3. Bericht über die Leipziger Frühjahrsmesse
[Ohne Datum]
Einzelinformation Nr. 192/65 über den Verlauf der Leipziger Frühjahrsmesse 1965 (3. Bericht)
Bis zum 5.3.1965, 19.00 Uhr, waren folgende Messegäste aus dem Ausland und aus Westdeutschland polizeilich gemeldet:
Soz. Staaten | 19 645 (14 407) | + 5 328 |
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Nichtsoz. Staaten | 9 352 (6 614) | + 2 738 |
Westberlin | 4 625 (4 174) | + 451 |
Westdeutschland | 20 548 (14 642) | + 5 906 |
West. Delegationen (Arbeiterkonferenz) | 3 579 (1 673) | + 1 906 |
Von den Außenhandelsorganen wird eingeschätzt, dass die Zusammensetzung der Besucher der Leipziger Messe gegenüber dem Vorjahr erheblich qualifizierter geworden ist. Es wird eingeschätzt, dass neben zahlreichen Vertretern auch in großem Umfange die Endverbraucher der Erzeugnisse der DDR eingetroffen sind, die teilweise mit den von Vertretern gecharterten Sonderflugzeugen einreisten.
Zu Problemen der Handelstätigkeit
Nach dem bisher vorliegenden Stand der Abschlusstätigkeit zum 4.3.1965 ist das vergleichbare Ergebnis der Vorjahresmesse bisher um 25 % im Export und um etwa 500 % im Import übertroffen worden. (Die starke Steigerung des Importes geht auf Kosten der Abschlüsse mit der Sowjetunion.)
Damit sind bisher 72,8 % des Exportplanes und 66,1 % des Importplanes vertraglich gebunden. In der metallverarbeitenden Industrie wurden bisher Verträge in Höhe von 254 Mio. Valuta-Mark abgeschlossen.
Vom MAI wird eingeschätzt, dass die Vertragsbindung im Export gegenwärtig noch völlig ungenügend ist. Zur 100%igen Vertragsbindung des Staatsplanes 1965 sind von der metallverarbeitenden Industrie für den kapitalistischen Weltmarkt noch Verträge in Höhe von rund 500 Mio. VMDN abzuschließen.
Für den Export in die RGW-Staaten sind noch Verträge in Höhe von 1,9 Milliarden VMDN abzuschließen. Diese Vertragsabschlüsse verteilen sich auf alle RGW-Staaten mit Ausnahme der Mongolischen Volksrepublik. Die bisher fehlenden Verträge mit der Sowjetunion beruhen zu ca. 50 % auf Meinungsverschiedenheiten im Preis, zu 10 % auf unklaren Spezifikationen und zu 13 % auf Fragen der Abnahme. Bei der VR Polen sind die Verträge über Kali, Kohle und Erzeugnisse der metallverarbeitenden Industrie noch offen. Zum Teil handelt es sich um Waren, die nicht mehr bereitgestellt werden können, so z. B. über 10 000 Fernseher und 75 Maschinenkühlwagen.
Zur Sicherung des Importplanes aus den RGW-Ländern fehlen noch Verträge für Importe aus der Sowjetunion, der VR Polen und Ungarn. Bei der Sowjetunion fehlen Verträge in Höhe von rund 2 Milliarden VMDN, wobei es sich im Wesentlichen um Positionen handelt wie Lebensmittel und Rohstoffe, die wegen unterschiedlicher Auffassung zu Preis- und Qualitätsfragen noch nicht endgültig ausgehandelt werden konnten.
Es gibt Beispiele über ungerechtfertigte Preisforderungen der Sowjetunion, die teilweise zu einer politischen Fehleinschätzung durch die sowjetischen Genossen führen. So drohte die sowjetische Außenhandelsgesellschaft Med-Export, ein Angebot über Brillengläser von den Optischen Werken Oberkochen (die das Warenzeichen Zeiss okkupiert haben)1 einzuholen, falls VEB Carl Zeiss Jena nicht auf die sowjetischen Preisforderungen eingeht.
Ähnliche Auseinandersetzungen gibt es über die Lieferung von Maschinenkühlwagen, wo die Sowjetunion in den vergangenen Jahren den Vertragsabschluss über Schienenfahrzeuge erst dann vollzog, nachdem die Produktion in der DDR bereits im Gange war, sodass die DDR nachgeben musste. In diesem Jahr wird es dank der großen Aufträge aus der VR Polen, der VR China und anderen Ländern möglich sein, diesem Problem aus dem Weg zu gehen.
Zur Absatztätigkeit der Außenhandelsorgane
In den letzten beiden Tagen sind eine große Anzahl von wichtigen Abschlüssen nach den verschiedensten Ländern getätigt worden. Eine besondere Rolle spielt dabei der Absatz von Industrieanlagen. So wurde ein Drahtseilwerk im Werte von 10 Mio. VMDN nach der VR China verkauft. Verhandlungen über den Absatz von Industrieanlagen werden mit Griechenland, der VAR, Indien (u. a. eine größere Schiffswerft), Kuba, Jugoslawien (u. a. ein komplettes Druckgaswerk für 30 Mio. VMDN), Indonesien (ebenfalls ein komplettes Druckgaswerk für 40 Mio. VMDN), Ghana (u. a. eine Papierfabrik für 35 Mio. VMDN), Chile (Fischmehlanlagen), Spanien und der Türkei geführt. Darüber hinaus sind größere Abschlüsse über Erzeugnisse der Elektroindustrie, darunter ein Vertrag mit der UdSSR über Wohnraumleuchten in Höhe von 19 Mio. VMDN, der Werkzeugmaschinenindustrie, des allgemeinen Maschinenbaus und des Fahrzeugbaus (darunter Schiffe für Westdeutschland) getätigt worden.
Auch auf dem Gebiete des Lizenzhandels gibt es gute Fortschritte. Bemerkenswert sind z. B. Sondierungen der amerikanischen Automobilindustrie über den Erwerb von Lizenzen über die Verarbeitung von Plasten beim Automobilbau.
Für den Import der DDR liegen aus den kapitalistischen Ländern zahlreiche Angebote für Chemieanlagen vor, die unseren Bedarf weit übersteigen. Dem gegenüber sind die Anfragen für Importe von Chemieanlagen aus der DDR noch zu gering. Im Allgemeinen wird vom MAI eingeschätzt, dass die Vertragsabschlüsse über Waren der Leichtindustrie gute Fortschritte erkennen lassen, bei [der] metallverarbeitenden Industrie jedoch noch zu schleppend vorangehen.
Die vorliegenden Stimmen über das technische Niveau der Leipziger Frühjahrsmesse sind fast durchweg positiv. Das betrifft sowohl die Besuche aus den sozialistischen Ländern, wie auch die Besuche aus den kapitalistischen Ländern. Trotzdem gibt es noch eine Reihe von Mängeln, von denen vom Volkswirtschaftsrat als wesentlichste Folgende herausgestellt werden:
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Länge der Lieferfristen, die nach Auffassung des Volkswirtschaftsrates in erster Linie durch das ungenügende Niveau des Produktionsdurchlaufs und der Produktionsorganisation bedingt sind.
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Ungenügendes Eingehen auf die Wünsche der Kunden für die Verpackung der Produkte.
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Die Kundendienstbetreuung, die als mangelhaft kritisiert wird. Die Vertreter verlangen Kundendienstingenieure und -monteure, die die Landessprache beherrschen, da die Gestellung von Dolmetschern zu große Kosten verursache.
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Die ungenügende Belieferung mit Ersatzteilen (besonders VVB Nagema und Polygraph).
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Die Qualität der Werkzeugmaschinen habe sich nicht verbessert, insbesondere was die eingebauten Wälzlager, die elektrische Ausrüstung und die Oberflächenbeschaffenheit anbetrifft.
Festzustellen ist, dass die westdeutschen Konzerne versuchen, die Lieferfristen unserer Chemieanlagenindustrie zu testen, indem sie kurzfristig Angebote verlangen, ohne später darauf zurückzukommen.
Die letzten außenpolitischen Erfolge der DDR schaffen ein günstiges Klima für die Erweiterung des Außenhandels der DDR. So erklärte der leitende Mitarbeiter des Sekretariats der Europäischen Wirtschaftskommission der UN (ECE), Genosse Bukreev, dass sich das Klima im Sekretariat der ECE zu Gunsten der DDR verändert habe. So hat die ECE vorgeschlagen, dass sich die DDR an der Vorbereitung der Handelskomiteetagung im Oktober 1965 durch bilaterale Gespräche mit kapitalistischen Ländern beteiligt.
Nach der Reise des Staatsratsvorsitzenden in die VAR bemühen sich westdeutsche, französische und britische Firmen um Zusammenarbeit mit der DDR in der VAR und im gesamten arabischen Raum. So unterbreitete der führende britische Elektronik-Konzern Pye inoffiziell den Vorschlag, britische Waren gegen eine Provision von 10 % über die DDR nach der VAR zu liefern. In Leipzig anwesende kompetente Persönlichkeiten Uruguays und des Libanon (Minister) erklärten, dass eine Verbesserung des Status der DDR in diesen Ländern zu erwarten sei.
Verschiedentlich wird das Angebot für eine Verbesserung des Status der DDR mit Forderungen nach verstärkten Importen der DDR aus diesen Ländern verbunden. So fordert der libanesische Minister für nationale Wirtschaft als Bedingung für die Erhöhung des Status den verstärkten Import von Äpfeln aus seinem Land. Japanische Industrielle verlangen als Bedingung für ihre Initiative zur Gründung einer deutsch-japanischen Handelsvereinigung den Import von 200 Bulldozern durch die DDR.