Westberliner im Grenzstreifen getötet
5. Mai 1964
Einzelinformation Nr. 370/64 über einen Grenzdurchbruch Westberlin – DDR im Abschnitt Neustaaken, [Kreis] Nauen, unter Anwendung der Schusswaffe mit tödlichem Ausgang für den Grenzverletzer
Am 5.5.1964, gegen 1.30 Uhr, stellte das Postenpaar Uffz. [Name 1] und Soldat [Name 2] (GR 34, 2 Kp.) im Abschnitt Neustaaken, Kreis Nauen, eine Spur auf dem 10-m-Kontrollstreifen fest. (Der Kontrollstreifen und die Grenzsicherungsanlagen verlaufen in diesem Abschnitt ca. 250 m von der Staatsgrenze im eigenen Hinterland.) Das Postenpaar versuchte daraufhin den Nachbarposten zu verständigen. Da sich dieser Posten aber nicht meldete, ging das Postenpaar zu einem ca. 60 m neben der festgestellten Spur befindlichen Bunker zurück. Als sich Uffz. [Name 1] und Soldat [Name 2] ca. 2 m vor dem Bunker befanden, sprang plötzlich eine männliche Person aus der Tür und rief mit vorgehaltener Pistole: »Hände hoch!« Der Postenführer hatte bereits seine MPi im Anschlag und schoss aufgrund der Situation sofort fünf Schuss auf die männliche Person, die getroffen zu Boden sank.
Ein Wortwechsel hatte vorher nicht stattgefunden. Unmittelbar danach ging das Postenpaar in Deckung und schoss Signal zur Herbeirufung von Verstärkung. Zu diesem Zeitpunkt stellten die Posten auch fest, dass die Person durch die Schüsse tödlich getroffen worden war. Gegen 2.30 Uhr traf der verantwortliche Zugführer mit der Alarmgruppe ein. Sofortige Überprüfungen ergaben, dass sich keine weiteren Personen in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufhielten.
In der bisherigen Untersuchung zur Identifizierung des Grenzverletzers wurde festgestellt, dass er einen behelfsmäßigen Westberliner Personalausweis Nr. 0317900 bei sich trug, ausgestellt auf den Namen Philipp, Adolf,1 geboren 17.8.1943 in Ziemetshausen, wohnhaft Berlin-Halensee, [Straße, Nr.], Staatsangehörigkeit: DBR, Beruf: Radio- und Fernsehtechniker.
Ph. hatte die Drahtsperre zerschnitten und die Staatsgrenze zur DDR kriechend überwunden. Den 10-m-Kontrollstreifen hat er im Rückwärtsgang überschritten, um einen Grenzdurchbruch in umgekehrter Richtung vorzutäuschen. Anschließend versteckte er die zum Zerschneiden der Sicherungsanlagen benutzte Kneifzange hinter einem Baum. Nach bisherigen Einschätzungen muss der Grenzverletzer zu diesem Zeitpunkt das Postenpaar bemerkt und sich daraufhin in dem erwähnten Bunker versteckt haben. Bei der unmittelbar beim Täter am Bunkereingang gefundenen Pistole handelt es sich um eine Gaspistole Typ Arminius Kaliber 9 mm.2 Weiter trug er 20,00 DM (BdL) bei sich.
Zurzeit des Vorkommnisses wurde auf Westberliner Seite kein Personenverkehr festgestellt. Maßnahmen zur verstärkten Grenzsicherung in diesem Abschnitt wurden eingeleitet.
Vom MfS wurden die erforderlichen Maßnahmen zur näheren Aufklärung des Grenzverletzers, dem mit diesem Grenzdurchbruch beabsichtigten Pläne und möglicher Hintermänner eingeleitet. Zur Schaffung auswertbarer Beweismittel wurden entsprechende fotografische Aufnahmen gefertigt und daktyloskopische Untersuchungen durchgeführt. Nach Absprache mit dem Generalstaatsanwalt der DDR wird die Leiche gerichtsmedizinisch untersucht. Der Generalstaatsanwalt der DDR nimmt weiterhin Verbindung mit dem Generalstaatsanwalt Westberlins auf, wobei als Termin für die Übergabe der Leiche die Mittagsstunden des 6.5.1964 benannt werden.