Zwei Eisenbahnunfälle im Bereich Potsdam
20. Januar 1964
Einzelinformation Nr. 55/64 über zwei Eisenbahnunfälle am 19. Januar 1964 auf der Strecke Neulöwenberg – Nassenheide, Bezirk Potsdam (RBD Greifswald)
Am 19.1.1964 fuhr gegen 6.40 Uhr der Güterzug 6246 aus Löwenberg kommend an dem Halt zeigenden Vorsignal und Hauptsignal vorbei und im Bahnhof Nassenheide auf den auf Gleis 2 stehenden 0-Mann-Zug 7000 (Zug ohne Zugführer und Zugschaffner) auf.
Der Lokführer [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1938, wohnhaft Neustrelitz, beschäftigt im Bw Neustrelitz, und der Lokheizer [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1926, wohnhaft Neustrelitz, beschäftigt im Bw Neustrelitz, erklärten, aufgrund des starken Nebels (Sichtweite 15–20 m) die Signale nicht bemerkt zu haben.
Nachdem sie dann feststellten, dass sie in den Bahnhof einfuhren, erkundigte sich der Heizer noch während der Fahrt beim Fahrdienstleiter, an dem sie vorüberfuhren, durch Zuruf, ob das Gleis frei sei. Der Fahrdienstleiter forderte daraufhin ebenfalls durch Zuruf sofortige Schnellbremsung, weil das Gleis besetzt war. Trotz der Schnellbremsung fuhr der Güterzug aber, wenn auch mit verminderter Geschwindigkeit, auf den im Gleis 2 stehenden Zug auf.
Die Lok des Gz 6246 entgleiste dabei. Vier Güterwagen des Güterzuges 7000 wurden total beschädigt. Von den in den vier Wagen befindlichen 69 Schweinen und 19 Rindern wurden zehn Schweine und zwei Rinder getötet. 18 Schweine mussten notgeschlachtet werden. Zwei weitere mit Mauersteinen und Schnittholz beladene Wagen wurden stark beschädigt. Personenschaden entstand nicht.
Das Gleis 2 des Bahnhofes Nassenheide musste gesperrt werden. Die Schuld liegt eindeutig bei dem Lok-Personal des Gz 6246, das die vorschriftsmäßig beleuchteten und Halt zeigenden Signale überfuhr, obwohl der Lokführer [Name 1] streckenkundig ist und diese Strecke seit September 1962 regelmäßig befährt. Beide hatten vor Antritt der Fahrt 31 Stunden Ruhe und befanden sich fünf Stunden im Dienst. Von der Trapo wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Im Zusammenhang mit diesem Unfall kam es gegen 10.05 des gleichen Tages zu einem weiteren Unfall auf der gleichen Strecke kurz vor dem Bahnhof Grüneberg, dem Nachbarbahnhof von Nassenheide. Der von der Bahnmeisterei Löwenberg eingesetzte Schienenkleinwagen (SKL) stieß auf seiner Fahrt zur ersten Unfallstelle auf den vor dem Bahnhof Grüneberg stehenden Personenzug 702. Dieser Personenzug erhielt aufgrund des ersten Unfalles keine Einfahrt in den Bahnhof Grüneberg und stand bereits seit 8.20 Uhr auf der Strecke.
Dem Führer des Schienenkleinwagens [Name 3, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1917, wohnhaft Grieben, beschäftigt Bm Löwenberg, war dies bei seiner Abfahrt in Löwenberg unter Zeugen mündlich mitgeteilt worden. (Einen laut Vorschrift notwendigen schriftlichen Befehl erhielt [Name 3] jedoch nicht.) [Name 3] sah jedoch aufgrund des Nebels (Sichtweite 50–100 m) den auf der Strecke stehenden Zug erst, als er sich auf ca. 100 m dem Zug näherte. Trotz eingeleiteter Bremsung fuhr der mit 30 Bahnunterhaltungsarbeitern besetzte SKL mit ca. 30–35 km/h auf den Personenzug auf. Dabei wurde ein Bahnunterhaltungsarbeiter tödlich, drei schwer und 13 leicht verletzt. Der SKL-Führer [Name 3] selbst erlitt leichte Prellungen und einen Schock und ist deshalb noch nicht vernehmungsfähig. Die Verletzten wurden sofort ins Krankenhaus Gransee eingeliefert. Der SKL wurde leicht beschädigt.
Weitere Untersuchungen werden vom MfS geführt.