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5. Bericht über das Passierscheinabkommen Weihnachten 1965

20. Dezember 1965
5. Bericht Nr. 1135/65 über den Verlauf des Passierscheinabkommens Weihnachten 1965

Für den Besuchszeitraum Weihnachten 1965 des 3. Passierscheinabkommens wurden von Westberliner Bürgern 350 524 Anträge für 980 264 Personen und 99 166 Kfz zum Besuch der Hauptstadt der DDR gestellt. (Besuchszeitraum Weihnachten 1964: 351 820 Anträge für 1 111 810 Personen und 121 463 Kfz)1

Ausgegeben wurden 595 198 Passierscheine für 970 618 Westberliner Bürger und 98 264 Kfz zum Besuch der Hauptstadt der DDR. (Weihnachten 1964: 618 559 Passierscheine für 1 099 618 Personen)

Von den Westberliner Antragstellern sind 4 204 Passierscheine für 6 768 Personen nicht abgeholt worden.

Abgelehnt wurden insgesamt 1 950 Passierscheine für 2 878 Personen.

Die Ablehnung erfolgte für

  • 516 Personen wegen Mehrfachantragstellung,

  • 926 Personen wegen Beantragung von Besuchen in Orte außerhalb der Hauptstadt der DDR,

  • 307 Personen wegen Verstoßes gegen die Gesetze der DDR,

  • 1 129 Personen aus sonstigen Gründen.

Von den Mehrfachantragstellern waren über die zwei vorgesehenen Besuche hinaus folgende Anträge gestellt worden:

  • 1 mal für 58 Besuche,

  • 2 mal für 124 Besuche,

  • 3 mal für 1 Besuch,

  • 4 mal für 2 Besuche,

  • 5 mal für 1 Besuch,

  • 6 mal für 1 Besuch.

Während der Passierschein-Ausgabeperiode (13.–18.12.1965) kam es beim Übergang an den GÜST und beim Transport der DDR-Postangestellten zu den Passierscheinstellen und zurück – einschließlich der Kurierfahrten – zu keinen besonderen Vorkommnissen.

In allen Passierscheinstellen entsprachen die Einrichtungen den Verfahren der Ausgabe, sodass es keine Beanstandungen gab und am 13.12.1965 pünktlich 10.00 Uhr mit der Passierscheinausgabe begonnen werden konnte.

In den ersten Tagen der Ausgabe herrschte in allen Passierscheinstellen ein starker Besucherverkehr, wobei es besonders bei Arbeitsbeginn – in den einzelnen Passierscheinstellen unterschiedlich – zu Ansammlungen bis zu 1 000 Personen kam. Ab 15.12.1965 ließ der Besucherandrang jedoch merklich nach, sodass es in der Regel ab 10.30 Uhr keine Wartezeiten mehr gab.

Ab 16.12.1965 wurde die Anzahl der eingesetzten DDR-Postangestellten stark reduziert, ohne dass eine Überlastung dieser Kräfte oder eine Behinderung des Arbeitsablaufes eintrat. Besonders in den letzten Tagen waren die DDR-Angestellten nicht mehr voll ausgelastet, sodass z. T. mehrere Schalter geschlossen werden konnten. Alle Antragsteller wurden während der festgelegten Öffnungszeiten abgefertigt.

Die Zusammenarbeit mit den Westkräften war im Wesentlichen gut; Hinweise der DDR-Angestellten auf eine Verbesserung des Arbeitsablaufs wurden im Allgemeinen beachtet. Während der gesamten Passierschein-Ausgabeperiode interessierten sich die Westkräfte sehr stark für Antragsteller, deren Passierscheine abgelehnt worden waren. Sie führten Befragungen mit diesen Personen durch oder kamen mit den Antragstellern oder allein zu den DDR-Angestellten, um die Gründe der Ablehnung zu erfahren.

In einigen Passierscheinstellen wurden zu diesem Zweck die schon aus der letzten Aktion bekannten Befragungszimmer eingerichtet.

Bereits am 13.12.1965 erklärte der Leiter der Senatskräfte in der Passierscheinstelle Charlottenburg [Name 1] dem DDR-Gruppenleiter, dass es in der Ausgabeperiode zu seinen Aufgaben gehöre, durch Gespräche mit den entsprechenden Antragstellern die Fälle und Gründe der Passierscheinablehnung zu ermitteln.

Am 15.12.1965 brachten die Westkräfte in allen Passierscheinstellen Hinweistafeln an, die die Aufforderung an die Antragsteller enthielten, die Passierscheine sofort auf die Richtigkeit der Eintragungen zu überprüfen. Der Leiter der Senatskräfte in der Passierscheinstelle Kreuzberg/Boeckhstraße erklärte dazu, dass diese Schilder auf Weisung des Innensenators angebracht wurden.

In mehreren Fällen wurde beobachtet, dass die Leiter der westlichen Einsatzkräfte ihre vorgesetzte Dienststelle über die Antragsablehnung telefonisch informierten.

Vielfach setzten sich die Westkräfte – besonders die Leiter – mit den entsprechenden Antragstellern auseinander und machten ihnen klar, dass sie an der Ablehnung allein schuld seien, weil das angegebene Besuchsziel außerhalb der Hauptstadt der DDR liegt oder die Antragstellung aus anderen Gründen nicht dem Protokoll entsprach.

In allen Passierscheinstellen verteilten die Westkräfte die Zoll- und Warenerklärungen der DDR, lehnten es jedoch ab, auch die Merkblätter auszugeben. Gegen die Verteilung der Merkblätter durch die DDR-Postangestellten erhoben die Westkräfte jedoch keine Einwände. In der Passierscheinstelle Tempelhof übernahm der Leiter der Westpostkräfte am 13.12.1965 zunächst die Merkblätter zur Verteilung, gab sie aber nach kurzer Zeit zurück mit der Begründung, dass er sie nicht verteilen könne, weil das auch in den anderen Passierscheinstellen nicht so gehandhabt werde.

Mit dem Rückgang des Besucherverkehrs in den Passierscheinstellen ließen auch die Disziplin und Arbeitsmoral der Westkräfte nach. Die Westberliner Einsatzkräfte in der Passierscheinstelle Zehlendorf äußerten, dass sie sich überflüssig vorkommen. Diese Stimmung führte in einzelnen Passierscheinstellen zu Mängeln, die sich teilweise auf den Arbeitsablauf auswirkten. Aufgrund der nachlässigen Arbeitsweise der Westkräfte gelangten die Antragsteller in einigen Fällen ohne Personalausweise zu den DDR-Angestellten, um die Passierscheine abzuholen bzw. kamen Antragsteller mit falschen Seriennummern an die Schalter. In der Passierscheinstelle Tempelhof wurde festgestellt, dass die Westkräfte in einigen Fällen die Antragsteller über die Abholberechtigung und die Vorlage der erforderlichen Ausweisdokumente beim Abholen der Passierscheine falsch informiert hatten.

In den Passierscheinstellen Spandau und Charlottenburg wurden fast alle Senatskräfte aufgrund des geringen Besucherverkehrs am 17.12.1965, gegen 16.00 Uhr, nach Hause geschickt.

Die Stimmung und Disziplin der Westberliner Passierschein-Abholer waren gut. Der größte Teil dieser Personen lobte die gute Organisation und sprach sich anerkennend über die schnelle und korrekte Abfertigung aus. In vielen Fällen wurde unseren Postangestellten persönlich gedankt.

Wiederholt wurden dabei Geschenke – vorwiegend Genussmittel – angeboten, die in allen Fällen korrekt zurückgewiesen wurden.

In Fällen der Ablehnung der Passierscheine reagierten die Antragsteller sehr unterschiedlich. Ein Teil dieser Personen nahm die Mitteilung der Ablehnung kommentarlos zur Kenntnis, wobei diesem Personenkreis die Gründe der Ablehnung offensichtlich bekannt waren (z. B. Doppelantragsteller). Weitere Antragsteller versuchten mehr oder weniger hartnäckig von den DDR-Angestellten die Gründe der Ablehnung zu erfahren. Einige dieser Personen erklärten, sich bei den DDR-Behörden beschweren zu wollen.

Nur in Einzelfällen kam es dabei zu negativen Diskussionen. In wenigen Fällen wurde der Passierschein von den Antragstellern aus Verärgerung in der Passierscheinstelle zerrissen.

Während der Passierscheinausgabe besuchten wiederholt leitende Mitarbeiter des Westberliner Senats und der Post die Passierscheinstellen, wobei sie sich über den Arbeitsablauf und die Zusammenarbeit informierten.

Weiter wurden in der Berichtsperiode wiederholt Film- und Fotoreporter, u. a. des Westfernsehens, an den Grenzübergangsstellen und in den Passierscheinstellen festgestellt, die vorwiegend den Arbeitsablauf und unsere Postangestellten aufnahmen. Die Tätigkeit der DDR-Postangestellten wurde dabei in keinem Fall behindert.

Organisierte Störaktionen in den Passierscheinstellen waren nicht zu verzeichnen.

Der Besucherverkehr über die GÜST an der Staatsgrenze in Berlin verlief in den ersten beiden Besuchstagen wie folgt:

[Einreistag]

18.12.

19.12.

Aufgrund der ausgegebenen Passierscheine wurden erwartet

109 011

87 239

eingereist sind

96 664

(88,7 %)

80 340

(91,6 %)

mit Kfz

10 723

7 924

Davon reisten über die einzelnen GÜST ein:

[Grenzübergangsstelle]

18.12.

19.12.

Bahnhof Friedrichstraße

45 872

39 099

Chausseestraße

15 313

11 531

Invalidenstraße

11 343

9 521

Oberbaumbrücke

9 706

7 333

Sonnenallee

14 430

12 856

Damit reisten am 18. und 19.12.1965 insgesamt 177 004 Westberliner Bürger mit Passierscheinen in die Hauptstadt der DDR ein.

Mit Passierscheinen für dringende Familienangelegenheiten reisten außerdem 15 Personen am 18.12.1965 und 21 Personen am 19.12.1965 ein.

Neben diesen Westberliner Bürgern reisten am 18.12.1965 7 775 und am 19.12.1965 7 352 Personen aus Westdeutschland und aus anderen nichtsozialistischen Ländern in die Hauptstadt der DDR ein.

Für die nächsten Tage ist aufgrund der ausgegebenen Passierscheine mit folgenden Einreisezahlen Westberliner Bürger zu rechnen:

  • 20.12.1965: 35 277,

  • 21.12.1965: 25 852,

  • 22.12.1965: 24 398,

  • 23.12.1965: 9 823.

Die Abfertigung der Ein- und Ausreisenden verlief an beiden Tagen reibungslos und ohne wesentliche Wartezeiten. Die fünf GÜST für Westberliner Besucher wurden am 18. und 19.12.1965, gegen 6.45 Uhr, geöffnet.

Zu diesem Zeitpunkt befanden sich am 18.12.1965 etwa 440 Fußgänger und 120 Kfz und am 19.12.1965 etwa 230 Fußgänger und 150 Kfz an den GÜST im westlichen Vorfeld, die auf Abfertigung warteten. Es erfolgte an beiden Tagen mit 31 Abfertigungsstellen für Kfz und 62 Abfertigungsstellen für Fußgänger eine reibungslose Abfertigung.

Eine konzentrierte Einreise Westberliner Bürger erfolgte am 18.12.1965 in der Zeit von 9.00 – 13.00 Uhr und am 19.12.1965 von 8.00 bis 12.00 Uhr, sodass es am 18.12.1965 zu einigen kurzfristigen Stauungen an den GÜST Invalidenstraße und Sonnenallee kam, wobei infolge konzentrierter Anfahrt im westlichen Vorfeld maximale Wartezeiten von 45 Minuten auftraten. An beiden Tagen reisten an der GÜST Bahnhof Friedrichstraße mehr Personen ein als die Genehmigungen dafür vorsahen. Die Einreise wurde trotzdem gewährt.

Schwerpunkt der Ausreise lag am 18.12.1965 in der Zeit von 23.00 bis 1.50 Uhr und am 19.12.1965 von 21.00 bis 23.30 Uhr. Während die Abwicklung des Besucherverkehrs für Fußgänger ohne größere Stauungen verlief, kam es insbesondere am 18.12.1965 zu maximalen Wartezeiten bis zu 40 Minuten bei der Abwicklung der Pkw-Ausreise an der GÜST Sonnenallee. Vorübergehende Stauungen und Wartezeiten bei der Ausreise der Westberliner Bürger an der GÜST Friedrichstraße am 18.12.1965, hervorgerufen durch mangelhafte Organisation und zu wenig eröffnete Kontrollstationen, wurden durch eine Umdisponierung der Kräfte behoben.

Besondere, über die getroffenen Vereinbarungen hinausgehende Maßnahmen zur Sicherung einer reibungslosen Abfertigung waren nicht erforderlich.

Die eingereisten Westberliner Besucher brachten vielfach ihre Befriedigung über die reibungslose Abwicklung beim Grenzübertritt und über die gut organisierte Abfertigung an den GÜST zum Ausdruck.

Im Zusammenhang mit der Durchführung des Mindestumtausches sind keine besonderen Vorkommnisse aufgetreten. Der überwiegende Teil der Westberliner Bürger hält den Umtauschbetrag bereits abgezählt bereit.

Vereinzelt werden von Westberliner Bürgern abwertende Diskussionen geführt, die insbesondere den Wert unserer MDN betreffen und darauf abzielen, das Passierscheinabkommen als »Devisenfang der Zone« zu bezeichnen. Nach der bisherigen Übersicht haben am 18.12.1965 73,4 % der Einreisenden den Mindestumtausch lt. Protokoll vorgenommen (Einnahmen 212 556 DM/West, außerdem Einnahmen durch zusätzlichen Umtausch 11 504 DM/West).

In den Westberliner Wechselstuben hat sich sowohl unmittelbar vor Beginn als auch mit Beginn der Besuchsperiode das illegale Umtauschgeschäft verstärkt. Es wurde beobachtet, dass in einer Stunde durchschnittlich 100 bis 150 Personen Beträge zwischen 10 bis 120 MDN tauschten. In diesem Zusammenhang ist beachtenswert, dass der zusätzliche Umtausch bei den Wechselstellen der DM zurückgegangen ist.

Von den Zollorganen wurden am 18.12.1965 bei der Ein- und Ausreise insgesamt fünf Einziehungen mitgeführter Waren, die nicht dem Protokoll entsprachen, im Wert von 305 MDN und am 19.12.1965 zehn Einziehungen im Wert von 709 MDN vorgenommen. Dabei handelt es sich insbesondere um von Westberlinern in Verstecken (z. B. unter dem Futter der Handtasche) mitgeführte Genussmittel sowie um Textilien. In zwei Fällen wurden MDN eingezogen, die in Verstecken illegal in das demokratische Berlin eingeführt werden sollten.

Ferner wurden insgesamt am 18.12.1965 215 und am 19.12.1965 146 Rückweisungen mitgeführter Waren vorgenommen. Im Wesentlichen wurden bei der Einreise Radios, Tonbänder, Kfz-Ersatzteile, Medikamente und Literatur, bei der Ausreise Porzellan, Textilien und Fleischwaren zurückgewiesen.

Formlose Einziehungen wurden am 18.12.1965 389 und am 19.12.1965 435 vorgenommen, wobei es sich im Wesentlichen um Zeitungen und Zeitschriften, Schundliteratur, Prospekte und Kalender handelt.

Bei der Einreise führten ca. 95 % der Besucher Geschenke mit, insbesondere Genussmittel und Textilien. Bei der Ausreise wurden vorwiegend Textilien, Spielzeug und kunstgewerbliche Gegenstände als Geschenke mitgeführt.

Nach den bisher vorliegenden Informationen ereigneten sich am 18.12.1965 insgesamt 23 und am 19.12.1965 insgesamt zwei Verkehrsunfälle mit Beteiligung bzw. ausschließlich unter Beteiligung Westberliner Pkw, sämtlichst mit geringem Sachschaden, in einem Fall mit geringem Personenschaden. Überwiegend waren die Verkehrsunfälle durch Westberliner Pkw infolge Nichtbeachtens der Straßenverhältnisse und der Straßenverkehrsordnung hervorgerufen worden.

An der Staatsgrenze Westberlin gab es am 18. und 19.12.1965 im Zusammenhang mit dem Passierscheinabkommen keine besonderen Vorkommnisse.

Lediglich in den Morgenstunden des 18.12.1965 war an sämtlichen GÜST im westlichen Vorfeld eine verstärkte Reportertätigkeit, z. T. mit Fotoapparaten und Fernsehkameras zu verzeichnen, die sich insbesondere auf die GÜST mit Kfz-Verkehr konzentrierte. In wenigen Fällen wurden amerikanische Jeeps festgestellt, die den grenzüberschreitenden Verkehr beobachteten und z. T. fotografierten.

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    20. Dezember 1965
    Einzelinformation Nr. 1137/65 über die Haltung führender Bonner Politiker zu sportlichen Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten

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    17. Dezember 1965
    Einzelinformation Nr. 1127/65 über einige Hemmnisse bei der Entwicklung einer automatischen Mittelpufferkupplung für die Eisenbahn