1. Bericht über die 2. Besuchsperiode des Passierscheinabkommens
9. Juni 1965
1. Bericht Nr. 513/65 über den Verlauf der 2. Besuchsperiode des laufenden Passierscheinabkommens (31. Mai bis 7. Juni 1965)
Für die Zeit vom 31.5. bis 7.6.1965 wurden aufgrund der ausgegebenen Passierscheine 376 768 Westberliner Bürger in der Hauptstadt der DDR erwartet. Eingereist sind in diesem Zeitabschnitt 297 900 Westberliner Bürger – 79 %. 78 868 Personen haben von den Einreisemöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht. Bei der Einreise wurden insgesamt 26 435 Pkw benutzt.1
In der Zeit vom 31.5. bis 4.6.1965 wurden 65 097 Westberliner Bürger erwartet. 48 432 Westberliner Bürger = 74,5 % – nutzten in dieser Zeit die Genehmigung zum Besuch der Hauptstadt aus.
Während der Pfingstfeiertage (5.6.–7.6.) wurden dagegen 311 671 Westberliner Bürger = 39 % aller Westberliner Besucher während der 2. Besuchsperiode des laufenden Passierscheinabkommens – erwartet. Eingereist sind in dieser Zeit 249 468 Personen, d. h. die genehmigten Passierscheine wurden zu 80 % genutzt.
Die schwerpunktmäßige Belastung der Grenzübergangsstellen hat sich gegenüber den vorhergegangenen Besuchsperioden nicht verändert.
Die Abfertigung der Westberliner an den GÜST erfolgte schnell, reibungslos und ohne besondere Vorkommnisse. Lediglich am 6.6.1965 entstanden aufgrund der hohen Anzahl der Einreisenden geringfügige Wartezeiten.
Die Einreise der Westberliner erfolgte hauptsächlich in der Zeit zwischen 9.00 und 11.00 Uhr, während sich die Ausreise auf die Zeit ab 21.00 Uhr, verstärkt aber erst nach 23.00 Uhr konzentrierte. Abschluss der Ausreise war stets zwischen 24.00 Uhr und 0.15 Uhr. Am 6.6. und 7.6. verzögerte sich der Abschluss der Ausreise besonders auf den GÜST Bahnhof Friedrichstraße bis auf 1.50 Uhr.
In der Zeit vom 7.6.1965, 23.50 Uhr, bis 8.7.1965, 1.00 Uhr, wurde der S-Bahnverkehr vom Bahnhof Friedrichstraße nach Westberlin gesperrt, da ein Sicherungsposten der NVA/Grenze beobachtet hatte, wie eine unbekannte männliche Person den Sicherungsteil der NVA/Grenze auf dem S-Bahnhof Friedrichstraße überstieg. Die sofort eingeleiteten Untersuchungen blieben jedoch, obwohl nach Alarmauslösung kein S-Bahnzug den Bahnhof verlassen hat, erfolglos. Ab 1.00 Uhr wurde der Fahrbetrieb nach Westberlin wieder freigegeben.
Westberliner Kontrollkräfte, hauptsächlich des Zolls, registrierten seit dem 31.5. erneut den Westberliner Besucherverkehr mit Zählwerken.
In drei Fällen wurden Westberliner Bürger an unseren GÜST zurückgewiesen, weil sie nicht im Besitz ordnungsgemäßer Einreisedokumente waren bzw. weil sie den Mindestumtausch verweigerten.
Im angegebenen Zeitraum wurden 16 Westberliner Bürger vorläufig festgenommen, vor allem wegen Verlustes von Tagespassierscheinen bzw. anderen Westberliner Personaldokumenten oder wegen Zeitüberschreitung. Aufgrund der eingeleiteten Maßnahmen konnte das illegale Verlassen der DDR durch Benutzung der in Verlust geratenen Dokumente verhindert werden. Alle Westberliner Bürger wurden daher nach entsprechender Belehrung nach Westberlin ausgeschleust.
In der Berichtsperiode bekannt gewordene Versuche, während der jetzigen Besuchsperiode DDR-Bürger auszuschleusen, führten zur Inhaftierung des Westberliner Bürgers [Name 1, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1922 in Lüneburg, zzt. ohne Beschäftigung, bekannt als arbeitsscheues Element, wohnhaft Berlin-Reinickendorf, [Straße Nr.], eingereist am 1.6.1965 mit westdeutschem Pass und Tagesaufenthaltsgenehmigung.
[Name 1] wurde gemeinsam mit dem DDR-Bürger [Name 2, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1948 in Leipzig, Hilfsschlosser der DR in Leipzig, wohnhaft Leipzig S 3, [Straße Nr.], an der Staatsgrenze in Berlin-Mitte, Zimmerstraße, gestellt, als sie Möglichkeiten für einen illegalen Grenzdurchbruch ausfindig machen wollten.
[Name 1] hatte vorher dem [Name 2] in der Mitropa-Gaststätte im Bahnhof Friedrichstraße in angetrunkenem Zustand angeboten, ihn mithilfe seiner westdeutschen Ausweispapiere und der Tagesaufenthaltsgenehmigung nach Westberlin auszuschleusen.
In der Berichtsperiode wurde weiter der westdeutsche Bürger [Name 3, Vorname 1], geb. am [Tag, Monat] 1940 in Krefeld, wohnhaft Krefeld, [Straße Nr.], Maurer, zzt. ohne Beschäftigung, festgenommen, der seinen Bruder, [Name 3, Vorname 2], geb. [Tag, Monat] 1943 in Weimar, wohnhaft Weimar, [Straße Nr.], Maurer, Laborant im VEB Spezialbaukombinat Weimar, mithilfe eines gefälschten westdeutschen Reisepasses am 1.6.1965 nach Westberlin ausschleusen wollte. Gegen beide wurde ein Ermittlungsverfahren mit Haft eingeleitet. Gegen die Mutter, die von dem Vorhaben unterrichtet war, wurde ein Ermittlungsverfahren ohne Haft eingeleitet.
Während der bisherigen Besuchstage wurden zwei DDR-Bürger wegen des Versuchs, unter Ausnutzung des Ausreiseverkehrs über unsere GÜST illegal nach Westberlin zu gelangen, inhaftiert.