Durch Propagandaballons in der DDR verursachte Schäden
11. September 1965
Einzelinformation Nr. 778/65 über die Einschleusung von Hetzballons aus Westdeutschland und Westberlin in das Gebiet der DDR
In einer von der Regierung der DDR am 24.9.1963 abgegebenen Erklärung wurde gegen die vom westdeutschen und Westberliner Territorium ausgehende Einschleusung von Hetzschriften mittels Ballon protestiert,1 auf die zunehmende Gefährdung der Öffentlichkeit durch die eingeschleusten Hetzballons hingewiesen und die unverzügliche Einstellung derartiger Aktionen gefordert.
Nach dieser Protestaktion sind die genannten provokatorischen Handlungen des Gegners zwar kurzzeitig eingeschränkt und teilweise gestoppt, aber in der Folgezeit wieder stark forciert worden.
So wurden unter Verletzung des geltenden Völkerrechts und unter Gefährdung der Flugsicherheit von Flugzeugen der DDR und ausländischer Luftverkehrsgesellschaften in den letzten Jahren und Monaten eine große Anzahl von Hetzballons in das Hoheitsgebiet der DDR eingeschleust.
In vielen Fällen kam es dabei durch niedergehende und abstürzende Ballons und die daran befindlichen Lasten zu einer Bedrohung von Menschenleben.
Eine weitere Gefährdung besteht durch die abstürzenden Ballons für das Nutzvieh auf den Weiden.
Allein in den letzten zwei Jahren wurden über 5 315 000 Hetzschriften mittels Ballons von Westdeutschland und Westberlin aus in die DDR eingeflogen.
Bis in die jüngste Zeit wurden mehrere im westdeutschen Grenzgebiet aufgeblasene Ballons sichergestellt, die auf dem Territorium der DDR niedergegangen und deren Tragevorrichtungen nicht geöffnet waren. Jeder dieser Ballons transportierte ca. 1 000 Exemplare der Hetzschrift »Der Tag« (ein Exemplar ist dieser Information beigefügt).
Z. B. wurden solche Ballons mit ungeöffneten Tragevorrichtungen sichergestellt
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am 1.9.1965, gegen 5.00 Uhr, auf einem Grundstück in Böhlitz, [Kreis] Wurzen, [Bezirk] Leipzig,
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am 1.9.1965, gegen 6.00 Uhr, zwischen den Orten Heyda und Dornreichenbach, [Kreis] Wurzen, [Bezirk] Leipzig,
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am 31.8.1965, gegen 21.30 Uhr, an der Straße Lemnitz–Leubsdorf, [Kreis] Pößneck.
Die Zahl der in der letzten Zeit mit Ballons eingeschleusten Hetzschriften liegt zwar unter dem Durchschnitt vieler anderer Monate (ca. 27 500 Exemplare im Juli 1965 und ca. 10 000 Exemplare im August 1965), jedoch ist mit dem Niedergehen von Ballons mit voller Traglast eine zusätzliche Gefährdung von Menschen, Einrichtungen usw. verbunden. Bei den vorstehend angeführten Ballons hatte die Traglast (Hetzschriften und Tragevorrichtung) je ein Gewicht von ca. 3 kg.
In den angeführten Fällen der letzten Tage entstand kein unmittelbarer Schaden. Es wird in diesem Zusammenhang jedoch darauf hingewiesen, dass in zurückliegenden Fällen durch Ballons mit voller Traglast Sachschäden entstanden.
Aus der Vielzahl der vorliegenden Beispiele werden zur Beweisführung nur einige angeführt:
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Am 24.10. 1964 wurde in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, durch einen abstürzenden Ballon und die daran befindliche Last das Dach des Hauses [Straße Nr.] durchschlagen.
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Am 31.1.1964 trat durch einen niedergehenden Hetzballon an der 6-KV-Leitung im Raum Stockhausen-Lauterbach, [Kreis] Eisenach, [Bezirk] Erfurt, eine Störung im Netzbetrieb ein. Der Ballon fiel auf die 6-KV-Leitung und verursachte einen Kurzschluss, wodurch acht Gemeinden längere Zeit ohne Strom waren.
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Am 19.11.1963 verursachte ein Hetzballon einen Kurzschluss in einer Lichtleitung in Walda, [Kreis] Großenhain, [Bezirk] Dresden.
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Am 30.4.1963 verursachte eine 10 m lange Zündschnur eines niedergehenden Hetzballons an einer Starkstromleitung bei Boizenburg/Pritzier einen Kurzschluss, wodurch für längere Zeit eine Betriebsstörung eintrat.
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Am gleichen Tage blieb ein Ballon mit 1 400 Hetzschriften an einer Starkstromleitung zwischen den Ortschaften Conow und Karenz, [Kreis] Ludwigslust, [Bezirk] Schwerin, hängen, wodurch längere Zeit eine Störung in der Stromversorgung eintrat.
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Am 18.11.1963, gegen 22.00 Uhr, ging im Tagebau Haselbach, [Kreis] Altenburg, [Bezirk] Leipzig, ein Hetzballon mit Last nieder, der in einer Fahrleitung hängen blieb und dadurch den ordnungsgemäßen Betriebsablauf störte.
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Am 19.7.1963, gegen 14.00 Uhr, wurde durch einen niedergehenden Hetzballon das Dach eines Grundstückes in Heudeber, [Kreis] Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg, beschädigt.
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Am 11.7.1963, gegen 0.45 Uhr, fiel ein Ballon mit Last auf das Haus des Bergmannes [Vorname Name 1] in Osterhausen, [Kreis] Querfurt, [Straße], wodurch das Dach schwer beschädigt wurde.
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Am 22.6.1963 fiel ein ungeöffnetes Hetzschriftenpaket von einem Ballon auf das Werkstattgebäude des Max-Lademann-Schachtes in Eisleben, wodurch ebenfalls Sachschaden entstand.
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Am 5.12.1963, gegen 10.00 Uhr, stürzte unmittelbar am Eingang zur Sternwarte in Tautenburg, [Kreis] Jena, [Bezirk] Gera, ein von einem Ballon gelöstes Paket Hetzschriften nieder.
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Am 13.11.1963 gingen je ein Ballon mit Last unmittelbar vor dem Chemiefaserwerk Rudolstadt und im Gelände der Max-Hütte Unterwellenborn nieder, wodurch Menschenleben gefährdet wurden.
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Am 14.8.1964 wurde in Kleinfurra, Ortsteil Rüxleben, [Kreis] Nordhausen, [Bezirk] Erfurt, ein Hetzballon aufgefunden. Bei der Sicherstellung löste sich der am Ballon befindliche Zünder aus und explodierte, wodurch die an der Bergung des Ballons beteiligten Personen gefährdet wurden.
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Am 30.5.1965 ging auf dem Grundstück des Genossenschaftsbauern [Vorname Name 2] in Trebula, [Kreis] Schmölln, [Bezirk] Leipzig, in unmittelbarer Nähe eines Gewächshauses ein Hetzballon mit einem Hetzschriftenpaket nieder.
Aufgrund dieser Tatsachen wird vorgeschlagen, wiederum eine Protestkampagne zu organisieren. Nach entsprechender Entscheidung wird das MfS unter Berücksichtigung der Erfahrungen und der neuen Lage und nach Zustimmung der entsprechenden Organe geeignete Maßnahmen einleiten.
Sollte nach Abgabe der Proteste nicht die gewünschte Auswirkung eintreten und die Einflüge der Ballons nicht gestoppt werden, wäre zu entscheiden, inwieweit dann offensive Gegenmaßnahmen erfolgen müssten.
Anlage 1 Hetzschrift
Anlage zur Information Nr. 778/65
[nicht am Dokument ediert, siehe Faksimiles]