5. Bericht über die 2. Periode des Passierscheinabkommens
25. März 1965
5. Bericht Nr. 262/65 über die 2. Periode der Ausgabe von Passierscheinen des laufenden Passierscheinabkommens
Am 22.3.1965, dem 1. Tag der Ausgabe von Passierscheinen, wurden insgesamt 111 698 Passierscheine, davon für die 1. Besuchsperiode – Ostern 1965 – 56 783 Passierscheine und für die 2. Besuchsperiode – Pfingsten 1965 – 54 915 Passierscheine, mit nach Westberlin genommen.1
106 982 Passierscheine (54 396 für die 1. Besuchsperiode und 52 586 für die 2. Besuchsperiode) wurden von unseren Postangestellten ausgegeben, während 4 716 Passierscheine (2 387 für die 1. Besuchsperiode und 2 329 für die 2. Besuchsperiode) von den Westberliner Antragstellern nicht abgeholt wurden.
Am 23.3.1965 wurden einschließlich der 4 716 am Vortage nicht abgeholten Passierscheine insgesamt 131 104 Passierscheine, davon für die 1. Besuchsperiode 67 059 Passierscheine und für die 2. Besuchsperiode 64 045 Passierscheine, mit nach Westberlin genommen.
123 049 Passierscheine (62 926 für die 1. Besuchsperiode und 60 123 für die 2. Besuchsperiode) wurden davon von den Postangestellten ausgegeben, während 8 055 Passierscheine (4 133 für die 1. Besuchsperiode und 3 922 für die 2. Besuchsperiode) von den Westberliner Antragstellern nicht abgeholt wurden.
Am 24.3.1965 wurden einschließlich der 8 055 am Vortage nicht abgeholten Passierscheine insgesamt 146 731 Passierscheine, davon für die 1. Besuchsperiode 74 844 Passierscheine und für die 2. Besuchsperiode 71 887 Passierscheine, mit nach Westberlin genommen.
136 068 Passierscheine (69 409 für die 1. Besuchsperiode und 66 659 für die 2. Besuchsperiode) wurden von unseren Postangestellten ausgegeben, während 10 663 Passierscheine (5 435 für die 1. Besuchsperiode und 5 228 für die 2. Besuchsperiode) von den Westberliner Antragstellern nicht abgeholt wurden.
Damit wurden in der Zeit vom 23.3. bis 24.3.1965 insgesamt 366 099 Passierscheine, davon 186 731 für die 1. Besuchsperiode und 179 368 für die 2. Besuchsperiode, an Westberliner Antragsteller ausgegeben.
In den Tagen vom 22.3. bis 24.3. wurden insgesamt 10 663 Passierscheine von den Westberliner Antragstellern nicht abgeholt.
In der Berichtszeit gab es weder beim Transport noch bei den Kurierfahrten besondere Mängel oder Schwierigkeiten. Die technische Ausstattung der Passierscheinstellen entsprach im Wesentlichen den Anforderungen der Passierscheinausgabe. Anfangs festgestellte kleinere Mängel wurden sofort beseitigt.
Bei der Eröffnung am ersten Ausgabetag warteten vor den Passierscheinstellen zwischen 100 und 800 Antragsteller. Der größte Andrang herrschte in den Passierscheinstellen Charlottenburg und Spandau, wo jeweils 800 Abholer warteten. In allen Passierscheinstellen gab es ab 11.00 Uhr keine Wartezeiten mehr. Zu geringfügigen Stauungen kam es lediglich nochmals nach der Mittagspause. In einigen Passierscheinstellen konnten zeitweise mehrere Schalter geschlossen werden. Am 24.3.1965 waren in der Passierscheinstelle Wedding/Müllerstraße nochmals kurzfristig Wartezeiten bis zu einer Stunde zu verzeichnen, sonst gab es keine wesentlichen Veränderungen gegenüber dem ersten Ausgabetag. Die Abfertigung verlief reibungslos und ohne Störungen.
In den Passierscheinstellen wurden seit dem 22.3.1965 insgesamt 922 Blanko-Passierscheine ausgeschrieben, wofür u. a. folgende Gründe vorlagen:
- –
Vertauschen der Passierschein-Formblätter für Ostern und Pfingsten,
- –
außerhalb der Besuchszeiträume liegende Einreisetage,
- –
falsche Namen, Geburtsdaten, Personalausweisnummern und Kfz-Nummern,
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Härtefälle, bei denen für Schwerbeschädigte, Gebrechliche und Blinde eine Änderung der Grenzübergangsstelle erfolgte.
Einige Antragsteller bestanden auch bei geringfügigen Mängeln auf eine Neuausschreibung, um beim Grenzübergang keine Schwierigkeiten zu haben.
Die westlichen Einsatzkräfte empfanden bereits am ersten Tag der Passierscheinausgabe ihre Anwesenheit größtenteils als überflüssig. In den ersten Ausgabestunden waren sie zwar noch bemüht, die Kontrollabschnitte und Personaldokumente der Abholer zu überprüfen, sie vernachlässigten ihre Kontrolle aber nach und nach und ließen die Antragsteller unkontrolliert an die Schalter unserer Angestellten. Der Ordnungsdienst wurde ausschließlich von Senatsordnern durchgeführt.
Die Westberliner Postangestellten entfernten sich größtenteils von ihren Arbeitsplätzen, standen in Gruppen in den Ausgaberäumen umher, unterhielten sich, spielten Skat, Schach, Tischtennis und Gesellschaftsspiele.
In der Passierscheinstelle Kreuzberg spielten die Westkräfte am 22.3.1965 in einem Nebenraum Tischtennis. In der Passierscheinstelle Zehlendorf verbrachten die Westkräfte am 23.3.1965 die Zeit mit Schachspielen im Arbeitsraum. Ähnliche Beispiele liegen auch aus anderen Passierscheinstellen vor.
Für die Stimmung eines großen Teiles der West-Angestellten ist die Äußerung des Leiters der Westberliner Postangestellten in der Passierscheinstelle Tempelhof charakteristisch, der erklärte, dass der nicht wisse, womit er seine Untergebenen beschäftigen solle. Sie müssten offensichtlich nur in den Passierscheinstellen anwesend sein, damit die paritätische Zusammensetzung gewahrt bleibe und es nicht so aussehe, als ob es sich um Passierscheinstellen der DDR handele. Ihm selbst sei diese Maßnahme unverständlich, weil durch die Abstellung der Kräfte der Dienstbetrieb in verschiedenen Westberliner Postämtern gefährdet sei.
Bereits vor Beginn der Ausgabe am 22.3.1965 führten unsere Gruppenleiter mit den Leitern der Westkräfte Absprachen über die Zusammenarbeit in der Ausgabeperiode. Dabei wurde den Westkräften der Vorschlag unterbreitet, die Zoll- und Warenerklärungen sowie die Merkblätter der DDR an die Passierscheinempfänger auszugeben. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass die Westkräfte von den vorgesetzten Stellen die Orientierung hatten, nur die Zoll- und Warenerklärungen zu verteilen. Sie hatten keine Weisung für die Verteilung unserer Merkblätter. In der Mehrzahl der Passierscheinstellen erkundigten sich die Westkräfte erst bei ihren vorgesetzten Senatsdienststellen, wie sie sich verhalten sollten. Nach der Rückfrage beim Senat lehnten sie die Verteilung der Merkblätter mit der Begründung ab, dass dazu nichts im Protokoll stehe. In den Passierscheinstellen, wo die Westangestellten die Verteilung unserer Merkblätter mit übernahmen, stellten sie die auf Weisung des Senats nach ca. einer halben Stunde ein. Zur Verteilung der Merkblätter durch unsere Angestellten gab es jedoch keine Einwände. In der Passierscheinstelle Zehlendorf wurde am 24.3.1965 festgestellt, dass ein Teil der Merkblätter verdruckt ist. Die darauf angegebene Einreisezeit 6.00 Uhr entspricht nicht den Festlegungen des Passierscheinprotokolls. Bis zum Zeitpunkt der Feststellung waren ca. 400 Merkblätter ausgegeben worden, die restlichen Exemplare wurden eingezogen.
In mehreren Passierscheinstellen versuchten die Westkräfte Passierschein-Abholer, die keinen Schein erhielten bzw. wo angeblich Veränderungen der Besuchstage vorgenommen wurden, zu registrieren. Form und Methode waren dabei sehr unterschiedlich. In der Passierscheinstelle Wilmersdorf wurde am Ausgang ein Tisch aufgestellt, an dem sich alle Antragsteller melden sollten, die keinen Schein erhielten. Diese Personen mussten dann mithilfe der Senatsordner einen Fragebogen (DIN A4) ausfüllen, der u. a. folgende Fragen enthielt:
- »1.
Wer ist der Antragsteller;
- 2.
Wer ist der zu Besuchende;
- 3.
Grund der Ablehnung (Antwort des Postangestellten der SBZ).«
In der Passierscheinstelle Steglitz erklärte der Leiter der West-Postangestellten [Name 1] gegenüber unserem Gruppenleiter am 24.3.1965, dass er eine Statistik anfertigen müsse und zu diesem Zweck folgende Angaben vom DDR-Gruppenleiter benötige:
- –
Zahl der insgesamt in der Passierscheinstelle angenommenen Anträge,
- –
Zahl der bis 23.3.1965 ausgegebenen Passierscheine,
- –
Zahl der nicht ausgegebenen und am Abend des 23.3.1965 wieder mit zurückgenommenen Passierscheine,
- –
Zahl der abgelehnten Passierscheine.
[Name 1] wurde von unserem Gruppenleiter lediglich auf die entsprechenden Presseveröffentlichungen hingewiesen.
In mehreren Passierscheinstellen wurden die Abholer ins Nebenzimmer geleitet und dort befragt. Ähnliche Maßnahmen zur Befragung wurden auch in anderen Passierscheinstellen beobachtet (Schöneberg, Tiergarten, Neukölln). Im Allgemeinen versuchten die Westkräfte dabei sehr unauffällig vorzugehen.
In den Fällen, wo der Antrag abgelehnt worden war, kam es kaum zu Diskussionen. In den meisten Fällen begnügten sich die Antragsteller mit dem ablehnenden Bescheid, ohne eine Begründung dafür zu verlangen. Dabei entstand oftmals der Eindruck, dass die Passierscheinabholer bereits vorher mit der Ablehnung ihres Antrages rechneten und sich des Grundes der Ablehnung bewusst waren.
In den Passierscheinstellen Charlottenburg und Tempelhof erschienen am 24.3.1965 mehrere Antragsteller, die Passierscheine für Bekannte abholen wollten, ohne im Besitz der dazu erforderlichen Papiere zu sein. Dabei bezogen sie sich auf eine Meldung des Westfernsehens, wonach der Papierscheinempfang für Dritte ohne weitere Formalitäten möglich sei.
Auch in den ersten Tagen der Passierscheinausgabe wurden unseren Kräften durch einzelne Passierscheinabholer Genussmittel angeboten, die in allen Fällen zurückgewiesen wurden. Zu Provokationen oder feindlichen Handlungen kam es nicht.
Am 22.3.1965 traten in verstärktem Maße wieder Presse- und Rundfunkreporter auf, die sowohl an den Grenzübergangsstellen als auch in den Passierscheinstellen eine Reihe von Aufnahmen machten. In den folgenden Tagen wurden Reporter nur noch in Einzelfällen beobachtet. Die Tätigkeit unserer Angestellten wurde dadurch nicht gestört.