Bericht zur Situation in der SDAG Wismut
5. März 1965
Bericht Nr. 202/65 über die Situation in der SDAG Wismut
Im Beschluss des Präsidiums des Ministerrates der DDR vom 9.11.1964 »Zur weiteren Durchführung des Abkommens zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der UdSSR über die SDAG Wismut vom 7.12.1962«1 wurde u. a. festgestellt, dass die vielseitigen Verflechtungen der SDAG Wismut mit der Volkswirtschaft der DDR und die Erfüllung ihrer Aufgaben mit höchstem Nutzeffekt ihre weitgehende Einbeziehung in das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft erfordern.
Nach den vorliegenden Informationen sind jedoch in der Durchführung der damit zusammenhängenden Aufgaben noch keine sichtbaren Ergebnisse erreicht worden, obwohl die in der Tätigkeit der SDAG Wismut auftretenden Mängel und Schwächen eine baldige Veränderung der gesamten Leitungstätigkeit erfordern.
Im nachfolgenden sollen aufgrund vorliegender Hinweise und Informationen einige Probleme der Tätigkeit der SDAG Wismut dargelegt werden:
Zur Leitungstätigkeit
Ein Hauptproblem in der gesamten Tätigkeit der SDAG Wismut ist die zentrale Planung und Leitung der vielfältigen Aufgaben und Projekte. Nach den vom MfS getroffenen Feststellungen wird die zentrale Planung und Leitung oftmals durch subjektive Meinungen und Entscheidungen negativ beeinflusst. Es mangelt häufig an gründlichen Beratungen und verbindlichen Festlegungen zur Lösung der Grundsatzprobleme.
Es gibt keine regelmäßigen Arbeitsberatungen des Generaldirektors mit seinen Stellvertretern, mit den Hauptingenieuren oder mit den Leitern der wichtigsten Abteilungen über Probleme grundsätzlicher Art, sondern meist nur Besprechungen mit Gruppen von Abteilungsleitern zur Klärung von Einzelfragen.
Die Anleitung der Objekt- und Werkleiter zu Schwerpunktproblemen erfolgt unregelmäßig durch den 1. Stellvertreter des Generaldirektors. Diese Beratungen erfüllen ihren Zweck auch deshalb nicht, weil vorher die Meinung des Kollektivs der Generaldirektion zu den Problemen ungenügend erarbeitet wird. Oft fehlt die gegenseitige Abstimmung der Ansichten der sowjetischen und deutschen Seite.
Ungünstig wirkt sich auch aus, dass in grundsätzlichen Fragen offenbar eine ungenügende Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen zwischen Gebietsparteileitung (GPL) der SED2 und dem Kollektiv der Generaldirektion erfolgt. Das wurde nach der 10. Tagung der GPL vom 5./6.3.1964 besonders deutlich. Auf dieser Tagung wurden aufgrund der Beschlüsse des 5. Plenums des ZK3 Maßnahmen für die Durchführung der Industriepreisreform innerhalb der Wismut festgelegt. Praktisch wurden diese Festlegungen durch den Generaldirektor Genossen Woloschtschuk4 korrigiert, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht durchführbar und offensichtlich vorher auch nicht abgesprochen worden waren.5
Ende 1963/Anfang 1964 befasste sich auf Initiative der GPL eine Gruppe leitender deutscher Genossen mit einer Ausarbeitung zur Durchsetzung der wichtigsten Aufgaben des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft in der SDAG Wismut. Dieses Material wurde nicht ausgewertet.
Eine Studie der zeitweiligen Arbeitsgemeinschaft »Betriebsorganisation« wurde zwar auf der 13. Gebietsdelegiertenkonferenz6 vom Genossen Dohlus7 lobend erwähnt, jedoch wird nicht danach gearbeitet.
Das ungenügende Abstimmen notwendiger Maßnahmen zwischen der GPL und der Generaldirektion bringt eine Reihe leitender deutscher Genossen zeitweilig in widersprüchliche Situationen. Sie sind einerseits verpflichtet, die Beschlüsse der GPL durchzuführen, andererseits aber an die teilweise diesen Beschlüssen widersprechenden Weisungen des Generaldirektors gebunden.8 Dadurch wird negativen Kräften die Möglichkeit geboten, diese Lage für sich auszunutzen.
Einige Genossen, z. B. der 1. Stellvertreter des Generaldirektors, Genosse Richter, und der stellvertretende Leiter der Planabteilung, Genosse Lange, sind der Auffassung, dass eine bessere Zusammenarbeit zwischen dem 1. Sekretär der GPL9 und dem Generaldirektor10 erfolgen müsste, um eine einheitliche Meinung zu grundsätzlichen Fragen zunächst auf dieser Ebene herzustellen. Probleme prinzipieller Art müssten mehr im Kollektiv beraten werden.
Gegenwärtig ist zu verzeichnen, dass die Meinungen der Genossen der GPL und des Generaldirektors über die Anwendung des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft nicht übereinstimmen. Der Generaldirektor ist mit der neuen Planmethode, der Anwendung von Kennziffern u. a. Faktoren nicht vertraut und steht einigen Problemen auch skeptisch gegenüber.11
Dadurch entwickelten sich in den einzelnen Objekten nicht nur unterschiedliche, sondern vereinzelt auch politisch-schädliche Tendenzen, die dem Bestreben entspringen, die Maßnahmen »von unten her« durchzusetzen.
Gegenwärtig ist aufgrund der vorhandenen Struktur auch keine einheitliche Leitung der ökonomischen Fachabteilungen vorhanden. Die Abteilungen Hauptbuchhaltung und Planung unterstehen dem Generaldirektor, die Abteilung Arbeit dem Arbeitsdirektor, die Finanzabteilung dem 1. Stellvertreter des Generaldirektors. Bei einer Reihe deutscher Genossen der Generaldirektion besteht die Meinung, einen ökonomischen Direktor einzusetzen, um eine einheitliche Leitung der ökonomischen Fachabteilungen zu gewährleisten und gleichzeitig damit das Direktorium zu stärken. Der Generaldirektor stimmte bisher diesem Vorschlag nicht zu.
Im Objekt 9012 wurde durch Vereinigung der bisher wirtschaftlich selbstständigen beiden Tagebaue13 und der Kippergarage ein Tagebaukombinat geschaffen. Die Initiative zur Bildung des Kombinates ging von der GPL aus. Dabei war u. a. vorgesehen, dem Kombinatsleiter je einen ökonomischen Leiter, technischen Leiter und Produktionsleiter zu unterstellen. Auf Veranlassung der sowjetischen Genossen kam es dann zu der Vereinbarung, dass der ökonomische Leiter akzeptiert, der technische Leiter aber gleichzeitig stellvertretender Hauptingenieur und 1. Stellvertreter des Kombinatsleiters wurde. Damit stimmt aber die Struktur nicht mehr mit der Struktur der Generaldirektion und der Objekte überein.
Zur Erarbeitung des Perspektivplanes
Unterschiedliche Auffassungen der sowjetischen und deutschen Leiter zeigen sich ebenfalls bei der Erarbeitung der Perspektivplanung und der Planmethodik.
Im April/Mai 1964 wurde der erste Entwurf des Perspektivplanes an den Vorsitzenden des Vorstandes der SDAG Wismut, Genossen Markowitsch,14 geschickt. Das Material wurde vom Generaldirektor unterschrieben, ohne vorherige gründliche Beratung.
Auch der überarbeitete und zzt. noch in Arbeit befindliche Perspektivplan wurde nicht im Kollektiv der Generaldirektion beraten. Es gab lediglich Beratungen über die hohen Kosten in den Objekten 0915 und 90 und über die Konzeption der einzelnen Betriebe, nicht aber über die Konzeption des Gesamtplanes. Bei leitenden deutschen Mitarbeitern entstand dadurch der Eindruck, als werde der Plan als notwendiges Übel, nicht aber als Arbeitsgrundlage für die kommenden Jahre betrachtet.
Ähnliche Eindrücke hinterließen Diskussionen über die Planmethodik im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Jahresplanes für 1965. Der ursprünglich nach der bisherigen Praxis in der SDAG Wismut erarbeitete Plan musste auf der Grundlage der vom Volkswirtschaftsrat zugestellten Planmethodik überarbeitet werden.
Situation auf dem Gebiet der Investitionen und der Projektierung
Bereits seit längerer Zeit werden die jährlich geplanten Investitionsmittel überzogen, was durch folgende Übersicht deutlich wird:
[Jahr] | bestätigter Invest-Plan | korrigierter Invest-Plan | faktische Erfüllung | % zum bestätigten Invest-Plan |
---|---|---|---|---|
1961 | 150 | – | 176,8 | 117,9 % |
1962 | 150 | 225 | 228,4 | 152,3 % |
1963 | 225 | 267 | 271,1 | 120,4 % |
[gesamt] | 525 Mio. MDN | – | 676,3 Mio. MDN | – |
Eine der Ursachen dieser Entwicklung besteht darin, dass die Planung der Mittel nicht auf wissenschaftlicher Grundlage, sondern meist aufgrund von Schätzungen der 3. Verwaltung (Projektierungsabteilung) oder der Objekte erfolgt. In den meisten Fällen liegen für die in der Titelliste aufgenommenen Investitionen keine Projekte oder Kostenanschläge vor. Praktisch wird die Titelliste zur Grundlage für die Projektierungsgrafik der 3. Verwaltung genommen. Gegenwärtig arbeitet die 3. Verwaltung noch ohne bestätigten Projektierungsplan und ohne bestätigten Kostenplan für das Jahr 1965. Lediglich der Arbeitskräfteplan und der Lohnfonds wurden bisher bestätigt.
Die Folge des Nichtvorhandenseins ausreichender Projekte oder Kostenanschläge sind Fehler in der Planung der Investitionen. So wurde der ursprüngliche Investplan für 1965 allein bei den drei Bauvorhaben Kühlanlagen Objekt 09, Brandanlage Lichtenberg und Radiometrische Sortieranlage im Schacht 371 um 22 Mio. MDN zu niedrig festgelegt. Außerdem wurden Vorhaben ohne ausreichende technisch-ökonomische Begründung in die Titelliste aufgenommen. Bei der Prüfung von Vorhaben wurden Positionen im Umfang von über 20 Mio. MDN aus der Titelliste 1965 gestrichen.
Diese Erscheinungen führen dazu, dass beim überwiegenden Teil der Investbauten die gleitende Projektierung angewandt wird, praktisch aber kaum ein Projektvorlauf vorhanden ist.
Beim Aufbau des Bergbaukombinats Königstein zeigt sich, dass faktisch die geologische Erkundung und die Vorbereitung des Aufschlusses der Lagerstätte gleichzeitig betrieben werden. Daraus ergibt sich eine Reihe von Hemmnissen.
Es gab keine ordnungsgemäße Vorbereitung der Baustelle, die Unterkunfts- und Versorgungskapazitäten entsprachen nicht den Erfordernissen. Im Ergebnis dessen kam es zu Verärgerungen unter den dort Beschäftigten, zu Verzögerungen im Bauablauf und zur Erhöhung der Kosten durch eine Anzahl von Provisorien, die unumgänglich wurden (z. B. Bau einer provisorischen Küche, einer provisorischen Wasserleitung und die aufwendige Anlegung von Baustraßen mithilfe von Betonfertigteilen, um Mindestvoraussetzungen für die Entwicklung der Bauarbeiten am Kesselhaus für den Schacht 388 u. a. Anlagen zu schaffen).
Am 1.1.1965 waren von 129 Positionen, die in der Titelliste 1965 für Königstein vorgesehen sind, nur für 16 Positionen Projekte und Kostenanschläge vorhanden; für das 1. Quartal von 68 Positionen nur für zwölf Positionen.
Ähnlich ist die Situation auch bei anderen Investvorhaben, z. B. für das Bergwerk Paitzdorf. Beim Bergwerk Paitzdorf besteht überhaupt noch keine Klarheit über den Umfang der erforderlichen Bau- und Montagearbeiten. Der Schacht wurde z. T. mittels Schnelltäufe bis auf 300 m niedergebracht, musste 1964 vorläufig eingestellt werden und ist auch aus dem Investplan 1965 herausgenommen worden.
Diese Situation in Verbindung mit häufig auftretenden Projektänderungen begünstigten das Auftreten von Projektierungsfehlern, deren Beseitigung zusätzliche Kosten verursachte und außerplanmäßig und zusätzlich Material und Arbeitskräfte erforderte.
Ein typisches Beispiel ist der Bau der Radiometrischen Sortieranlage im Schacht 371. Nach ihrer Fertigstellung sind laufende Veränderungen an Rädern, dem Austrag der Bunker, an Schurren usw. erforderlich, die mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden sind.
Zur Materialwirtschaft
Die Auswirkungen dieser unplanmäßigen Arbeit spiegeln sich ebenso in der Materialwirtschaft deutlich wider. Im 4. Quartal 1964 entstand eine sehr angespannte Situation im Investgeschehen. Die geplanten Mittel waren vor Ablauf des Jahres erschöpft. Eine Reihe von Investvorhaben musste eingestellt und zeitlich verlagert werden. Dadurch wurden vorhandene Materialien und Ausrüstungen vorläufig nicht benötigt, konnten aber auch nicht verkauft werden, weil sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder gebraucht werden. Insgesamt handelt es sich um Werte von ca. 12 Mio. MDN. Sie werden außerhalb der Bilanz geführt.
Als Beispiel mangelhafter Materialplanung infolge ungenügender Vorbereitung ist das INV-Vorhaben im Schacht 387 des Kombinats Königstein anzusehen. Dieser Schacht war ursprünglich als Wetterschacht vorgesehen. Er muss aber mit hoher Wahrscheinlichkeit teilweise als Förderschacht mit benutzt werden. Die Armierung des Schachtes mit den notwendigen Fördereinrichtungen wird gegenwärtig beraten. Abgesehen davon, dass sich damit der Querschnitt für die Wetterführung verringert, sind auch die Armierung und das dafür benötigte Material nicht eingeplant.
Infolge der parallel zum Bau des Kombinats laufenden geologischen Erkundung, besonders der Erkundung der Südflanke der Lagerstätte, ergibt sich eine weitere Änderung. Entgegen dem Projekt fordern die Geologen die Auffahrung eines zweiten Füllortes. Das ist ebenfalls weder finanziell noch materialmäßig geplant. Die für die Materialwirtschaft verantwortliche 4. Verwaltung ist gezwungen, außerplanmäßige Kontingente zu beschaffen. In der Materialplanung der 4. Verwaltung für das Jahr 1964 war das Vorhaben Königstein überhaupt nicht erwähnt.
Für die Materialwirtschaft insgesamt ist typisch, dass aufgrund fehlender Projekte und fehlenden Vorlaufs die Materialplanung stets nur auf den Erfahrungswerten des Vorjahres basiert.
Häufig ist festzustellen, dass einerseits sehr schnell bestimmte Materialien, die teilweise volkswirtschaftliche Engpässe sind [sic!], beschafft werden müssen, während andererseits nicht benötigte Materialien wieder abgestoßen werden müssen.
Beispielsweise wurde die SDAG Wismut im 2. Halbjahr 1964 während der angespannten Zementsituation in der DDR bevorzugt mit Zement beliefert, der zum Teil aus der Sowjetunion importiert wurde. Im Oktober 1964 stornierte das Objekt 90 plötzlich 5 000 t Zement, von denen 3 500 t der Volkswirtschaft wieder zurückgegeben wurden.
Im Jahre 1964 wurde durch die 4. Verwaltung für mehr als 20 Mio. MDN nicht benötigtes Material wieder verkauft, darunter ca. 10 % der eingekauften Kabel und ca. 15 % der eingekauften Armaturen. Daraus ergeben sich Möglichkeiten für Spekulationen und Schiebungen und andere schädliche Handlungen.
Zum Aufschluss neuer Lagerstätten
Neben den genannten Problemen der Leitung, der Investitionen und der Projektierung haben die Fragen des Aufschlusses neuer Lagerstätten und des Abbaus vorhandener Lagerstätten für die Situation in der SDAG Wismut eine große Bedeutung.
Allgemein wird eingeschätzt, dass unter der Leitung des Genossen Woloschtschuk als Generaldirektor in der geologischen Erkundung und dem Auffinden von neuen Lagerstätten und damit in der Sicherung der Perspektive der Urangewinnung für die kommenden Jahre bedeutende Fortschritte gemacht wurden. Es gibt zu den neu aufgefundenen Erzvorräten in verschiedenen Gebieten des Erzgebirges, einschließlich der Sächsischen Schweiz, jedoch unterschiedliche Ansichten über die Gewinnung.
Verantwortliche deutsche Genossen, so z. B. Genosse Feirer,16 sind der Meinung, den Aufschluss erst nach gründlicher Überprüfung vorzunehmen, da die gegenwärtige Erzsituation ein kontinuierliches Herangehen an die Exploitation gestattet. Verantwortliche sowjetische Genossen drängen dagegen auf einen schnellen Aufschluss und eine schnelle Erzgewinnung. Diese unterschiedlichen Auffassungen und Bestrebungen zeigen sich besonders deutlich im Hinblick auf das neu entstehende Kombinat Königstein.
In Verbindung mit der Errichtung des Kombinats Königstein gibt es im Wesentlichen die Auffassung, der Beginn der Arbeiten würde übereilt erfolgt sein. Die vorbereitenden Arbeiten seien unterschätzt und dementsprechend vernachlässigt worden, was zu einem Zeitverzug, zu höheren Kosten und zu vermeidbaren Verärgerungen geführt habe. Bei sorgfältigerer Vorbereitung und etwas späterem Beginn wäre nach Ansicht leitender deutscher Genossen ein rhythmischer Ablauf der Arbeiten gewährleistet gewesen und die Lagerstätte hätte zu dem gleichen Termin aufgeschlossen werden können wie jetzt, nur mit wesentlich geringerem Aufwand. Die vorhandenen Vorräte garantieren auch ohne den forcierten Baubeginn in Königstein die Erfüllung der festgelegten Planaufgaben.
Die gleichen Feststellungen werden bezüglich der Projektierung und den Beginn [sic!] der Arbeiten an den Schächten 381 und 385 im Objekt 90 getroffen. Die Täufe wurde sogar entschieden, bevor über den Umfang der Vorräte Klarheit bestand.
Nach den vorliegenden Informationen wird durch diese Praxis die Lösung einer Anzahl herangereifter Fragen zur schrittweisen Durchsetzung des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft in der SDAG Wismut erheblich erschwert.
Zum Abbau vorhandener Lagerstätten
Den Schwerpunkt des Abbaus in der SDAG Wismut bildet das Objekt 09. Der Zustand, dass auf den in Bearbeitung befindlichen Sohlen die kompakten Vorkommen vorrangig und nicht im richtigen Verhältnis zu den ärmeren Blöcken abgebaut werden, ist noch nicht überwunden. Deshalb bleiben mit der Inbetriebnahme neuer Sohlen auf den alten Sohlen oftmals Vorräte liegen. Einige Vorräte verbrechen und können nicht mehr gewonnen werden. Viele Blöcke auf den oberen Sohlen werden noch abgearbeitet, was zur Folge hat, dass eine verhältnismäßig hohe Anzahl von Sohlen offengehalten werden muss und die ohnehin komplizierte Wettersituation weiter erschwert wird.
Zur Abschreibung der oberen Sohlen erhielt der Schacht 38 des Objektes 09 lt. Anordnung des Objektleiters Nr. 9/439 vom 19.8.1963 den Auftrag, die Bergarbeiten auf den oberen Sohlen bis zur Sohle 540 bis Ende des 2. Halbjahres 1963 abzuschließen. Die mehrmals verlängerte Terminstellung wurde jedoch nicht eingehalten.
Auch im Jahre 1964 wurde die Abschreibung dieser Sohlen nicht vollzogen. In seinem Jahresplan berichtet der Schacht 38: »Aufgrund der vom Objekt angewiesenen Planauflagen für das 2. Quartal 1964, wo uns die Aufgabe gestellt wurde, den Plan der Grundproduktion unter allen Umständen zu erfüllen, selbst unter der Gefahr, dass darunter die Löschung der oberen Sohlen leidet, konnte die Liquidierung der Sohlen nicht vorgenommen werden.«
Die Tendenz, reiche Flächen der tiefen Sohlen vorrangig abzubauen, wird an folgender Übersicht der Planerfüllung des Schachtes 371 im Objekt 09 deutlich. Der Schacht arbeitete 1964 auf den Sohlen -720 und tiefer. Der Begriff »obere Sohlen« für den Schacht 371 umfasst die Sohlen -720 und -765, die »unteren Sohlen« beginnen mit der Sohle -810.
Schacht 371 (Die folgenden Plansummen sind in Mikroampere ausgedrückt.)
Monat | Obere Sohlen Plan | [Obere Sohlen] Ist | Untere Sohlen Plan | [Untere Sohlen] Ist |
---|---|---|---|---|
Januar | 355 000 | 296 000 | 177 000 | 275 363 |
Februar | 321 000 | 277 389 | 185 500 | 235 985 |
März | 287 000 | 262 088 | 202 500 | 250 536 |
April | 300 000 | 296 452 | 233 200 | 265 823 |
Mai | 262 800 | 226 336 | 208 000 | 245 817 |
Juni | 290 000 | 262 293 | 268 000 | 351 121 |
Juli | 274 000 | 248 125 | 354 000 | 380 933 |
August | 248 000 | 235 984 | 378 000 | 378 359 |
September | 249 000 | 201 789 | 359 000 | 416 192 |
Oktober | 189 000 | 172 968 | 425 000 | 435 826 |
November | 168 000 | 175 038 | 397 000 | 398 668 |
Dezember | 167 800 | 194 609 | 433 000 | 545 635 |
Wie aus der Aufstellung ersichtlich, wurde der Plan dieses Schachtes, mit Ausnahme von November und Dezember, auf den oberen Sohlen nicht erfüllt. In den letzten beiden Monaten wurden diese Sohlen für die Übergabe an den Schacht 38 vorbereitet und zum Teil Erz unter Verletzung der Sicherheitsbestimmungen entnommen.
Der kontinuierliche Abbau im Objekt 09 wird auch durch den Umstand gehemmt, dass kein systematischer und zielstrebiger Kampf zur Senkung der Selbstkosten und zur Erarbeitung der besten und rentabelsten Methoden stattfindet, sondern immer wieder auf die kompakten Erzvorräte in den unteren Sohlen zurückgegriffen wird.
Wie dem MfS bekannt wurde, fand vor kurzer Zeit beim Leiter des Objektes 09, Genossen Seemann, eine Beratung mit leitenden Kadern statt. Obwohl Genosse Seemann gegen den unkontinuierlichen Abbau der oberen und unteren Sohlen aufgetreten ist, hat niemand von den anwesenden Schachtleitern und anderen Verantwortlichen dazu Stellung genommen und dargelegt, wie ein solch unkontinuierlicher Abbau zustande kommt.
Unmittelbar nach dieser Beratung hat Genosse Seemann beim Leiter des Schachtes 371 sowie beim Geologen angerufen und erklärt, der Schacht müsste das Erzausbringen um 7 % erhöhen, konkret von 108 % auf 115 %. Genosse Seemann wurde darauf hingewiesen, dass er doch drei Tage vorher erst gegen die unkontinuierliche Arbeitsweise Stellung genommen hätte. Vom Hauptgeologen wurde ein schriftlicher Auftrag zur Planänderung verlangt. Genosse Seemann hat diese Planänderung nicht gegeben. Einen Tag später rief er erneut an, sowohl beim Schachtleiter als auch beim Geologen, und erklärte, die Planerhöhung wäre ein Wunsch des Genossen Woloschtschuk. Inwieweit diese Begründung des Genossen Seemann zutreffend ist, ist nicht bekannt.17 Im Ergebnis dieser Weisung werden jetzt die 7 % Mehrplanerfüllung wieder von den unteren Sohlen gebracht.
Dem Drang nach vorrangigem Abbau reicherer Vorkommen wurde in der Vergangenheit auch vonseiten der Generaldirektion nicht genügend entgegengewirkt. Begünstigt wurde diese Tendenz dadurch, dass das Objekt 09 den Plan der Grundproduktion hoch übererfüllen musste, um die geplanten Selbstkosten einzuhalten. Das Problem der Selbstkosten wird benutzt, um die unkontinuierliche Arbeitsweise im Objekt 09 zu begründen, wobei es dann zu solchen Erscheinungen wie vorstehend aufgezeigt kommt.
Für das Jahr 1965 wurde durch eine Erhöhung der Kosten, der vom Generaldirektor zugestimmt wurde, diesem Umstand Rechnung getragen und das Argument – wir sind zu der Arbeitsweise im Interesse der Einhaltung der Kosten gezwungen – weitgehend ausgeschaltet.
Über die Ursachen der Verluste, die zur Erhöhung der Kosten führten, gibt es gegenwärtig kein klares Bild. Zurzeit befindet sich eine Kommission der Generaldirektion in Vorbereitung, mit der Aufgabe, die Verluste im Objekt 09 zu ermitteln.
Die vorstehend geschilderte Situation führte verstärkt zu Auffassungen, dass es an der Zeit ist, in der SDAG Wismut eine Reihe überholter Methoden in der Planung und Leitung zu überwinden. Diese Erkenntnis ist sowohl bei deutschen als auch bei einer Reihe sowjetischer Genossen vorhanden.
Keine Klarheit und Übereinstimmung gibt es offensichtlich über den Weg, wie an die Überwindung der überholten Methoden herangegangen werden muss. Offensichtlich gibt es jedoch Unklarheiten, wie unter den Bedingungen in der SDAG Wismut, insbesondere der sowjetisch-deutschen Zusammensetzung der Leitung die Beschlüsse der Partei durchgesetzt werden können. Als Tendenzen zeichnen sich ab:
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Mithilfe von kleinen Veränderungen »Millimeter um Millimeter« voranzukommen.
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In der Generaldirektion deutsche Kader einzusetzen, die die erforderliche Qualität haben und zu kämpfen verstehen, um aufgrund genauer Überlegungen und gut durchdachter Vorschläge ihre Meinung in den Fällen durchzusetzen, wo sowjetische Genossen unrichtige Auffassungen vertreten.
In diesem Zusammenhang wird auf verschiedene Diskussionen hingewiesen, die die Notwendigkeit einer baldigen Klärung dieser Probleme beweisen:
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Genosse [Name 1], stellv. Leiter der Investabteilung, und Genosse [Name 2], stellv. Hauptingenieur, bringen zum Ausdruck, dass sie mit ihren sowjetischen Genossen nicht klarkommen. Einige sowjetische Genossen verstünden die Fragen des neuen ökonomischen Systems nicht.
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Es gibt Zweifel, ob die Sowjetunion das gewonnene Erz überhaupt für Verteidigungszwecke in dem Umfang benötigt. Genosse Feirer, stellv. Leiter der Geologischen Abteilung, und Genosse [Name 3], Mitarbeiter der Plankommission, sind der Auffassung, dass die Mengen an Uran für strategische Zwecke nicht mehr notwendig sind.
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Bei einigen leitenden deutschen Mitarbeitern tritt die Frage auf, wie die Energieversorgung der DDR in den Jahren nach 1970 gesichert werden soll, wenn in dem bisherigen Tempo, z. B. im Objekt 09 als eine der reichsten Uranlagerstätten der Welt, weiter abgebaut wird.
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Stärker als in der Vergangenheit beschäftigen sich leitende Kader mit dem Gedanken, dass uns die Sowjetunion eines Tages die Urangewinnung selbst überlässt, ähnlich wie in der ČSSR und Rumänien. Bei einigen dieser Personen ist das offenbar der Wunsch.
Damit im Zusammenhang wird auch die Frage aufgeworfen, wie wir in der DDR rentabel arbeiten sollen, wenn die reichen Vorkommen in Aue abgebaut sind und nur noch die zwar umfangreichen, aber an Urangehalt geringen Vorkommen übrigbleiben.
Diese Gedanken werden angeregt oder gefördert durch solche »Hinweise«, wie sie z. B. der Genosse [Name 3], Mitarbeiter der Staatlichen Plankommission, leitenden deutschen Mitarbeitern der Generaldirektion gab, wonach sich das Politbüro unserer Partei mit dem Status der Wismut beschäftigte. Genosse [Name 3] ist auch wiederholt mit der Anregung aufgetreten, keine Erhöhung der Pläne, besonders für das Objekt 09 zu veranlassen. Wenn bisher die deutsche Seite die Ansicht vertreten habe, die Höhe der Produktion würde von sowjetischer Seite festgelegt, so sei man jetzt vonseiten der DDR an einer gewissen Drosselung interessiert. Dieses Verhalten führt zu erheblichen Unklarheiten, Spekulationen usw.