Einschleusung von Westliteratur durch Prof. Mothes
15. Oktober 1965
Einzelinformation Nr. 895/65 über Versuche zur Einschleusung von Westliteratur durch den Präsidenten der »Leopoldina« Prof. Mothes
Dem MfS wurde bekannt, dass der Präsident der »Leopoldina«, Prof. Mothes,1 an verschiedene Mitglieder dieser Akademie in der DDR ein vertrauliches Schreiben versandt hat. In diesem Schreiben wird erklärt, dass das Präsidium mit »großer Sorge die wachsenden Schwierigkeiten« verfolge, die bei der Beschaffung westlicher Fachliteratur entstünden. Deshalb sei mit dem westdeutschen Vizepräsidenten der Akademie, Prof. H. Weber,2 eine Vereinbarung über die Beschaffung entsprechender Literatur für »ausgesprochen begabte Nachwuchskräfte der DDR« getroffen worden. Die Beschaffung erfolge dann auf »privater« Grundlage, wobei Möglichkeiten bestünden, in »größerer Anzahl« diese Literatur zur Verfügung zu stellen.
Über den Umfang der beabsichtigten Einschleusung derartiger Literatur wird erklärt, dass für je zehn wissenschaftliche Mitarbeiter eines Instituts Bücherwünsche von 50 bis 100 Westmark geäußert werden könnten, man brauche lediglich Titel und Verlag anzugeben.
In diesem Zusammenhang interessierte sich Mothes in seinem Schreiben dafür, ob die betreffenden Leopoldina-Mitglieder selbst ungehindert wissenschaftliche Literatur aus dem Westen erhalten würden, da die für die Nachwuchskräfte bestimmten Sendungen dann denselben Weg gehen sollen. Das heißt, die Sendungen würden an den betreffenden Professor bzw. Institutsdirektor persönlich gerichtet werden, um eine Beschlagnahme zu vermeiden.3