4. Bericht über die 2. Periode des Passierscheinabkommens
22. März 1965
4. Bericht Nr. 250/65 über die 2. Periode der (Beantragung und) Ausgabe von Passierscheinen des laufenden Passierscheinabkommens
Im Zeitraum vom 18.3. bis 20.3.1965 wurden in den Passierscheinstellen in Westberlin insgesamt 40 055 Passierscheinanträge gestellt, davon am
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18.3.: 21 558,
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19.3.: 9 838,
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20.3.: 8 659.
Mit diesen Anträgen ersuchen für die erste Besuchsperiode – Ostern 1965 – 56 327 Personen mit 5 351 Kfz und für die zweite Besuchsperiode – Pfingsten 1965 – 57 403 Personen mit 5 498 Kfz um Genehmigung zum Besuch der Hauptstadt der DDR.1
Damit wurden in der Zeit vom 8.3. bis 20.3.1965 insgesamt 432 724 Anträge auf Genehmigung eines Besuches in der Hauptstadt der DDR gestellt.
Auf diesen Anträgen sind insgesamt 1 302 539 Personen mit 121 486 Kfz erfasst, davon in der 1. Besuchsperiode – Ostern 1965 – 659 330 Personen mit 61 871 Kfz und in der 2. Besuchsperiode – Pfingsten 1965 – 643 209 Personen mit 59 605 Kfz.
Die bereits in den vorhergehenden Berichten genannten Schwerpunkttage der Einreise sind nach den nunmehr endgültigen vorliegenden Anträgen bestehen geblieben und verteilen sich wie folgt:
in der 1. Besuchsperiode:
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16.4.: 98 080 Personen mit 9 280 Kfz,
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18.4.: 97 658 Personen mit 7 535 Kfz,
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24.4.: 97 580 Personen mit 11 186 Kfz,
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17.4.: 89 968 Personen mit 8 015 Kfz,
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19.4.: 71 422 Personen mit 5 998 Kfz,
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25.4.: 69 073 Personen mit 8 078 Kfz;
in der 2. Besuchsperiode:
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6.6.: 118 633 Personen mit 9 001 Kfz,
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12.6.: 108 399 Personen mit 11 639 Kfz,
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5.6.: 98 363 Personen mit 9 083 Kfz,
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7.6.: 96 563 Personen mit 8 148 Kfz,
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13.6.: 76 008 Personen mit 8 641 Kfz.
In [sic!] den übrigen Wochentagen beider Besuchszeiträume schwanken die täglichen Einreisen zwischen 8 824 Personen mit 986 Kfz (23.4.) und 29 724 Personen mit 2 495 Kfz (8.6.).
Die tägliche Belastung der einzelnen Grenzübergangsstellen für Westberliner Bürger erreicht nach den vorliegenden Anträgen etwa folgende Werte:
- 1.
Die Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße – S-Bahn und U-Bahn – hat den größten Anteil der Ein- und Ausreisen zu bewältigen. Für die genannten Schwerpunkttage sind für den Bahnhof Friedrichstraße Einreisen zwischen 59 686 Personen (6.6.) und 31 777 Personen (25.4.) beantragt worden. An den übrigen Einreisetagen bewegt sich die Anzahl der beantragten Einreisen über den Bahnhof Friedrichstraße zwischen 4 700 und 16 000.
- 2.
Die Grenzübergangsstelle Sonnenallee ist von den Grenzübergangsstellen mit Kfz-Verkehr am stärksten belastet, erreicht jedoch bei Weitem nicht die Werte der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße (an den Schwerpunkttagen zwischen 17 796 Personen mit 4 358 Kfz (12.6.) und 12 106 Personen mit 3 143 Kfz (13.6.)). An den übrigen Einreisetagen schwankt die Anzahl der beantragten Einreisen über die Grenzübergangsstelle Sonnenallee zwischen 1 300 mit 350 Kfz und 10 275 mit 2 200 Kfz.
- 3.
Für die Grenzübergangsstelle Chausseestraße sind an den Schwerpunkttagen Einreisen zwischen 16 470 Personen mit 3 755 Kfz (12.6.) und 10 410 Personen mit 2 485 Kfz (25.4.) beantragt worden. An den übrigen Einreisetagen bewegt sich die Anzahl der beantragten Einreisen zwischen 1 200 Personen mit 270 Kfz und 9 600 Personen mit 2 000 Kfz.
- 4.
Für die Grenzübergangsstelle Invalidenstraße sind an den Schwerpunkttagen Einreisen zwischen 12 342 Personen mit 3 526 Kfz (12.6.) und 8 473 Personen mit 2 450 Kfz (25.4.) beantragt worden. An den übrigen Einreisetagen bewegt sich die Anzahl der beantragten Einreisen zwischen 1 100 Personen mit 310 Kfz und 7 000 Personen mit 1 800 Kfz.
- 5.
Für die Grenzübergangsstelle Oberbaumbrücke sind an den Schwerpunkttagen Einreisen zwischen 15 774 Personen (6.6.) und 6 307 Personen (25.4.) beantragt worden. An den übrigen Einreisetagen schwankt die Anzahl der beantragten Einreisen zwischen 870 und 3 100.
In der Zeit vom 18. bis 20.3.1965 kam es während der Transport- und Kurierfahrten zu keinen besonderen Vorkommnissen. Der Besucherstrom hat in dieser Zeit weiter nachgelassen, sodass in den Passierscheinstellen durchschnittlich nur fünf, in einigen Passierscheinstellen zeitweise sogar nur zwei Schalter geöffnet werden brauchten. Zur Ansammlung von Antragstellern kam es lediglich vor der Eröffnung der Passierscheinstellen, wobei die Anzahl der Wartenden im Durchschnitt bei ca. 80 bis 100 Antragstellern lag, am 20.3.1965 waren es nur noch zehn Wartende je Passierscheinstelle.
Die Abfertigung aller Antragsteller erfolgte reibungslos und ohne größere Vorkommnisse.
In der Berichtszeit gab es wiederum einige Antragsteller, die auf der Einreise an bereits überlasteten Besuchstagen bestanden. Alle diesbezüglichen Anträge wurden entgegengenommen. Weitere Anträge mit dem Verwandtschaftsgrad Cousin – Cousine wurden angenommen, wenn es sich bei den Antragstellern um Jugendliche (ab 16 Jahre) handelt, die in Begleitung ihrer Eltern einreisen.2
In der Arbeitsweise der Westberliner Einsatzkräfte gab es gegenüber den Vortagen keine wesentlichen Veränderungen. Im Allgemeinen war die Zusammenarbeit gut. Die aufgetretenen Fehler und Mängel in ihrer Kontrolltätigkeit waren gering.
Zu einer Verletzung des Protokolls kam es am 18.3.1965 in der Passierscheinstelle Neukölln, wo der Beauftragte des Senats [Name 1] gegen 17.50 Uhr unserem Gruppenleiter mitteilte, dass er die Passierscheinstelle schließen lasse, weil sich kein Antragsteller im Passierscheinstellenbereich befände. Trotz Protestes unseres Gruppenleiters ließ [Name 1] die Passierscheinstelle schließen und die westlichen Einsatzkräfte ihre Arbeit beenden. Unsere Angestellten hielten bis 18.00 Uhr einen Schalter geöffnet.
Die Disziplin und Arbeitsmoral unserer Angestellten war trotz des geringen Besucherverkehrs vorbildlich. Bei den Westkräften waren jedoch in den letzten Tagen ein verstärktes Desinteresse an der Arbeit und ein Nachlassen der Arbeitsmoral festzustellen.
Z. B. führten die West-Angestellten untereinander oftmals längere private Unterhaltungen, unabhängig davon, ob sich Antragsteller am Schalter befanden oder nicht. Erst nachdem bereits mehrere Antragsteller am Schalter ausstanden, nahmen sie, zum Teil widerwillig, deren Abfertigung vor. In der Passierscheinstelle Wedding schickten die West-Angestellten Antragsteller an andere Schalter, wenn sie sich bei ihren Gesprächen nicht stören lassen wollten. In der Passierscheinstelle Tempelhof wurde den Westkräften am 18.3.1965 Tee gereicht, in dem der Rum-Anteil überwog. In der Passierscheinstelle Kreuzberg/Urbanstraße verhielt sich die Antragstellerin [Vorname Name 2] bei der Ablehnung eines Antrages, auf dem als Verwandtschaftsverhältnis »Großtante« angegeben worden war, äußerst provokatorisch. Sie wurde durch die eingesetzten Westberliner Polizeikräfte gewaltsam aus dem Arbeitsraum gebracht.
Am 20.3.1965 wurden von unseren Gruppenleitern mit dem Leiter der westlichen Einsatzkräfte Absprachen betr. der am 22.3.1965 beginnenden Ausgabe der Passierscheine geführt. Dabei wurde auf die erforderlichen Umräumungsarbeiten hingewiesen. In den meisten Passierscheinstellen zeigten die Westkräfte Verständnis und begannen unmittelbar nach Antrags-Annahmeschluss am 20.3.1965 mit den Umräumungsarbeiten für die Ausgabe der Passierscheine am 22.3.1965 (z. B. in den Passierscheinstellen Reinickendorf, Spandau, Kreuzberg, Neukölln und Tempelhof). Im Zusammenhang mit der Ausgabe der Passierscheine gab es in den Passierscheinstellen Charlottenburg und Wilmersdorf eine Reihe Antragsteller, die den Wunsch äußerten, ihre Passierscheine an einem anderen Ausgabetag als dem vorgesehenen abzuholen. Einige Antragsteller erkundigten sich auch nach Abholmöglichkeiten in einer eventuellen Sonderstelle nach Abschluss der regulären Ausgabetage.
Am 18.3.1965 erschienen in acht Passierscheinstellen leitende Angehörige der Westberliner Landespostdirektion, die sich jeweils ca. 30 Minuten in den Passierscheinstellen aufhielten und Gespräche mit den DDR-Gruppenleitern und den Leitern der Westkräfte führten.
In den Passierscheinstellen Neukölln und Steglitz erkundigte sich der Präsident der Westberliner Landespost Dipl.-Ing. [Name 3] am 9.3.1965 bei unseren Gruppenleitern über die Zusammenarbeit mit den West-Angestellten. Am 20.3.1965 suchte [Name 3] die Passierscheinstelle Charlottenburg auf, wo er ebenfalls mit dem Gruppenleiter unserer Einsatzkräfte sprach.
Während am 18. und 19.3.1965 keine Rundfunk- und Fotoreporter die Passierscheinstellen aufsuchten, entwickelten diese Kräfte am letzten Tag der Ausgabe (20.3.1965) eine stärkere Aktivität. In der Passierscheinstelle Neukölln/Morusstraße waren drei Reporter des Westfernsehens anwesend. In der Passierscheinstelle Schöneberg interviewte ein Reporter des NWDR mehrere Antragsteller. Weiter wurden unsere Angestellten bei ihrer Rückkehr an den Grenzübergangsstellen vom Westfernsehen und einzelnen Bildreportern gefilmt.