Fahnenflucht eines Grenzoffiziers bei Salzwedel
15. Juli 1965
Einzelinformation Nr. 652/65 über die Fahnenflucht des Unterleutnant [Name 1], Kompanie Aulosen, Grenzregiment Salzwedel, am 14. Juli 1965
Am 14.7.1965, gegen 1.30 Uhr, wurde der Unterleutnant [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1938, NVA seit 5.4.1956, Zugführer in der Kompanie Aulosen, GR Salzwedel, mit zwei MPi, vier vollen Magazinen, einer Pistole und einem Fernglas nach Westdeutschland fahnenflüchtig.
Die bisherige Untersuchung der Fahnenflucht ergab Folgendes:
[Name 1] war am 14.7.1965, in der Zeit von 0.00 Uhr bis 3.00 Uhr, gemeinsam mit dem Uffz. [Name 2] im Grenzabschnitt der Kompanie Aulosen zur Postenkontrolle eingesetzt. Gegen 1.25 Uhr rief [Name 1] letztmalig die Kompanie an, um sich nach einer im Kompanieabschnitt erfolgten Signalgebung zu erkundigen. Ca. drei Minuten nach diesem Gespräch befahl er dem Uffz. [Name 2], nochmals die Kompanie anzurufen.
Als Uffz. [Name 2] den Hörer des Grenzmeldenetzes abgenommen hatte, forderte ihn [Name 1] mit vorgehaltener und durchgeladener MPi auf, Waffen und Ausrüstung abzulegen und sich in Richtung der Ortschaft Stresow zu begeben.
Nachdem Uffz. [Name 2] Waffen und Ausrüstung abgelegt hatte, nahm [Name 1] die abgelegte MPi auf und begab sich zu der ca. 80 m entfernt gelegenen Gasse in der Minensperre und wurde nach Westdeutschland fahnenflüchtig.
Bereits kurze Zeit vorher hatte [Name 1] den 6-m-Kontrollstreifen an dieser Stelle überschritten, um – wie er gegenüber dem Uffz. [Name 2] vortäuschte – die an der Gasse eingebauten Signalgeräte zu überprüfen. Wie die Untersuchung jedoch ergab, hatte [Name 1] dabei ein Signalgerät unbrauchbar gemacht und mit einer Zange die unteren Drähte der Sperre zerschnitten. Nach dieser Vorbereitungshandlung war [Name 1] über den 6-m-Kontrollstreifen zurückgekehrt und hatte seine Spuren entfernt. Aufgrund der vorgetäuschten Überprüfung der Signalgeräte war Uffz. [Name 2] das Verhalten des [Name 1] nicht verdächtig erschienen.
[Name 1] absolvierte die Unteroffiziersschule Dietrichshütte und von 1960 bis 1963 die Offiziersschule in Plauen.
Anschließend wurde er als Zugführer in der Kompanie Cheine eingesetzt. Im Dezember 1964 wurde er als Zugführer zur Kompanie Aulosen versetzt.
[Name 1] galt als Prahler und willensschwacher Mensch, der große Schwierigkeiten in der Erziehungsarbeit mit seinen Unterstellten hatte. Aufgrund dieser Schwächen wurden mit ihm wiederholt Auseinandersetzungen auf parteilicher und dienstlicher Ebene geführt.
Die Ursachen der Fahnenflucht konnten bisher noch nicht geklärt werden; die Untersuchungen wurden weitergeführt.