Antrag der Westberliner Evangelischen Akademie bei der CFK in Wien
[Falsches Datum]
Einzelinformation Nr. 579/65 über einen Antrag des Leiters der evangelischen Akademie Westberlin, Dr. Erich Müller-Gangloff, an die Internationale Kommission der Prager Christlichen Friedenskonferenz
Dem MfS wurde aus zuverlässiger Quelle bekannt, dass der Leiter der Evangelischen Akademie Westberlin, Dr. Erich Müller-Gangloff,1 der dem Westberliner Komitee der Prager Christlichen Friedenskonferenz2 angehört, auf der Tagung der Internationalen Kommission der Prager Christlichen Friedenskonferenz in Wien (23.–25.5.1965) den nachfolgend im Wortlaut wiedergegebenen Antrag als »Beitrag zur Lösung der Berlin- und Deutschlandfrage mit dem Ziel einer Doppelkonföderation« eingebracht hat:
Die ungelöste Deutschland- und insbesondere die Berlin-Frage stellen eine der ernstesten Bedrohungen des Weltfriedens in unserer Zeit dar. Solange Westberlin sich durch die DDR, diese aber sich durch die Bundesrepublik bedroht fühlt – gleichviel ob zu Recht oder Unrecht – ist der Friede in Europa infrage gestellt. Die Unsicherheit der Zukunft in Westberlin beruht vor allem auf dem Mangel eindeutiger Abmachungen über die Verkehrswege von und nach Berlin. Die internationalen Verhandlungen, die in dieser Frage schon 1962 so weit gediehen waren, wurden durch die Kuba-Krise unterbrochen und nicht wieder aufgenommen, vor allem weil der Bundesrepublik die damit notwendig verbundene Aufwertung der DDR heftig widerstrebte. Die letzte Bundestagssitzung3 und die durch sie heraufbeschworene neue Berlin-Krise hat gezeigt, dass die Lösung dieses Problems nicht länger aufgeschoben werden kann. Sie liegt ebenso sehr im Interesse Berlins wie der DDR, und nachdem inzwischen das Modell des Passierscheinabkommens vorliegt, kann auch die Bundesrepublik keine begründbaren Einwendungen mehr dagegen erheben.
Ein Abkommen über die Verkehrswege nach Berlin würde den Status quo auf eine für alle Teile zumutbare Weise fixieren und verhindern, dass es durch neue Zwischenfälle zu einem Status quo minus wird. Es würde die Situation entdynamisieren und entdramatisieren und wäre schon dadurch ein Beitrag zum Frieden. Für die DDR könnte es ähnlich wie das Passierscheinabkommen ein wesentlicher Schritt auf dem Wege der Anerkennung sein, da die DDR ja der wichtigste Unterzeichner dieses Abkommens wäre. Zugleich sollte dieses Abkommen der erste Schritt zu einer Doppelkonföderation sein, die das vorläufig allein mögliche Minimum einer Lösung der Deutschlandfrage darstellt. Dieses Wort sollte an die Stelle der unbrauchbar gewordenen Vokabel Wiedervereinigung treten.
Mit Doppelkonföderation wäre die doppelte Verklammerung von Westberlin mit der DDR und der Bundesrepublik angesprochen, die über das Verkehrsabkommen hinausführen sollte, einen mehr und mehr institutionellen Charakter erhalten sollte und eine zunehmende Beruhigung der deutschen Problematik erreichen könnte.4
An der o. g. Tagung in Wien haben aus der DDR die Pfarrer Gerhard Bassarak5 und Bruno Schottstädt6 teilgenommen.
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