Einsturz einer Kranbrücke in Berlin-Treptow
3. Februar 1965
Einzelinformation Nr. 87/65 über den Einsturz einer Kranbrücke des VEB Kohlehandel in Berlin-Treptow, Hoffmannstraße 30, am 31. Januar 1965
Am 31.1.1965, gegen 1.30 Uhr, stürzte auf dem Gelände des VEB Kohlehandel in Berlin-Treptow, Hoffmannstraße 30, eine Kranbrücke um, wodurch ein Totalschaden von 1,5 Millionen MDN entstand. Die Kranbrücke führte Verladearbeiten vom Wasser zur Landseite aus.1 Die Gesamtlänge der Brücke betrug ca. 110 m. Die Brücke, die bereits 1908 erbaut wurde, wurde bis 1964 im Mietverhältnis vom VEB Kohlehandel genutzt, am 21.12.1964 jedoch vom VEB Kohlehandel gekauft und diesem übergeben. Die Übergabe erfolgte durch die Firma Gresse,2 Wittenberg-Lutherstadt, in Verbindung mit der Abnahme durch die Technische Überwachung des Magistrats von Groß-Berlin.
Bei der Abnahme durch die Technische Überwachung Berlin wurde dabei die gesamte Krananlage nur bedingt freigegeben. Die Verladearbeiten sollten nur im Stand durchgeführt werden, weil erst noch ein Gutachten der Schweißtechnischen Versuchs- und Lehranstalt eingeholt werden sollte.
Trotzdem die Kranbrücke zum Fahren nicht freigegeben worden war, wurde sie jedoch von den Kranführern [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1938, wohnhaft Neuenhagen, [Straße Nr.], [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1932, wohnhaft Birkenstein bei Dahlwitz, [Straße Nr.] und [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1919, wohnhaft Berlin, [Straße Nr.] mit Duldung des Lagerleiters und des Hauptmechanikers in Betrieb genommen. Dabei kam es wiederholt zu einer Schrägstellung der Anlage.
Die für derartige Fälle vorgesehenen Sicherungen (elektrische Kontakte, die die Anlage bei zu weit vorgefahrener Seite stromlos machen und die Laufräder durch Federdruck abbremsen) wurden von den Kranführern durch Verstellen der elektrischen Kontakte selbstständig verändert. Obwohl für die Krananlage eine Garantie von sechs Monaten gegeben ist, duldete die Betriebs- und Lagerleitung die Vornahme der Veränderungen, ohne die Garantie in Anspruch zu nehmen oder die Firma Gresse von den Veränderungen in Kenntnis zu setzen. Die unsachgemäßen Eingriffe hatten zu einer relativen Verlängerung der Spannweite (durch Veränderung der Kontakte) und zu einer erheblichen Schrägstellung der Pendelstütze geführt. Durch die erhöhte Belastung der Pendelstütze knickte diese ein, was zum Umsturz der Kranbrücke und zu ihrer Zerstörung führte.
In der Untersuchung wurden weiter folgende Mängel festgestellt, die dieses Vorkommnis unmittelbar begünstigten: Für die gesamte Anlage wird kein Wartungsbuch geführt und das Kranpersonal wurde nur ungenügend in die Bedienung der Brücke eingewiesen. Seit Inbetriebnahme der Anlage wurden von den Kranführern und von Betriebselektrikern mit Kenntnis der Lagerleitung und des Hauptmechanikers ständig Veränderungen im Schaltkasten vorgenommen. Durch den Kranführer [Name 3] wurden Arbeiten am Führungsbolzen des Schaltkastens durchgeführt und dabei die Auflaufnocke B 5 verstellt. Am 30.1.1965, gegen 18.00 Uhr, wurde [Name 3] beauftragt, eine Störung an der Brücke zu beseitigen. Dabei hat er die Auflaufnocke B 5 entfernt und dadurch den Schrägstellungsschalter außer Betrieb gesetzt. Der Kranführer [Name 2] hat am 30.1.1965, gegen 23.00 Uhr, in Unkenntnis der Funktion der Nocke B 8 diese entfernt. Diese Nocke war zugleich die letzte Sicherung in der Schrägstellung der Kranbrücke. Durch diese fahrlässige Handlungsweise der beiden Kranführer, die unabhängig voneinander erfolgte, kam es gegen 1.30 Uhr zum Umsturz der Kranbrücke. Nach bisherigen Feststellungen ist die fahrlässige Handlungsweise der Kranführer und Elektriker auf mangelnde Sachkenntnis und ungenügende Einweisung zurückzuführen.
Die Untersuchungen werden fortgesetzt.
Gegen die Kranführer wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet.