Westdeutsche Haltung zum Handel der DDR mit westlichen Staaten
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Einzelinformation Nr. 1066/64 über die westdeutsche Haltung zum Handel der DDR mit westlichen Staaten
Vor einiger Zeit wurde über westdeutsche Sondierungen über den Handel der DDR mit westlichen Staaten berichtet. Jetzt liegt die Stellungnahme der Bonner Regierung zu diesem Problem vor, die aufgrund der Berichte der einzelnen Botschaften erarbeitet wurde. In dieser Stellungnahme wird zu Beginn auf die allgemeine Entwicklung des Handels aufgrund statistischer Daten eingegangen. Dabei wird festgestellt, dass folgende NATO-Länder eine Ausweitung ihres Handelsverkehrs mit der DDR zu verzeichnen haben, die über die durchschnittliche Steigerung des Außenhandels der DDR um 5,3 % im Jahre 1963 hinausgehen: Großbritannien (+ 6 %), Niederlande (+ 32 %), Belgien-Luxemburg (+ 11 %), Frankreich (+ 25 %), Italien (+ 30 %), Türkei (+ rd. 100 %), Griechenland (+ 14 %), USA (+ rd. 105 %), Kanada (+ ca. 130 %).
Weiter heißt es im Wortlaut: »Die Zahlen zeigen, dass mit Ausnahme von drei Fällen im vergangenen Jahr im Wesentlichen nur die im Jahre 1962 eingetretenen Einbußen wettgemacht werden konnten. Die vorliegenden Daten für das laufende Jahr lassen von Frankreich, Italien, der Türkei, Griechenland, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten ein weiteres Wachstum des Warenverkehrs mit der SBZ erwarten.
Kein NATO-Staat unterhält Handelsbeziehungen mit der SBZ aufgrund von Regierungsvereinbarungen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle werden Abkommen von Kammern oder Verbänden mit der sowjetzonalen ›Kammer für Außenhandel‹ abgeschlossen. Im Falle Frankreichs unterzeichnet der französische Handelsrat in Bonn die Vereinbarung mit der ›Kammer für Außenhandel‹.1 Amtliche Vertretungen bestehen nicht.
Kreditgewährung an die SBZ:
- a)
Kredite werden nicht gewährt von Portugal und den USA (außer für Agrarprodukte bis zu 18 Monate, aber ohne Garantie der Export-Importbank).
- b)
Kredite können gewährt werden
1. in der Form eines bilateral vereinbarten Swings von Griechenland (1 Mio. Dollar), Türkei (2,5 Mio. Dollar), Irland (0,9 Mio. Dollar und viermonatiger Weizenkredit von 0,3 Mio. Dollar), Dänemark (10 Mio. Dkr. – rd. 1,4 Mio. Dollar), Norwegen (rd. 1 Mio. Dollar),
2. als staatlich abgesicherte Lieferanten- oder Finanzkredite mit einer Laufzeit bis zu fünf Jahren von Großbritannien, Frankreich, Belgien-Luxemburg, Niederlande, Italien, Dänemark, Kanada (nur für Weizenlieferungen bis zu 18 Monate).
- c)
Kredite mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren wurden der DDR bisher nicht gewährt. Auch die kürzlich bekannt gewordenen Kreditgeschäfte der SBZ mit der französischen Firma Enea (66 Mio. F) und der britischen Firma Humphreys & Glasgow (3,75 Mio. Pfund) über die Lieferung einer Kalkammonsalpeter-Anlage halten sich im Rahmen der Berner Union,2 da die 5-jährige Laufzeit der Kredite erst mit Inbetriebnahme der Anlagen beginnt.
Größere Passivsalden im Handel mit der SBZ haben aufzuweisen (vgl. o. g. Zahlen): Niederlande, Belgien-Luxemburg, Italien, Island (chronisch 0,3–1 Mio. Dollar bei Gesamtvolumen von rd. 2 Mio. Dollar, Dänemark (chronisch 3–4 Mio. Dollar bei Gesamtvolumen von rd. 30 Mio. Dollar).
Bisher besteht zu Beanstandungen gegenüber den Handelspraktiken der NATO-Partner im Verkehr mit der SBZ kein Anlass. Die SBZ unternimmt jedoch verstärkte Anstrengungen, durch verlockende Angebote auf dem Gebiet des Handels und Vortäuschung von Konkurrenzofferten anderer westlicher Industrieländer Zugeständnisse auf wirtschaftlichem (Kredite) und auch politischem Gebiet zu erreichen. So hat Italien kürzlich der Eröffnung einer Zweigstelle der römischen Vertretung der SBZ-Außenhandelskammer in Mailand zugestimmt. Der Wunsch nach Austausch amtlicher Handelsvertretungen mit den wichtigen NATO-Staaten wird von der SBZ gelegentlich der Leipziger Messen immer wieder vorgebracht, bisher jedoch ohne jeden Erfolg. Gerüchte, wonach Italien eine amtliche Handelsvertretung in Ostberlin zu errichten beabsichtige, wurden seitens der italienischen Regierung eindeutig zurückgewiesen. Zu dem in der Presse (z. B. »Die Welt« vom 22. Oktober 1964) angesprochenen Thema verstärkter Kontaktsuche sowjetzonaler Handelsvertreter in Frankreich wird von der Botschaft Paris ausgeführt, dass die Angehörigen des Pariser Büros der sowjetzonalen ›Kammer für Außenhandel‹ den französischen Ministerien offiziell wie inoffiziell so gut wie unbekannt sind. Ein Ostreferent im französischen Finanz- und Wirtschaftsministerium fungiert als Mittelsmann.
Die SBZ-Funktionäre, die Aufenthaltsgenehmigungen nur für jeweils drei Monate erhalten, verhalten sich zurückhaltend auch aus der Befürchtung heraus, ihnen könne – wie kürzlich in einem Fall geschehen – die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung verweigert werden. Erst in neuester Zeit wird nach einem BND-Bericht im französischen Außenministerium erwogen, der kleinen, inoffiziellen Kammervertretung der SBZ vorsichtig, doch spürbar mehr Beachtung von offizieller Seite zu schenken. Eine Anerkennung sei jedoch nicht beabsichtigt.«
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