Verleihung einer Ehrenurkunde an Professor Steenbeck
15. September 1964
Einzelinformation Nr. 763/64 über die Verleihung einer Ehrenurkunde der amerikanischen »Gesellschaft für soziale Verantwortung in der Wissenschaft« an Prof. Dr. Max Steenbeck
Am 13.9.1964 verlieh die amerikanische »Gesellschaft für soziale Verantwortung in der Wissenschaft«1 auf ihrem Jahreskongress in Princetown/USA an Prof. Dr. Max Steenbeck2 (Stellvertreter des Vorsitzenden des Forschungsrates der DDR, Vizepräsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und Direktor des Instituts für Magnetohydrodynamik der DAW in Jena) eine Ehrenurkunde. Bis 1945 war Prof. Steenbeck auf wissenschaftlichem Gebiet leitend im Siemens-Konzern tätig. Nach dem Kriege arbeitete er als Spezialist in der Sowjetunion. Prof. Steenbeck ist parteilos.
Die Ehrung Prof. Steenbecks durch die amerikanische Gesellschaft wurde zunächst durch ein Gespräch eines leitenden Mitgliedes der Gesellschaft mit Prof. Steenbeck in der DDR vorbereitet. (Der Inhalt dieses Gesprächs ist dem MfS nicht bekannt.)
Im Mai 1964 fragte dann der Vorstand der Gesellschaft brieflich bei Prof. Steenbeck an, ob er eine Ehrenurkunde dieser Gesellschaft annehmen würde. In diesem Zusammenhang wurde er eingeladen, zur Verleihung der Ehrenurkunde in die USA zu kommen.
Als Begründung der angetragenen Ehrung wurde angeführt: Prof. Steenbeck habe sich um das Ziel der Vereinigung, die Idee der persönlichen Verantwortung eines Wissenschaftlers für die Folgen seiner Berufsarbeit für die menschliche Gesellschaft zu verbreiten, besonders verdient gemacht.
Prof. Steenbeck antwortete im Juni 1964 brieflich auf die Anfrage der Gesellschaft, dass er gern bereit ist, die Urkunde anzunehmen. Die Reise in die USA sei ihm jedoch wegen Überbelastung nicht möglich. Mit dieser Antwort übersandte er gleichzeitig, entsprechend dem Vorschlag der Gesellschaft, einen auf Tonband aufgenommenen »Ehrenvortrag«, den er bei der Urkundenverleihung halten sollte.
Von dieser geplanten und vorbereiteten Ehrung Prof. Steenbecks waren der Präsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Genosse Prof. Hartke,3 und der Sekretär der Parteileitung der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Genosse Dr. Planert,4 informiert.
Zu der in der Westpresse vom 14.9.1964 erschienenen Meldung über die Ehrung Prof. Steenbecks, in der er als »Zonen-Professor« bezeichnet wird, der dafür ausgezeichnet worden sei, dass er sich offen gegen die Nutzung der Wissenschaft, insbesondere der Atomforschung, für militärische Zwecke ausgesprochen habe,5 äußerte Prof. Steenbeck seine Verärgerung. Besonders wandte er sich gegen die Bezeichnung »Zone« sowie gegen den in der Meldung enthaltenen Unterton, aus dem man lesen könne, er sei für eine gegen die Interessen der DDR gerichtete Betätigung ausgezeichnet worden. Er misst dieser Meldung in der Westpresse jedoch nicht solche Bedeutung bei, die es erforderlich machen würde, Protest dagegen zu erheben.
Prof. Steenbeck erklärte zu dieser Angelegenheit noch, er sei froh, nicht in die USA gereist zu sein, da er sich dann gegenwärtig auf dem gleichen Territorium wie Prof. Barwich6 befinden würde.