Explosion auf dem Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen
5. Februar 1965
Einzelinformation Nr. 102/65 über einen Sprengstoffanschlag auf dem Vorortbahnsteig des Westberliner S-Bahnhofes Gesundbrunnen am 4. Februar 1965
Am 4.2.1965, gegen 16.10 Uhr, ereignete sich auf dem Vorortbahnsteig des S-Bahnhofes Berlin-Gesundbrunnen eine Sprengstoffexplosion, wodurch die Reisenden [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1898 in Zossen, wohnhaft Berlin-Tegel, [Straße Nr.], und [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1895 in Neritz, wohnhaft Berlin-Tegel, [Straße Nr.], verletzt wurden.
Die bisherigen Untersuchungen des Sprengstoffanschlages ergaben Folgendes:
Die Genannten fanden auf dem Wege vom Ringbahnsteig zum Vorortbahnsteig im Durchgangstunnel (in der Nähe eines Verkaufsstandes) einen Papierbeutel, in dem die [Name 1] eine Milchflasche mit weißem Inhalt feststellte. Zum gleichen Zeitpunkt befanden sich noch zwei weibliche und zwei männliche Jugendliche (16–18 Jahre alt) im Tunnel, wovon eine der weiblichen Jugendlichen zu den anderen äußerte: »Jetzt nimmt die Alte das Ding mit.« Die beiden Frauen begaben sich anschließend auf den Vorortbahnsteig, setzten sich auf eine Bank und untersuchten den Inhalt des Beutels. Dabei nahm die [Name 1] die Milchflasche heraus und stellte fest, dass an der Flasche ein Glasröhrchen mit gelblicher Flüssigkeit hing. Von diesem Glasröhrchen führte ein Draht in das Innere der Flasche. Ein zweiter Draht war mit einer Stabbatterie an der gegenüberliegenden Seite der Flasche verbunden. Als die [Name 1] versuchte, das Glasröhrchen und die Taschenlampenbatterie von der Milchflasche zu lösen, kam es zu der Explosion. Bei der Explosion wurde die Flasche völlig zerstört und es kam zu einer starken Hitzeentwicklung, wodurch die Handtasche sowie das Manteloberteil der [Name 1] vollkommen verbrannten. Beide Frauen erlitten starke Schnittverletzungen durch Splitterwirkung. Die [Name 1] hatte außerdem noch Brandverletzungen an den Händen, Handgelenken und im Gesicht.
Durch die Aufsicht wurde sofort Erste Hilfe geleistet und die Westberliner Feuerwehr alarmiert. Gegen 16.22 Uhr traf die Feuerwehr ein und überführte die beiden Verletzten in das Jüdische Krankenhaus. Beide wurden nach ambulanter Behandlung wieder entlassen. Gegen 16.15 Uhr übernahm eine Streife der Bahnpolizei die Sicherung des Tatortes. Kurz danach erschienen fünf Westpolizisten auf dem Bahnsteig, die den Bahnpolizisten jede weitere Handlung und den Zutritt zum unmittelbaren Tatort verwehrten. Gegen 16.42 Uhr trafen je drei Angehörige der Transportpolizei/Abt. K1 und der Westberliner Kriminalpolizei auf dem Bahnsteig ein, wobei den Angehörigen der Transportpolizei/Abt. K eine Untersuchung unmittelbar am Tatort untersagt wurde. Sie durften sich nur bis auf ca. 2 m dem Tatort nähern. Die Untersuchungen wurden durch die Westberliner Kriminalpolizei in Zusammenarbeit mit einem Feuerwerker nur sehr oberflächlich geführt. Gegen 17.00 Uhr trafen zwei Angehörige der französischen Militärpolizei am Tatort ein, die aber keine Handlungen vornahmen. Durch den Westberliner Feuerwerker und die Kriminalisten wurden der Papierbeutel, die Taschenlampenbatterie, ein ca. 35 cm langer Draht und ein Teil des Glasröhrchens entfernt, sodass durch unsere Transportpolizei/Abt. K keine ordnungsgemäße Sicherungsarbeit am Tatort erfolgen konnte. Gegen 17.20 Uhr verließen die Angehörigen der Westberliner Kriminal- und Schutzpolizei den Bahnhof.
Durch die Angehörigen der Transportpolizei/Abt. K konnten Rückstände einer schwarzen Substanz mit Glassplitter vermischt sowie ein Stück Papier gesichert werden. Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass es sich bei dem Sprengstoff vermutlich um ein selbstgefertigtes Schwarzpulvergemisch handelt.
Während der Explosion befanden sich ca. 50 Personen auf dem Bahnsteig, die den Verletzten jedoch keine sofortige Hilfe gewährten. Eine Störung des Verkehrs trat nicht ein, der S-Bahnverkehr lief normal weiter.
Die Untersuchungen zur Ermittlung der Täter werden weitergeführt.