Auseinandersetzungen am Ausländerinstitut der FDGB-Hochschule (2)
13. Dezember 1965
Einzelinformation Nr. 1110/65 über weitere Hinweise zu den Vorkommnissen am Ausländerinstitut der Hochschule der Deutschen Gewerkschaften »Fritz Heckert« in Bernau am 1. und 2. Dezember 1965
Ergänzend zur Information Nr. 1078/65 über obengenannte Vorkommnisse wurde dem MfS weiter bekannt:
Bei dem während der Diskussionen am Ausländerinstitut der Hochschule der Deutschen Gewerkschaften1 mit einem sogenannten »12-Punkte-Programm« besonders in Erscheinung getretenen Studenten handelt es sich um den Nigerianer [Name 6, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1933 in Nigeria.
Das bereits erwähnte Programm wurde in der Nacht vom 1. zum 2. Dezember 1965 verfasst und enthält folgende provokatorische Fragen bzw. Forderungen:
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Müssen sich die Afrikaner der Schulordnung des FDGB unterwerfen?
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Was denkt die Direktion über Afrika in der Gegenwart?
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Warum unterbindet die Direktion Besuche von Afrikanern und was bedeutet das? (Diskriminierung? Zwangsmethoden?)
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Sind Afrikaner verhaftet?
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Ist die sozialistische Demokratie in der DDR nicht existent?
An Forderungen, die insbesondere gegen die Schulordnung gerichtet waren, enthielt das »Programm« folgende Punkte:
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Ausspracheversammlung mit dem Professor,
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Generalversammlung für alle Afrikaner,
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Vertreterversammlung mit dem FDGB,
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Informierung der die Studenten delegierenden Organisationen,
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Rückgabe der Pässe (Zu dieser Forderung ist zu bemerken, dass die afrikanischen Studenten zum Teil ihre Pässe bei der Direktion der Schule hinterlegt haben, um damit von sich aus zu dokumentieren, dass sie nicht nach Westberlin fahren wollen.),
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Hungerstreik, kein Unterricht, Boykott der Direktion, Demonstration gegen den Leiter,
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Maßnahmen für Radio und Zeitung.
Dieses Programm wurde unter maßgeblicher Beteiligung des [Name 6] erarbeitet und beraten. Es ist in der vorliegenden Form im Wesentlichen nur den ostafrikanischen Delegationen sowie den nigerianischen Studenten – demnach nur einem geringen Teil der Gesamtzahl aller ausländischen Studenten – bekannt.
Wie weiter festgestellt wurde, unterhielt der in der Zwischenzeit von der Schule verwiesene [Name 1, Vorname] aus Uganda offensichtlich Verbindung zu einem Mitarbeiter der neokolonialistischen »Friedrich-Ebert-Stiftung«2 in Bonn, da bei [Name 1] eine Visitenkarte, lautend auf [Vorname Name 7], Friedrich-Ebert-Stiftung, 53 Bonn/Rhein, [Straße Nr.], Telefon: [Nr.], Telex: [Nr.], gefunden wurde.
Dem MfS ist bekannt, dass [Name 7] von Westberlin aus illegale Kontakte zu Studenten aus Afrika suchte und unterhielt.
Diese Tätigkeit führte er nicht von der »offiziellen« Westberliner Vertretung der »Friedrich-Ebert-Stiftung« aus, sondern benutzte jeweils illegale Stützpunkte, u. a. das Hotel »Regina«, Kurfürstendamm 37.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der ehemalige Student [Name 1] während seiner Studienzeit mehrfach Fahrten nach Westberlin unternommen hat und – über seine Verhältnisse hinausgehend – im Besitz großer Geldsummen englischer Währung war.
Die in Nairobi/Kenia erscheinende Tageszeitung »Daily Nation« veröffentlichte am 7. und 8.12.1965 jeweils Meldungen bzw. Berichte, die die Vorkommnisse an der Hochschule in Bernau in völlig entstellter bzw. übertriebener Form schildern.
Aus dem Inhalt geht hervor, dass diese Zeitungsartikel auf der Grundlage von Äußerungen der ausgewiesenen ehemaligen Studenten [Name 1] und [Name 4] entstanden sind.