Zwischenfälle mit alliierten Militärpatrouillen in Ostberlin (2)
13. Juli 1964
Einzelinformation Nr. 563/64 über provokatorisches Verhalten von Angehörigen der in Westberlin stationierten Besatzungsmächte bei Fahrten mit Militärfahrzeugen in das demokratische Berlin in der Zeit von Mai bis Juni 1964
In den Monaten Mai und Juni 1964 fuhren insgesamt 1 365 Militärfahrzeuge und 150 Reiseomnibusse der in Westberlin stationierten Besatzer in das demokratische Berlin ein, davon waren
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899 amerikanische Militärfahrzeuge und 80 Busse,
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252 englische Militärfahrzeuge und 39 Busse,
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214 französische Militärfahrzeuge und 31 Busse.
In der Berichtszeit suchten im Durchschnitt täglich ca. 24 Fahrzeuge der in Westberlin stationierten Besatzungsmächte das demokratische Berlin zu Aufklärungs- und Spionagefahrten, Stadtbesichtigungen und zu Einkäufen auf.
Im Mai verringerte sich die Anzahl der westlichen Militärfahrzeuge, die die Hauptstadt der DDR aufsuchten, gegenüber dem Vormonat um 49 Fahrzeuge, im Juni ging die Anzahl der einfahrenden Militärfahrzeuge gegenüber dem Monat Mai um weitere 43, zumeist amerikanische Kfz, zurück.
Bei ihren Fahrten in das demokratische Berlin versuchten die Besatzer weiterhin zu provozieren und offiziell Spionageinformationen zu erlangen, wobei hauptsächlich militärische Objekte der bewaffneten Organe der DDR, der Sowjetarmee und Regierungsobjekte aufgesucht wurden. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um:
Objekte der Stadtkommandantur Berlin
Am Kupfergraben, Am Treptower Park, Hauptstraße Rummelsburg, Dewetallee, Regattastraße Grünau, Seelenbinderstraße, Fürstenwalder Allee, Verladebahnhof Kaulsdorf, Marzahner Chaussee, Globsower Straße Biesdorf, Buchholzer Straße Pankow.
Objekte des MfS
Normannen-, Siegfried- und Schnellerstraße, Großberliner Damm, Rudower Chaussee, Fürstenwalder Allee, Lindenstraße, Am Tierpark, Prenzlauer Allee, Hans-Loch-Straße und Klement-Gottwald-Allee
Objekte des MdI
Glinkastraße, Neue Königstraße, VPS Kaulsdorf
Regierungsobjekte
Kloster- und Ossietzkystraße
Objekte der Sowjetarmee
Karlshorst und Übungsgelände Biesdorf/Kaulsdorf
Außer diesen Objekten wurde die Staatsgrenze in der Stadtmitte wiederholt abgefahren.
Die amerikanischen Militärfahrzeuge führten zumeist zwei- bis fünfstündige Aufklärungsfahrten durch. Besonderes Interesse zeigten die amerikanischen Besatzer für das Geschehen am 1. Mai auf dem Marx-Engels-Platz und an den Zufahrtsstraßen. Zum Beispiel fuhren die amerikanischen Besatzer besonders Kolonnen der NVA hinterher, um den Bestimmungsort zu erkunden, die polizeilichen Kennzeichen zu notieren und die Fahrzeuge zu fotografieren.
Im gesamten Berichtszeitraum wurde lediglich eine Sperrgebietsverletzung bekannt, wobei am 7.5.1964 das amerikanische Kfz BC 114 das örtliche Sperrgebiet in Biesdorf verletzte, um an die Objekte der NVA und der Sowjetarmee heranzukommen.
In insgesamt 16 Fällen wurden die amerikanischen Besatzer bei offensichtlichen Spionagehandlungen festgestellt. Zum Beispiel fotografierten die Insassen des Pkw BC 106 am 1. Mai in der Karl-Marx-Allee und in der Hermann-Duncker-Straße die vorbeifahrenden Fahrzeuge einer Raketeneinheit. Am 13.5.1964 notierten die Insassen des Pkw BC 57 an der Wuhlheide die Kennzeichen von Fahrzeugen einer entgegenkommenden NVA-Kolonne. Am MfS notierte die gleiche Besatzung die Kennzeichen der dort parkenden Fahrzeuge. Am 21.6.1964 notierten die Insassen des amerikanischen Militärfahrzeuges BC 112 alle Kennzeichen des vor der sowjetischen Botschaft parkenden Fahrzeugs.
Von den britischen und französischen Besatzern wurden derartige Handlungen nicht bekannt.
Wie in der Vergangenheit verletzten die Besatzer (vorwiegend amerikanische Kfz) bei ihren Fahrten im demokratischen Berlin weiterhin in provokatorischer Absicht die Straßenverkehrsordnung, wobei sie andere Verkehrsteilnehmer gröblichst gefährdeten. Der größte Teil der Verstöße gegen die StVO liegt in der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Zum Beispiel durchfuhr der amerikanische Pkw BC 62 am 1.5.1964 die Karl-Marx-Allee, Frankfurter Allee und Alt-Biesdorf mit 100 km/h.
Am 3.5.1964 fuhr das amerikanische Kfz BC 114 die Rummelsburger Chaussee, An der Wuhlheide, Müggeldamm, Fürstenwalder Allee und Fürstenwalder Damm mit 100 km/h entlang. Am 14.5.1964 befuhr das Fahrzeug BC 62 in Berlin-Mitte die Einbahnstraße Königsgraben in entgegengesetzter Richtung. In mehreren Fällen parkten amerikanische Militärfahrzeuge im Halteverbot. Durch die englischen und französischen Besatzer wurde lediglich im Mai je eine Verkehrsübertretung bekannt, wobei beide Fahrzeuge ca. zwei Minuten im Halteverbot parkten.
Weiter versuchten vorwiegend die amerikanischen Besatzungsangehörigen mit Bürgern der DDR Kontakte herzustellen. In mehreren Fällen wurden Schokolade und Apfelsinen an Kinder und Zigaretten an Jugendliche verteilt.
Nur in einem Fall wurden Einkäufe durch die amerikanische Besatzung des Pkw BC 102 bekannt, dabei handelt es sich um Andenkenartikel, die im Café Moskau gekauft wurden (Wert ca. 120 DM.)