Vorkommnisse während des Fackelzuges der Berliner Jugend
6. Oktober 1964
Einzelinformation Nr. 855/64 über negative Vorkommnisse während des Fackelzuges der Berliner Jugend am 5. Oktober 1964
Während des Fackelzuges der Berliner Jugend kam es in der Karl-Marx-Allee zu negativen Vorkommnissen, an denen etwa 30 Jugendliche beteiligt waren. Bei den Jugendlichen handelt es sich um Schüler der 11. und 12. Klassen der Andreas-Oberschule (Koppenstraße) sowie der 12. Klassen der Händel-Oberschule (Frankfurter Allee).1
13 Jugendliche waren vorübergehend festgenommen und verhört worden. Sie gehören alle der FDJ an. Zu dem Kreis der Eltern der vorübergehend Festgenommenen gehören
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[Name 1, Vorname], Diplom-Gewerbelehrer, zzt. Vorsitzender des Kreisvorstandes Berlin-Mitte der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung;
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[Name 2, Vorname], Haushaltsachbearbeiterin im Ministerium für Volksbildung;
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[Name 3, Vorname], Abteilungsleiter in der VVB Elektroapparate;
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[Name 4, Vorname], Entwicklungsingenieur im Institut für Regelungstechnik.
Die negativ auftretenden Jugendlichen hatten sich in der Nähe des U-Bahnhofes Marchlewskistraße getroffen. Schon zu Beginn der Demonstration verhielten sie sich undiszipliniert, hielten sich nicht an die festgelegte Ordnung und liefen in kleineren Gruppen. Sie lehnten teilweise die Annahme von Fackeln ab, trieben Unfug und demonstrierten ihr Bestreben »nicht dazu zugehören« und »unangenehm aufzufallen«.
Während der Demonstration wurden insbesondere die Schüler der Andreas-Oberschule mehrfach zum disziplinierten Verhalten ermahnt, nahmen davon jedoch keine Notiz. Sie gebärdeten sich wild und grölten Westschlager und Kinderlieder. Als in Höhe des Strausberger Platzes eine Pioniergruppe den Sprechchor »Das ZK der SED – es lebe hoch!« übte, versuchten sie diese Probe mit Buh- und Pfui-Rufen zu stören. Mehrere der Jugendlichen brüllten »Sch…«.
In Höhe des Hauses »Berlin« provozierte diese Gruppe mit dem Ruf »Wir wollen RIAS hören!« und in der Nähe der Tribüne am Filmtheater »International« mit dem Gegröle »eins, zwei, drei – Sch…«, erneut von Buh- und Pfui-Rufen begleitet. Bei den Hochrufen beugten sie sich nach vorn bzw. brachten Hochrufe auf andere Schüler aus.
Die Gruppe Jugendlicher fiel zwar unangenehm auf, konnte aber den Ablauf der Demonstration nicht stören. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass der Lehrkörper der Andreas-Oberschule nicht an der Demonstration teilnahm, wodurch das undisziplinierte negative Auftreten der Jugendlichen begünstigt wurde.
Ein Teil der Eltern der vorübergehend festgenommenen Jugendlichen war zum Präsidium der Volkspolizei bestellt worden, um ihre Söhne abzuholen und mit ihnen Aussprachen zu führen. Ein Teil der Eltern war erschienen.
Es ist beabsichtigt, mit den Nichterschienenen bzw. nicht angetroffenen Eltern seitens der Schule Aussprachen zu führen.
Die Auswertung dieser Vorkommisse an den beiden erweiterten Oberschulen mit den Schülern der betreffenden Klassen erfolgt am 6.10.1964.