Westberliner Senat zum Deutschlandtreffen der Jugend
2. April 1964
Einzelinformation Nr. 266/64 über die Stellungnahme des Westberliner Senats zum Deutschlandtreffen der Jugend in Berlin
Wie eine zuverlässige Quelle berichtete, haben sich der Westberliner Senat und das Westberliner Abgeordnetenhaus Mitte März 1964 ausführlich mit dem Deutschlandtreffen der Jugend1 in der Hauptstadt der DDR zu Pfingsten 1964 beschäftigt. In diesem Zusammenhang wurden folgende Stellungnahmen bzw. Maßnahmen des Westberliner Senats bekannt:
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Die Leuchtschriftanlagen und die Anschlagtafeln für Hetzlosungen an der Staatsgrenze der DDR in Berlin sowie Rundfunk und Fernsehen sollen für die Verbreitung von Hetzparolen ausgenutzt werden. Es sei auch an die Einrichtung eines RIAS-Sonderdienstes2 gedacht.3
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Das »Studio am Stacheldraht«4 werde nur dann in Erscheinung treten, wenn eine besondere Situation vorliege.
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In Westberlin soll eine Informations- und Kontaktstelle eingerichtet werden (nähere Angaben darüber liegen zzt. noch nicht vor).
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Zum Deutschlandtreffen bereitet der Westberliner Senat eine Stellungnahme vor. Grundtendenz der Stellungnahme sei, die Jugendlichen aufzufordern, nicht am Deutschlandtreffen teilzunehmen.
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Von einem Aufruf des Bundeskanzlers und des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, besonders zu Pfingsten Westberlin aufzusuchen, wäre aus politisch-psychologischen und technischen Gründen abgesehen worden. Auch von der Durchführung größerer Veranstaltungen in Westberlin sei Abstand genommen worden. Trotzdem sollen genügend kleinere Veranstaltungen mit kulturellem und geselligem Charakter für die jugendlichen Besucher organisiert werden. Es müsse auf alle Fälle verhindert werden, dass die Reisen von denjenigen Jugendlichen finanziert werden, die den Aufenthalt in Westberlin zur Teilnahme am Deutschlandtreffen ausnutzen wollen.
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Die allgemeinen Westberlinbesuche für westdeutsche Jugendliche sollen jedoch auch für Pfingsten organisiert werden. Es werde mit 7 000 Jugendlichen gerechnet. Darüber hinaus sollen zusätzlich noch kleinere Gruppen »politisch qualifizierter« Jugendlicher nach Westberlin kommen. Bedenken, dass Besuchergruppen die Hauptstadt der DDR aufsuchen, würden nicht bestehen. Trotzdem sei beabsichtigt, die Jugendlichen auf das Deutschlandtreffen vorzubereiten und ihnen zu erklären, wie sie sich in der Hauptstadt der DDR zu verhalten haben. An Sperrmaßnahmen sei nicht gedacht. Gegen das Aufsuchen von Verwandten in der Hauptstadt der DDR durch Einzelpersonen beständen keine Einwände.
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Auch das »Kuratorium Unteilbares Deutschland«5 habe die Absicht, Westberlinbesucher, vor allem Erwachsene, über das Deutschlandtreffen »aufzuklären«.
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Wie die Senatsverwaltung für Sicherheit und Ordnung mitteilte, seien den FDJ-Kreissekretären in Westberlin Listen mit Namen von ehemaligen Teilnehmern an Reisen in sozialistische Staaten zugeleitet worden, um zu erreichen, dass diese Jugendlichen als Privatpersonen zum Deutschlandtreffen eingeladen werden. In einem Jugendheim in Westberlin habe ein Gespräch zwischen Vertretern der Westberliner FDJ und anderen Westberliner Jugendorganisationen stattgefunden. Dabei wäre zum Ausdruck gekommen, dass die Leiter der Westberliner Jugendorganisationen ihr Einverständnis zu einer offiziellen Delegation nicht geben wollen und dass daher an einige Mitglieder persönlich herangetreten werde soll. Eine andere zuverlässige Quelle teilte in diesem Zusammenhang mit, dass Staatssekretär Krautwig6 vom Bundesministerium für »gesamtdeutsche Fragen« auf einer Sitzung des Bundestagsausschusses für »gesamtdeutsche und Berliner Fragen« am 12.3.1964 erklärt habe, dass mit den Leitern von Jugendorganisationen gesprochen wurde, um ein »wildes Einströmen von Jugendlichen nach Ostberlin« zu verhindern. Der Westberliner Senator für Bundesangelegenheiten Schütz7 habe das Gleiche für Westberlin bestätigt.
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