gesprächen und Diskussionen in der Hauptstadt der DDR darauf konzentrierten, die angebliche Überlegenheit der Verhältnisse in Westberlin (Bauwesen, Verkehrswesen, Renten und Preise, Arbeitszeit usw.) hervorzuheben.
Unter den Bewohnern des Grenzgebietes und der Randgebiete Berlins hielten die Diskussionen um die Einbeziehung dieser Gebiete in das Passierscheinabkommen weiter an. Auch während der letzten Tage wurde mehrfach festgestellt, dass Zusammenkünfte Westberliner Bürger mit DDR-Bürgern, u. a. mit Bewohnern der Grenzgebiete, in kircheneigenen Räumen oder in Wohnungen aktiver Kirchenanhänger stattfanden.
Wie schon in den Vortagen blieben auch in der Berichtszeit wieder zahlreiche Kinder dem Schulunterricht fern, weil Westberliner Besucher eingetroffen waren bzw. erwartet wurden.
An den KPP zu den Bezirken Frankfurt/O. und Potsdam wurden in den letzten drei Tagen 19 Westberliner Bürger, die unberechtigt in diese Bezirke einzureisen versuchten, zurückgewiesen.
Neun Westberliner Bürger wurden in diesen beiden Bezirken gestellt und – bis auf einen Fall – nach erfolgter Überprüfung nach Westberlin zurückgewiesen. Unberechtigte Einreisen von Westberliner Bürgern in das Grenzgebiet innerhalb der Hauptstadt wurden nicht festgestellt.
In der Zeit vom 2.11. bis 4.11.1964 wurden gegen zehn Bürger der DDR, drei Westberliner und einen Ausländer (Libanon) Ermittlungsverfahren eingeleitet, und zwar wegen
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Versuchs des illegalen Verlassens unter Ausnutzung des starken Reiseverkehrs an den KPP: fünf Personen;
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Schleusungsversuchs in einem Kraftfahrzeugversteck: zwei Personen;
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Versuchs, die Sicherungsanlagen an der Staatsgrenze nach Westberlin zu überwinden: vier Personen;
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Unterstützung und Zusammenarbeit mit Schleuserorganisationen: eine Person;
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hetzerischer Äußerungen und Widerstand gegen die Staatsgewalt: eine Person;
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vorsätzlicher Überschreitung der genehmigten Aufenthaltsdauer in der Hauptstadt der DDR: eine Person.4
Der Westberliner Bürger [Name, Vorname] wurde wegen Zeitüberschreitung (40 Stunden) in einem beschleunigten Verfahren zu drei Wochen Haft verurteilt. Die durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, dass [Name] bereits während des 1. Passierscheinabkommens 1963/64 wegen mehrtägiger Zeitüberschreitung angefallen war und außerdem im Jahre 1963 als Westberliner mehrmals mit westdeutschen Ausweisdokumenten in die Hauptstadt der DDR einreiste und dabei ebenfalls die genehmigte Aufenthaltsdauer vorsätzlich überschritt.
Geldumtausch
Die Durchführung des Mindestumtausches5 durch Westberliner Bürger zeigt in den Tagen vom 2.11. bis 4.11.1964 folgende Entwicklung:
[Tag] | Zahl der Umtauschenden | % der Tageseinreise | Umtauschsumme |
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2.11.1964 | 9 773 | 43 % | 29 342 |
3.11.1964 | 6 603 | 42,5 % | 19 777 |
4.11.1964 | 7 435 | 39,1 % | 22 335 |
[gesamt] | 23 811 | 41,5 % | 71 454 |
Damit sind seit dem 30.10.1964, dem Beginn des 1. Besuchszeitraumes, von 92 807 Westberliner Bürgern insgesamt 278 069 DM/West getauscht worden. Der Anteil der Westberliner, der vom Mindestumtausch Gebrauch machte, beträgt für die Zeit vom 30.10. bis 4.11.1964 35,3 %. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich unter den Westberliner Besuchern eine größere Anzahl Personen (Rentner, Kinder usw.) befand, für die ein Mindestumtausch nicht vorgesehen ist.
Die Abwicklung des Mindestumtausches an den KPP verlief ohne besondere Vorkommnisse. Es ist einzuschätzen, dass seit dem 2.11.1964 die Anzahl der Westberliner, die den Mindestumtausch vornehmen, zugenommen hat (30.10.–1.11.: 33,5 %, 2.11.–4.11.: 41,5 %).
Bei der Ablehnung des Mindestumtausches beriefen sich die Westberliner neben den bereits bekannten »Argumenten« verstärkt auf westliche Rundfunk- und Pressemeldungen.