1. Bericht über das Passierscheinabkommen Weihnachten 1965
2. Dezember 1965
1. Bericht Nr. 1075/65 über den Verlauf des Passierscheinabkommens Weihnachten 1965
In der Zeit vom 25.11. bis 1.12.1965 wurden in den Passierscheinstellen in Westberlin insgesamt 157 204 Passierscheinanträge gestellt.1
Mit diesen Anträgen ersuchen für die laufende Besuchsperiode – Weihnachten 1965 – 460 654 Personen mit 49 954 Kfz um Genehmigung zum Besuch in der Hauptstadt der DDR.
Als bisherige Schwerpunkttage dieses Besuchszeitraumes gelten:
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18.12.1965 mit 68 251 Personen und 8 319 Kfz,
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19.12.1965 mit 40 677 Personen und 5 153 Kfz,
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25.12.1965 mit 56 751 Personen und 5 629 Kfz,
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26.12.1965 mit 38 455 Personen und 4 162 Kfz,
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31.12.1965 mit 50 019 Personen und 4 412 Kfz,
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2.1.1966 mit 38 282 Personen und 4 585 Kfz.
Schwerpunkt zu Grenzübergangsstellen bildet der Bahnhof Friedrichstraße mit bisher insgesamt 214 387 Personen.
Die ersten Tage der neuen Beantragungsperiode des gegenwärtigen Passierscheinabkommens verliefen reibungslos und ohne besondere Zwischenfälle. Der Übergang an den Grenzübergangsstellen sowie der Transport zu den Passierscheinstellen einschließlich der Kurierfahrten erfolgte ohne besondere Vorkommnisse. Lediglich in den ersten Tagen waren an den Grenzübergangsstellen das Westfernsehen sowie westliche Fotoreporter anwesend, die z. T. die Transporte bis zu den Passierscheinstellen begleiteten.
Die in den Passierscheinstellen vorgefundenen Arbeitsbedingungen entsprachen im Wesentlichen den Festlegungen. Festgestellte kleinere Mängel wurden innerhalb kurzer Zeit beseitigt.
Alle Passierscheinstellen konnten pünktlich um 10.00 Uhr geöffnet werden. Am ersten Tag warteten – an den einzelnen Passierscheinstellen unterschiedlich – zwischen 200 bis 800 Personen, die jedoch in den Vormittagsstunden abgefertigt wurden, sodass am Nachmittag in allen Passierscheinstellen ein Teil der Schalter geschlossen werden konnte.
Am 30.11.1965 und 1.12.1965 war der Andrang bei der Öffnung der Passierscheinstellen schon wesentlich geringer (zwischen 150 und 500 Antragsteller), wobei die Wartenden nach ca. 1½ Stunden abgefertigt waren. Danach verlief der Besucherverkehr kontinuierlich, sodass an diesen Tagen bereits am Vormittag einige Schalter schließen konnten. Die Arbeitsmoral und Arbeitsintensität der Postangestellten der DDR war gut und wurde von den Antragstellern vielfach anerkannt. Alle Antragsteller wurden während der vorgesehenen Öffnungszeiten abgefertigt.
Die Zusammenarbeit mit den eingesetzten Westkräften entsprach im Allgemeinen den Erfordernissen, die sich aus dem Protokoll der Passierscheinübereinkunft ergaben. Die Verantwortlichen der Senatskräfte und die Angehörigen der Westpost waren bemüht, einen reibungslosen Arbeitsablauf in den Passierscheinstellen zu sichern. In allen Passierscheinstellen war jedoch anfangs zu verzeichnen, dass die Qualifikation der neu eingesetzten Westkräfte für die Durchführung ihrer Aufgaben noch ungenügend war und sie über keine exakten Kenntnisse des Inhalts des Passierscheinprotokolls verfügten.
Durch die ungenügende Instruierung der neu eingesetzten Westkräfte traten vor allem folgende Mängel auf:
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falsch ausgefüllte Anträge wurden nicht korrigiert,
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Antragsteller, die Besuche für zwei Feiertage beantragt hatten, wurden nicht zurückgewiesen,
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Eltern hatten Kinder über 16 Jahre auf ihrem Antrag stehen,
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als Besuchsziel wurden Cousin und Cousine angegeben.
Vereinzelt wurden in den Passierscheinstellen Reinickendorf/Scharnweberstraße und Thurgauer Straße, und Neukölln/Morusstraße, durch die Westkräfte falsche Auskünfte an die Antragsteller erteilt, besonders in der Hinsicht, dass an den zusammenhängend beantragten Besuchstagen 31.12. und 1.1. die betreffenden Personen gleich bei ihren Verwandten bleiben könnten.
In der Passierscheinstelle Steglitz wurde festgestellt, dass die Westkräfte bei Angabe eines nicht dem Protokoll entsprechenden Verwandtschaftsverhältnisses die Antragsteller beeinflussten, das Verwandtschaftsverhältnis in Onkel oder Tante umzuändern.
In der Passierscheinstelle Neukölln/Morusstraße, informierte ein Angehöriger der Westpost die Antragsteller falsch, indem er erklärte, dass eine Einreise in das Grenzgebiet möglich sei.
In Schöneberg orientierten die Westkräfte zwei Antragsteller dahingehend, dass zur Beantragung von Passierscheinen durch dritte Personen keine Vollmacht benötigt würde.
Zur Abgabe von Sammelbestellungen durch Betriebsräte Westberliner Firmen wurde festgestellt, dass die Westkräfte von der Landespostdirektion die Anweisung erhalten haben, keine Sammelbestellungen entgegenzunehmen. In den einzelnen Passierscheinstellen reagierten die Westkräfte jedoch sehr unterschiedlich auf diese Anweisung, wobei u. a. in den Passierscheinstellen Charlottenburg, Tiergarten, Schöneberg und Wedding Sammelanträge entgegengenommen wurden. In der Passierscheinstelle Wedding/Müllerstraße erfolgte die Abfertigung von Sammelanträgen selbst in Anwesenheit des Präsidenten der Landespostdirektion Westberlin, Hoffmann, ohne dass er sich dazu äußerte.
Von den Westberliner Senatskräften wurden Merkblätter verteilt, die vom Senat herausgegeben wurden und in denen der Inhalt des Abkommens dargelegt wird.
In Einzelfällen kam es durch die Westkräfte und Zivilpersonen zu Kontaktaufnahmeversuchen z. T. durch Anbieten von Genussmitteln. Diese Versuche wurden jedoch in allen Fällen abgewiesen.
In der Passierscheinstelle Steglitz/Lessingstraße traten am 29.11.1965 vier Personen provokatorisch auf und verlangten, dass Anträge mit zwei Feiertagen als Besuchstag angenommen werden. Andernfalls drohten sie damit, die Anträge zu zerreißen. (Die Anträge wurden entgegengenommen.)
In fast allen Passierscheinstellen waren in den ersten Tagen zeitweilig Journalisten und Bildreporter sowie Mitarbeiter von Rundfunk- und Fernsehstationen anwesend. Der Arbeitsablauf der Postangestellten wurde dadurch jedoch nicht gestört.
Besonders in den ersten beiden Tagen der gegenwärtigen Beantragungsperiode besuchten leitende Angestellte des Westberliner Senats und des öffentlichen Dienstes die Passierscheinstellen. Z. B. besuchte der Leiter der Oberpostdirektion Westberlin, Hoffmann, die Passierscheinstellen in Charlottenburg, Kreuzberg und Schöneberg. Mehrere Passierscheinstellen wurden von den jeweiligen Westberliner Bezirksbürgermeistern aufgesucht.